/ Alain spannt den Bogen: Von Gott und Teufel
Es waren drei sehr unterschiedliche, aber dafür sehr spannende Konzerte, die diese Woche in Luxemburg stattfanden. Und mit barocken Klängen, spätromantischem Wohlklang und wegweisender Modernität war wohl für jeden etwas dabei.
Von Alain Steffen
Die Kirche in Lorenzweiler erwies sich als ein akustisch idealer Ort für das 4. Konzert des „Festival de musique ancienne“ am Sonntag. Auch diesmal war es den Organisatoren wieder gelungen, erstklassige Barock-Interpreten zu verpflichten und dem zahlreich erschienenen Publikum somit einen musikalischen Hochgenuss zu bieten. Das 2015 von der Cembalistin Elina Albach gegründete Ensemble Continuum mit Johanna Bartz (Traverso), Evgeny Sviridov (Violine), Elfa Rún Kristinsdóttir, (Violine) und Daniel Rosin (Cello) begleitete den erstklassigen Countertenor Alex Potter in einem Programm mit dem Titel Terpsichore.
„Terpsichore“ ist der Prolog zur Oper „Il pastor fido“, den Georg Friedrich Händel nachträglich dazu komponierte und der hier sozusagen als Rahmen für weitere geistliche Kantaten und Arien von Händel und seinen Kollegen und Rivalen Giovanni Battista Bononcini und Nicola Antonio Porpora dient. Alex Potter sang die Arien und Kantaten mit großem Stilgefühl und einer sicheren Intonation. Die Stimme verfügt über ein gesundes Fundament, ist in der Höhe frei und besticht durch eine sehr schöne und wohlige Mittellage.
Klangschönheit
Dank dieser flexiblen Stimme, eines angenehmen Timbres und einer hervorragenden Gesangstechnik vermag Potter, jedes Stück mit Individualität und Intensität zu gestalten. Elina Albach und ihr Ensemble Continuum begleiten Potter sehr einfühlsam und bestechen in den instrumentalen „Terpsichore“-Teilen durch Klangschönheit und eine dezente Virtuosität. Als Zugabe sang Alex Potter „Now that the Sun Halth Veil’d His Light“ von Henry Purcell und wurde dabei kongenial von Continuum unterstützt.
Knapp eine Stunde später trafen wir dann in der Philharmonie auf das London Symphony Orchestra und seinen neuen Chefdirigenten Sir Simon Rattle. Im Gepäck hatten sie diesmal die „Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“ sowie Bruckners 6. Sinfonie. 1936 als Auftragswerk für den Dirigenten Paul Sacher komponiert, ist Bartóks „Musik für Saiteninstrumente“ ein Hauptwerk seines Oeuvre und ein Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts.
London Symphony Orchestra
Wenn man die Aufnahmen der ungarischen Dirigenten und Bartók-Spezialisten Ferenc Fricsay und Georg Solti zum Vergleich heranzieht, stellt man fest, dass Rattles Deutung weitaus versöhnlicher und runder daherkommt als die markanten, zum Teil schneidenden Interpretationen der Ungarn. Rattle scheint dann auch mehr von der rein musikalischen Seite angezogen zu sein wie von der architektonischen und strukturellen. Natürlich klingen die drei Instrumentengruppen wundervoll homogen und klar, doch Rattles Interpretation findet ihre Stärke in einer quasi meditativen und transzendentalen Ausleuchtung sowie einer emotional dichten Gestaltung.
Der wundervolle Klang des London Symphony Orchestra war natürlich ein besonderes Atout in Sachen Klanggefühl und Emotionalität. Nach der Pause dann die 6. Sinfonie von Anton Bruckner, ein Werk, das immer noch im Schatten einer Vierten, Siebten oder Neunten steht. Dabei besticht Bruckner gerade hier durch ein sehr geradliniges und kompaktes Komponieren. Von dieser Sinfonie gibt es auch nur diese eine Fassung, was wohl der Geschlossenheit des Werkes zuzuschreiben ist, die in jedem Moment perfekt erscheint. Wie schon bei Bartók nimmt Rattle das Orchester sehr zurück, arbeitet vor allem die leisen Stellen mit einer ungeheuren Intensität heraus, sodass die tutti dadurch viel entspannter und weniger aufdringlich erscheinen.
Somit schafft Rattle eine in sich stimmige Interpretation, die von kammermusikalischen Feinheiten, pastoralen Stimmungen und dem atemberaubenden Klangpotenzial des London Symphony Orchestra lebt. Ein erstklassiges Konzert, das leider wie so oft in letzter Zeit von einem ungehemmt hustenden Publikum durchgehend und besonders zwischen den einzelnen Sätzen erheblich gestört wurde.
Musiktheater
Mucksmäuschenstill war es dagegen zwei Tage später im Kammermusiksaal, wo Strawinskys Musiktheater-Werk „Die Geschichte vom Soldaten“ auf dem Programm stand. Das Thema Krieg wurde dann noch verdeutlicht, indem man dem Hauptwerk gesprochene Auszüge aus Goethes „Egmont“ sowie eine für Kammerensembles arrangierte Fassung von Beethovens „Egmont“-Ouvertüre voransetzte. „Die Geschichte vom Soldaten“, die zugleich die Geschichte vom Teufel ist, fand in einer freien Neuübersetzung und somit auch Neuinterpretation durch Peter Jordan statt.
In der Inszenierung von Peter Jordan und Leonhard Koppelmann sprachen und spielten Katja Riemann (Teufel), Daniel Hope (Soldat) und Thomas Quasthoff (Erzähler). Das Ad-hoc-Ensemble mit Patrick Messina, Klarinette, Philippe Hanon (Fagott), Gilles Mercier (Trompete), Jean Raffard (Posaune), Stéphane Logerot (Kontrabass) und Hans-Kristian Kjos Sørensen (Schlagzeug) wurde von dem ebenfalls Violine spielenden Daniel Hope angeführt. Es war eine in allen Hinsichten überragende Aufführung, bei der vor allem Katja Riemann und Thomas Quasthoff mit ihrem schauspielerischen und deklamatorischen Können glänzen konnten und die 90 Minuten so wie im Fluge verstrich.
Musikalisch erlebte das Publikum eine ungemein packende Wiedergabe von Strawinskys Musik. Dass der Komponist hier quasi wie Free-Jazz klang, lag wohl an der sichtbaren Spielfreude und Kommunikationsfreudigkeit der Musiker, die Strawinsky zum Brodeln brachten.
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