/ Die Sache mit der Schuld: Ferdinand von Schirach und sein Werk im Porträt
Ferdinand von Schirachs Bücher sind in über 40 Sprachen übersetzt. Es sind Bestseller, sie werden fürs Fernsehen und die Leinwand adaptiert. In diesen Monaten erscheint die Fragmentsammlung „Kaffee und Zigaretten“ (Luchterhand), sein erster Roman „Der Fall Collini“ läuft in den Kinos und Myriam Muller inszeniert im „Théâtre du Centaure“ sein Theaterstück „Terror“. Ein kritischer Blick auf Schirachs Gesamtwerk, in dem es stets um Recht, Gerechtigkeit und Menschenwürde geht.
Am 25. April wurde entschieden, dass Jean-Claude Romand auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen werden soll. Romand gab jahrelang vor, forschender Arzt bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf zu sein. In Wahrheit hatte er sich, nachdem er im zweiten Studienjahr sitzen geblieben war, ein Leben auf Lügen aufgebaut. Er schrieb sich jedes Jahr wieder im zweiten Studienjahr ein, gab später vor, den Medizinabschluss erhalten zu haben, und erfand einen Beruf, den er nie ausübte. Als das Lügennetz aufzufliegen drohte, tötete er seine Ehefrau, seine beiden Kinder, seine Eltern und deren Hund. Vor Gericht brach er, als er sich bewusst wurde, was er getan hatte, zusammen. Ein Journalist des Nouvel Obs erinnert sich heute noch an diesen markerschütternden Schrei. Schriftsteller Emmanuel Carrère besuchte Romand im Gefängnis und schrieb über ihn ein Buch, „L’adversaire“.
Jean-Claude Romand wäre die perfekte fiktionale Gestalt in einem Werk von Ferdinand von Schirach gewesen. Dieser schreibt im Vorwort seines ersten Erzählbandes: „Ich erzähle von Mördern, Drogendealern, Bankräubern und Prostituierten. Sie haben ihre Geschichte, und sie unterscheiden sich nicht sehr von uns. Wir tanzen unser Leben lang auf einer dünnen Schicht aus Eis, darunter ist es kalt und man stirbt schnell. Manche trägt das Eis nicht, und sie brechen ein. Das ist der Moment, der mich interessiert. Wenn wir Glück haben, passiert es nicht, und wir tanzen weiter.“ Jahre später, in einem Essay, schreibt er weiter: „Oft ist es nur Zufall, ob ein Mensch Täter oder Opfer wird.“
(Un)antastbare Würde
Im Zentrum des Werkes von Ferdinand von Schirach steht dieser melancholische Moment des Bruchs, dieser Moment, in dem der Zufall und die äußeren Zustände entscheiden, wie sich die (oftmals) blutige Rollenverteilung zwischen Opfer und Täter ergibt. Dabei hinterfragt von Schirach nie das Prinzip des Rechtsstaates, auch wenn dieser in einigen Fällen gegen das, was die persönliche Moral einem diktiert, zu verstoßen scheint.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieser Satz, der im deutschen Grundgesetz steht und dank einer Ewigkeitsgarantie unveränderbar gemacht wurde, taucht regelmäßig in Ferdinand von Schirachs Werk auf. Sie ist der Beweggrund eines Autors, der in seinen juristischen Kriminalfällen stets auf humanistische Weise vom Zufall, der Menschen zu Kriminellen werden lässt, von menschlichen Schwächen, sozialer Konditionierung und der Rolle des Rechtsstaates in dem Aufrechterhalten unserer antrainierten zivilisatorischen Gesetze, berichtet.
Das mag vielleicht auf Anhieb trocken klingen, von Schirachs Bücher lesen sich jedoch wie Kriminalromane, die den Leser mit moralphilosophischen Fragen konfrontieren: Wie legitim ist es, den Ehemann umzubringen, wenn dieser nach Jahren von häuslicher Gewalt und Vergewaltigungen plötzlich droht, die zehnjährige Tochter „zu ficken“ („Ausgleich“, in „Schuld“)? Durfte die Cellistin Theresa ihren nach einem Unfall mehrfach amputierten, sprechunfähigen Bruder in der Badewanne ertränken („Das Cello“, in „Verbrechen“)?
Mitunter wirken die Texte wie theoretische Fälle für Jurastudenten und das Hauptaugenmerk liegt zu sehr auf den bürgerlichen Verhältnissen, in denen von Schirach selbst aufwuchs, ohne dass die Vergangenheit dieser deutschen Familien in Herrenhäusern ausreichend hinterfragt oder das Bürgertum ansatzweise kritisiert würde – meist aber schillert in der Figurenzeichnung stets die Empathie durch, die man von Fiktionen, die sich in Gerichtshöfen abspielen, nicht erwarten würde.
