/ Musikalische Lesung im Trifolion: Der kleine Prinz und seine irdischen Botschafter
Man nehme: einen Klassiker der Literaturgeschichte, zwei Künstler, drei Instrumente und eine aktiv lauschende Zuhörerschaft. Das Ergebnis: ein Gesamtkunstwerk. Der kleine Prinz sowie der Schauspieler und Musiker August Zirner und der Jazzbassist Kai Struwe bescherten dem Publikum in Echternach am vergangenen Wochenende definitiv ein unvergessliches Erlebnis.
Von Martina Kaub
Eine Bühne, deren Hintergrund in gedämpftes, warmes Rot getaucht ist, eine Querflöte, ein Kontrabass, ein Mark Tree und eine Staffelei mit ein paar Papierbögen – dieses minimalistische Ensemble macht neugierig. Immerhin existieren unzählige Inszenierungen von Antoine de Saint-Exupérys 1943 erschienenen Kunstmärchen „Der kleine Prinz“ in unterschiedlichen Kunst-Sparten. Bekannte Kunstschaffende haben den Text in die kleinere Form des Hörbuchs übertragen. Die seit 2015 erfolgreiche Produktion von Oetinger audio ist eine sprachlich leicht modernisierte Version, die der österreichisch-amerikanische Schauspieler, Jazzmusiker (Querflöte, Saxophon) und Komponist August Zirner eingelesen hat. Mit Kai Struwe (u.a. Bassist bei Helge Schneider) verbindet ihn nicht nur die Liebe zum kleinen Prinzen, sondern auch die Leidenschaft für den Jazz und damit zahlreiche musikalische Auftritte.
Als Schauspieler hat Zirner am Wiener Volkstheater debütiert. Dass er zwischen Theaterbühnen, Filmdrehorten – er hat in über 150 Kino- und Fernsehfilmen mitgewirkt – Konzertlocations und Kulturfestivals offenbar mühelos wechseln kann, zeigt ein Blick in seine künstlerische Vita sowie gerade abgeschlossene und laufende Projekte. Seit 2015 spielt der Grimme-Preisträger im Münchener Volkstheater Lessings „Nathan der Weise“ (inzwischen über einhundertmal), vor der Kamera steht er im gleichen Jahr im Kinofilm „Colonia Dignidad“ (Regie: Florian Gallenberger). Man merkt ihm an, dass er gerne vor Publikum steht, als er mit Kai Struwe auf die Bühne kommt und beide zu ihren Instrumenten greifen. Zirner setzt die Querflöte zu einer eröffnenden Tonfolge an, von wenigen leisen und ruhigen Bogenstrichen Struwes untermalt. Zusammen mit dem warmen Rot des Bühnenhintergrundes stellt sich der Eindruck einer Morgendämmerung in der Wüste ein.
Gemeinsam haben sie die Musik zum Text komponiert, nahe an Sprache und Inhalt orientiert. In der Rolle des Piloten beginnt August Zirner mit der Schilderung seiner missglückten Zeichenversuche und des Unverständnisses der Erwachsenen gegenüber kindlicher Fantasie und Vorstellungskraft. Kurz darauf lässt er mit zarter Stimme den kleinen Prinzen auftreten, der ihn bittet, ein Schaf zu zeichnen. Von der Staffelei entnimmt der Pilot jeweils einen Bogen und erntet amüsierte Reaktionen aus dem Publikum beim Anblick der Zeichnung einer Kiste für das imaginierte Schaf.
Wonne für das innere Auge
Mit seiner markanten, wandlungsfähigen Stimme erweckt August Zirner die auftretenden Figuren und Begegnungen zum Leben. Artikulation, Stimmfärbung und -volumen, Tempo und Sprecheinsatz beherrscht er mit Leichtigkeit, verleiht den Charakteren ihre Einzigartigkeit. Nie klingt er artifiziell, stattdessen einfühlsam und glaubhaft. Facettenreich auch seine Darstellungskunst, Mimik, Gestik und Bewegungen des Körpers, die die Wirkung der Sprache unterstreichen. So richtet er sich in koketter Manier auf, dabei den Handrücken elegant über die Stirn ziehend, um als eitle, selbstverliebte Rose mit hauchender Stimme die Aufmerksamkeit des kleinen Prinzen zu gewinnen. Stimmgewaltig dagegen sein König ohne Untertanen, ungeduldig aufbrausend der Geschäftsmann, dogmatisch belehrend der Forscher, zischend und listig die sich schlängelnde Schlange, hellwach und clever der Fuchs.
Die kleinen Musikstücke, die zwischen den einzelnen Kapiteln gespielt werden, reflektieren das soeben Erzählte noch einmal kurz und leiten zur nächsten Passage über. Orientalisch anmutende Phrasen verorten das Geschehen in der Wüste, manchmal weht der Mark Tree ein zauberhaftes Glissando in die Szene. Harmonisch gelungen wirkt die Verbindung zwischen Sprache und Musik, weil Zirner und Struwe ausgezeichnet aufeinander eingespielt sind und abwechselnd führend die Instrumentierung durch das passende Klangbild bestimmen.
Die Atmosphäre des Textes wird aufgegriffen, mal verträumt-melancholisch durch einen poetisch-weichen Klang des Flötenspiels verstärkt, mal werden temperamentvoll, bedrohlich oder sparsam-verhalten die Saiten des Basses gestrichen, gezupft oder angeschlagen. Virtuos präsentieren die Künstler das Spektrum ihres Könnens, schaffen Spannungsbögen, treten in Dialog miteinander oder finden sich im melodiösen Gleichklang wieder. Mit einem wirkungsvollen und stilistisch sicheren Klangbild lassen sie die Bilder des Märchens vor dem geistigen Auge entstehen, manchmal fast lakonisch in der metaphorischen Art der Darstellung, aber elegant zugleich. Und so sind Publikum und Künstler tatsächlich für eine kurze Zeit einander näher gekommen.
Antoine de Saint-Exupéry schreibt in „Wind, Sand und Sterne“: „Die Größe eines Berufes besteht vielleicht vor allem darin, dass er Menschen zusammenbringt. Es gibt nur eine wahre Freude: den Umgang mit Menschen.“ Auch in diesem Sinne haben August Zirner und Kai Struwe mit ihrem Beruf und ihrer Kunst zur Freude des Publikums beigetragen, nicht zu vergessen die konzentriert lauschenden „kleinen Leute“, die mit ihren Eltern gekommen waren.
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