Esch: Gemeinderat / „Zynismus“, „schlechter politischer Stil“: Finanzhammer kommt zehn Tage nach den Wahlen
Zehn Tage nach den Kommunalwahlen standen im Escher Gemeinderat mit seiner alten Besetzung die Finanzen im Mittelpunkt. Der Opposition gefiel das nicht, schließlich stimmten zehn Räte, die dem am 11. Juni gewählten neuen Gremium nicht mehr angehören werden, über ein Darlehen von 70 Millionen Euro sowie weitere Kostenvoranschläge in Höhe von 28 Millionen Euro für laufende Projekte ab. Kostenvoranschläge, die auf März bzw. April datiert waren und viel früher den Weg in den Gemeinderat hätten finden müssen, wären da nicht die Wahlen gewesen. So kam der Escher Finanzhammer erst nach dem Urnengang.
Die Wahlen vom 11. Juni hallten nach, als der Escher Gemeinderat sich am Mittwoch ein letztes Mal in der alten Zusammensetzung traf. Die nach der Einigung der alt-neuen Koalition noch am Wahlabend in der Kritik stehenden Wahlverlierer der Grünen gaben dabei keinen Mucks von sich, sieht man einmal von der Vorstellung des Denkmalschutzes für ein Haus in der Robert-Schuman-Straße durch den zuständigen Schöffen Martin Kox ab. Ansonsten blickten Kox, Cathy Pastoret und die als Einzige wiedergewählte Mandy Ragni drein wie sieben Tage Regenwetter. Sie gaben keine Wortmeldungen ab, weder an den Diskussionen um die Schulorganisation noch an denen über die Finanzen beteiligten sich die Grünen. Genau wie die DP im Übrigen.
Politischer Anstand
Dass Baukostenüberschreitungen im zweistelligen Millionenbereich und das Ziehen eines Kredits von 70 Millionen Euro nicht die allerbeste Werbung für die schwarz-grün-blaue Mehrheit vor den Gemeindewahlen gewesen wären, ist der Grund, weshalb diese Tagesordnungspunkte lieber für eine Sitzung nach dem Urnengang programmiert wurden – in der es eigentlich nur um die Schulorganisation gehen sollte.
So stimmten die 19 Escher Räte über rund 100 Millionen Euro ab, obwohl es die letzte Sitzung in der alten Zusammenstellung war und zehn der 19 nicht mehr dem neuen Rat angehören werden. Das wollte die Opposition von LSAP und „déi Lénk“ nicht hinnehmen. Die LSAP-Fraktion bat darum, die entsprechenden Punkte von der Tagesordnung zu nehmen. „Undemokratisch“ nannte Sprecher Stéphane Biwer das Vorgehen, Bürgermeister Georges Mischo (CSV) sah das anders. Man müsse den Kredit jetzt ziehen, ansonsten dauere es wohl bis Ende September und man solle nicht leichtfertig mit den Finanzen der Stadt Esch umgehen, so der alte und neue Bürgermeister. Die neuen Kostenvoranschläge für die erste Phase der Renovierung der Brouch-Schule (Kosten von 27 auf nun 44 Millionen gestiegen), des „Sprëtzenhaus“ (von 9,1 auf 14,6 Mio.) und der Konschthal (inzwischen rund 20 Mio. insgesamt) datieren übrigens von Mitte März respektive Mitte April (Konschthal), fanden aber erst jetzt den Weg in den Gemeinderat.
Laurent Biltgen („déi Lénk“) wunderte sich konsequenterweise über den Zeitpunkt. Während der Wahlkampagne habe die CSV damit geprahlt, keine Schulden gemacht zu haben, und zehn Tage nach der Wahl würde ein Kredit von 70 Millionen Euro gezogen und Budgetverlängerungen für drei Projekte gestimmt. Schlechter politischer Stil sei das, so Biltgen. Mike Hansen und Ben Funck hauten in die gleiche Kerbe. Funck stellte die Frage nach dem politischen Anstand und Hansen fragte im Zusammenhang mit den neuen Kostenvoranschlägen: „Warum gerade jetzt?“
Eine Frage, die Bürgermeister Mischo nicht beantworten konnte bzw. wollte. Er verwies lediglich darauf, dass Einsparungspotenziale geprüft worden seien. Was nichts daran ändert, dass die Kostenvoranschläge auch auf der Tagesordnung der letzten drei Sitzungen vor den Gemeinderäten hätten auftauchen können, ja vielleicht sogar müssen, um keine Verzögerung der Projekte zu riskieren. Biltgen bezeichnete das als „ein starkes Stück“ und forderte zudem ein Audit über die Planungsfähigkeit der Escher Gemeinde. Es müsse nicht immer das teuerste Holz sein, bemerkte derweil Stéphane Biwer. Man kenne die Problematik der Kostenexplosion im Bau. „Doch das, was heute in diesem Gemeinderat abläuft, ist reiner Zynismus“, fasste Biwer die Debatten um das Geld zehn Tage nach den Wahlen zusammen. Kein gutes Zeichen an die, die in Zukunft hier säßen, fügte Mike Hansen an. Man wolle nicht am falschen Ende sparen und habe auch keine Prunkbauten geplant, rechtfertigte sich Georges Mischo. Zudem habe es seinen Preis, wenn man ökologisch bauen wolle. Mit den Ja-Stimmen der Mehrheit wurden sowohl der Kredit als auch die neuen Kostenvoranschläge verabschiedet.
Schulorganisation
Begonnen hatte die Sitzung mit der Vorstellung der provisorischen Schulorganisation für 2023/2024. 3.229 Kinder gehen in Esch in die Grundschule, aufgeteilt in insgesamt 218 Klassen. Neu ist dabei der Generationscampus Wobrécken mit rund 300 Schülern. Die Schule soll, wenn auch nicht komplett, im September fertig sein. Durch sie wurden auch die Schulsektoren neu definiert. Eine Definition, die Schulschöffe Christian Weis (CSV) vorstellte und die von Laurent Biltgen und Jean Tonnar (LSAP) kritisiert wurde. Kein Konzept oder Plan gebe es, wie die Escher Schullandschaft in zehn oder 20 Jahren aussehen soll, bemängelte Biltgen, der zudem bedauerte, dass die Durchmischung schlechter als zuvor sei, weil bei der Neuorganisation die sozio-ökonomischen Kriterien nicht berücksichtigt würden.
Und auch den Mangel an informatischem Material prangerte Biltgen wie schon in den letzten fünf Jahren in den Reden zur Schulorganisation an. Nichts habe sich geändert. Jean Tonnar sprach von einem Unwohlsein des Lehrpersonals, das man bei Gesprächen heraushöre. Auch stellte er infrage, warum „Op Kleppen“ keine eigenständige Schule wurde, sondern vom Nebengebäude der Brouch- zum Nebengebäude der Nonnewisen-Schule. Mit den Stimmen der Mehrheit wurde die Schulorganisation angenommen.
Nach zwei Stunden war die letzte Amtshandlung des alten Escher Gemeinderats erledigt, der Nachgeschmack des wahlpolitischen Kalküls der Mehrheit wird allerdings noch eine Zeitlang erhalten bleiben.
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