Großes Verständnis für menschliche Schwächen
In von Schirachs Erzählungen begegnen wir ständig Figuren, die ihre Würde zeitweilig verlieren und zu Verbrechern werden. Das Erörtern der Beweggründe macht seine Fiktionen, die sehr oft den Gerichtssaal als letzten oder ersten Schauplatz haben, menschlich: Im Gegensatz zu den Urteilen, die in seinen Büchern gesprochen werden und gesprochen werden müssen, werten von Schirachs Erzähler – meistens handelt es sich um Juristen, die aus der Ich-Perspektive berichten und über deren Persona wir sehr wenig erfahren – ihre Mandanten sehr selten. Sie zeugen einerseits von größtem Verständnis für menschliche Schwächen, hinterfragen aber nie die Notwendigkeit des Justizsystems, das aber oftmals als verbesserungswürdig dargestellt wird (siehe „Der Fall Collini“).
Es gibt in Ferdinand von Schirachs Werk keine Entwicklung, so wie es in der rezenten Geschichte des Strafrechts kaum Entwicklungen geben kann. Menschen verstoßen gegen das Gesetz, werden angeklagt, verurteilt oder freigesprochen. Die Beweggründe für das Töten und die gewählten Methoden sind vielfältig, aber nicht unerschöpflich.
Die Redundanz dieses Werkes ist programmatisch, bereits ab dem ersten Kurzgeschichtenband „Verbrechen“ stehen die semantischen Eckpfeiler dieses literarischen Schaffenswerkes: Das Bürgertum, die Synästhesie, der Zufall und die notwendige Abstraktheit der höheren Macht des Rechtsstaates. Es ist von Schirachs Verdienst, ein sehr eigenes Universum geschaffen zu haben, in dem es sein gutes Recht ist, sich wie der Besitzer eines zu großen Herrenhauses zwischen seinen vier Wänden manchmal im Kreis zu drehen. Wir analysieren drei Werkmerkmale anhand von einem Film, einem Theaterstück und einem Buch.
„Kaffee und Zigaretten“ – Die Ästhetik des Minimalismus
Auf den ersten Blick zeugt es von Übermut, eine lose Sammlung von Gedanken, Gerichtsfällen und autobiografischen Erlebnissen nach einem bekannten Film von Jim Jarmusch zu benennen. Auf den zweiten Blick ergibt der Titel des Bandes dann doch Sinn: Die Organisation des Buches und das unstrukturierte Plaudern über auf den ersten Blick zusammenhanglose Themen soll als Hommage an Jarmuschs Film verstanden werden.
Was aber bei „Kaffee und Zigaretten“ mehr als sonst im Zentrum steht, was die lose verknüpften Erzählfragmente zusammenwebt, ist Ferdinand von Schirachs minimalistischer Stil und die Weltsicht, die sich aus ebendiesem Schreibstil herauskristallisiert (Leseprobe als PDF). Es wäre etwas kurzsichtig, von Schirachs Stil als „déformation professionnelle“ zu bezeichnen, seine präzise, oftmals simple, immer klare Sprache als eindeutiger Verweis an seine frühere Tätigkeit als Anwalt zu werten.
Vielmehr spaltet sich das Lager der Literaten seit jeher in Autoren, die mit ausschweifenden Sätzen versuchen, die Wirklichkeit so präzise und vollständig wie möglich zu erfassen, und Schriftsteller, die in kurzen, präzisen Sätzen die Realität oft bloß andeuten: Bei letzteren entfaltet sich das Beschriebene oftmals in den Ellipsen.
Beide Stile kann man in der Karikatur so sehr auf die Spitze treiben, dass die Gefahren, die jedem dieser Schreibstile innewohnt, deutlich werden: Bei den ausufernden Autoren ist es der Schwulst und die Geschwätzigkeit, bei den Minimalisten die Leere und das Bedeutungsschwangere.
In von Schirachs Textsammlung werden Begegnungen mit Imre Kertész geschildert, der Autor erklärt, wieso er die Filme von Haneke mag, er trifft zweifelnde Richter, beschwört melancholische Jugend- und Kindheitserinnerungen und schreibt ein Panegyrikon auf das Rauchen. Zwischendurch schiebt er nüchterne Fakten über Donald Trump oder steigenden Antisemitismus ein. Der Ton ist oft düster und melancholisch: „Irgendwann hat man keine Vorbilder mehr. Man weiß zu viel. Zu viel über sich selbst und zu viel über die anderen.“
Über einen jugendlichen Aufenthalt in Paris schreibt er Folgendes: „Wir glaubten, dass uns alles gelingen würde, weil wir nur wenig wussten und weil die Wirklichkeit nur wenig Macht über uns hatte.“ Anderswo ist es das melancholische Wissen, das von Schirach dazu veranlagt, wie einst der Philosoph Clément Rosset zu schreiben: „Alles ist einfach nur da.“ Denn er weiß, was sein jugendliches Alter Ego nicht wusste: dass wir nicht die geringste Macht über die Wirklichkeit haben. Dies festzustellen, ist tragisch. Und diese Feststellung hinzunehmen, ist der einzige mögliche Weg, glücklich zu werden. Weswegen das Buch auch mit einem ephemeren Moment des Glücks aufhört.
