Berlinale (6) / Der Mann ohne Schatten: „The Shadowless Tower“ von Zhang Lu
„The Shadowless Tower“ ist ein trügerisch zielloser, melancholischer und ergreifender Film über einen zu höflichen Restaurantkritiker, der den Kontakt zu seinem Vater wieder aufnimmt.
„Zu viel Höflichkeit baut eine Mauer zwischen den Menschen“: Gu Wentong (Xin Baiqing), früher ein erfolgloser Poet, heute ein relativ renommierter „Foodie“ – er selbst bezeichnet seine Artikel als triviales Zeug – ist stets einen Tick zu höflich, was ihm während dieses langen Films immer wieder vorgeworfen wird.
Genau wie dieser Film, der am Samstagmorgen um 8.45 Uhr in der Pressevorführung partout nicht anlaufen wollte – erst wurden die Lichter gedimmt, dann fuhr man das Rideau hoch, doch ließ der Film trotz dieser ermutigenden Signale auf sich warten, der anschließend ein gefühltes Dutzend an Produktionsfirma-Clips durchdeklinierte, bevor dann der Vorspann den Zuschauern noch etwas Geduld abforderte –, ist Gu Wentong am ständigen Zögern darüber, was er mit seinem Leben anfangen soll, steht andauernd an der Schwelle der Geschehnisse, unsicher, welchen Schritt er als Nächstes gehen soll – es sei denn, er ist betrunken, denn der Zustand der Trunkenheit verleitet ihn zu einem impulsiven Handeln, das er nüchtern niemals an den Tag legen würde.
Zu Beginn von „The Shadowless Tower“ wird Gu Wentongs Mutter während einer sekundenlangen Zeremonie begraben. „Mutter mochte es nicht, Zeit zu vertrödeln“, meint die Schwester trocken, bei der die Tochter des Restaurantkritikers lebt – weil er sein Leben nicht auf die Reihe kriegt und zu wenig verdient, um sich mehr als ein Zimmer in der Wohnung der verstorbenen Mutter zu leisten.
Als Gu Wentong sich wundert, woher die bereits vor der Ankunft der Familie am Grab der Mutter platzierten Blumen stammen, reicht ihm sein Schwager die Telefonnummer seines leiblichen Vaters, mit dem er keinen Kontakt mehr hat, seit dieser des sexuellen Übergriffes angeklagt wurde. Dass der Vater in Beidaihe lebt, ist irgendwie ein schöner Zufall – denn die Fotografin Ouyang Wenhui (Huang Yao), die Fotos zu seinen Artikeln liefert und ihn zu Beginn des Films ganz ungestüm fragt, ob er sie nicht auf einen Drink einladen wolle, stammt ebenfalls aus dieser Provinz.
Durch diese Verbindung scheinen andere Unterschiede – sie ist so direkt wie er zurückhaltend, sie nennt ihn in Anwesenheit anderer immer wieder „Paps“, weil er bedeutend älter ist – wie aus der Welt geschaffen, und das Ungestüme der Fotografin färbt irgendwann auf den melancholischen Restaurantkritiker ab, der anfangs um den Vater herumpirscht (erst ruft er ihn von einer Telefonzelle, dann vom eigenen Handy an), bevor er nach einer schlaflosen Nacht nach Beidaihe fährt, um sich dort in die Wohnung des abwesenden Vaters zu setzen und rauchend dessen bescheidene Bleibe zu inspizieren.
Dass der (vielleicht unschuldige) Vater, nachdem er bemerkt hat, dass jemand in seiner Wohnung war, für den Eindringling, von der er vermutlich vermutet, dass es sich um seinen Sohn handelt, Kippen kaufen geht, ist ganz im Sinne dieses poetischen, zurückhaltenden Films: Zhang Lu filmt das Zwischenmenschliche mit der Sensibilität seiner Hauptfigur.
Da Gu Wentong so schattenlos wie der namengebende Turm ist, schreitet der Film langsam, gar schleppend voran und verzichtet auch erzählerisch auf jeden Spannungsbogen: „The Shadowless Tower“ ist so orientierungslos wie melancholisch, manchmal passiert fast nichts, dann wieder wird eine Szene, auf die der Film lange hinsteuert – die Begegnung mit dem Vater – urplötzlich und in medias res gefilmt.
Das führt zu einem sehenswerten, teilweise lustigen, melancholischen und ergreifenden Film, der aber seine Längen hat und im Endeffekt vielleicht selbst etwas zu höflich bleibt, was sich auch in seiner Filmsprache bemerkbar macht. So ist die Mauer, die durch zu viel Höflichkeit errichtet wird, hier vielleicht auch eine Mauer zwischen dem Film und seinem Publikum.
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