„Der Fall Collini“ – Der Nationalsozialismus und die Nachkriegsjustiz
Es ist die vielleicht persönlichste Fiktion von Ferdinand von Schirach (Leseprobe als PDF): Caspar Leinen, ein junger ehrgeiziger Anwalt, wird zum Pflichtverteidiger von Fabrizio Collini, der sich als Journalist tarnte, um in einem Berliner Luxushotel den Industriellen Hans Meyer brutal zu töten.
Als er herausfindet, dass Collinis Opfer der Großvater seines damaligen besten Freundes ist – ein Großvater, der für ihn selbst eine Art Vater war –, will er den Fall abgeben, zumal die Erbin, Johanna Meyer, eine ehemalige Geliebte von Leinen ist. Aber der erfahrene Rechtsanwalt Richard Mattinger, der im Verfahren die Interessen der Firma Meyer vertreten wird, erklärt Leinen, dass dieser als Verteidiger im Laufe seiner Karriere stets Beweggründe finden wird, um einen Mandanten abzuschieben – und dass diese somit keine gültigen Argumente für die Fallabgabe sein können: „Im nächsten Verfahren erinnert Sie der Mord an ein sogenanntes tragisches Erlebnis ihrer Kindheit. Und beim übernächsten müssen Sie dauernd daran denken, dass Sie mal eine Freundin hatten, die vergewaltigt wurde. Sie wollen Verteidiger sein, Herr Leinen, also müssen Sie sich auch wie einer benehmen.“
Nach dem Gespräch mit Mattinger nimmt Leiden die Verteidigung an – und stellt im Laufe seiner Ermittlungen fest, dass der von ihm als Kind abgöttisch verehrte Meyer im Zweiten Weltkrieg Kriegsverbrechen begangen hat. Während sein Mandant Collini schweigt, kommt Leinen einem in den 60er Jahren eingeführten Gesetz auf die Spur, das die Straftäter des Nationalsozialismus beschützte.
In seinem Essai „Du bist, wer du bist – Warum ich keine Antworten auf die Fragen nach meinem Großvater geben kann“ berichtet von Schirach schonungslos von seinem Großvater. Baldur von Schirach war Reichsjugendführer der NSDAP. „Der Abtransport der Juden aus Berlin sei sein Beitrag zur europäischen Kultur, sagte er damals. Nach solchen Sätzen ist jede weitere Frage, ist jede Psychologie überflüssig. Manchmal wird die Schuld eines Menschen so groß, dass alles andere keine Rolle mehr spielt.“
Im Gegensatz zu den meisten Figuren seiner Fiktionen, die fast zufällig zu Tätern werden, sieht er die Entscheidungen seines Großvaters nicht als Missgeschick oder Zufall. „Er stammte aus einer Familie, die seit Jahrhunderten Verantwortungen trug.“ Eine Familie, die hauptsächlich aus Richtern, Historikern, Wissenschaftlern bestand. „Er wurde nicht unschuldig schuldig.“ Weswegen Schirach den Roman „Der Fall Collini“ nicht schrieb, um das, was über seinen Großvater bereits von Historikern erforscht und berichtet wurde, nochmal aus persönlicher Sicht nachzuerzählen, sondern um auf die Fehlleistungen der Nachkriegsjustiz, „über die Richter, die für jeden Mord eines NS-Täters nur fünf Minuten Freiheitsstrafen verhängten“ aufmerksam zu machen.
„Vielleicht bin ich auch aus Wut und Scham über seine Sätze und seine Taten der geworden, der ich bin“, meint von Shirach, der weiterhin schreibt: „Es gibt keine Erbschuld, und jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Biografie.
Pathos und Kitsch: der Film
Von Schirachs Sprache, die im Roman funktioniert, weil der Minimalismus nicht in bedeutungsschwangeren Pathos umschlägt, sondern der ergreifenden Geschichte dient, weicht im Film den Idiosynkrasien eines zu Beginn noch ertragbaren Melodramas – hier wird Collini mit bedrohlichen Bassklängen im gruseligen Gefangenentrakt gezeigt, dort wird die glückliche Kindheit von Caspar Leinen mit Streichern, warmen Farben und stummen Glücksmomenten zu Postkartenkitsch für regionale deutsche Reisekataloge umfunktioniert.
Die Story bleibt dabei so ergreifend wie die Romanvorlage – wer diese nicht kennt, wird trotz der Regieschwächen am Ball bleiben. Wer allerdings mit dem Buch vertraut ist, wird sich speziell ab der Hälfte des Filmes über einige Handlungsabweichungen ärgern: Leinens hinzugedichtete Assistentin (eine pizzaliefernde Italienischstudentin) ist eine bloße Quotenfrau, die zudem unterwürfig Leinens Drecksarbeit verrichten muss.
Mattinger wird gegen Ende gestehen, dass die Gesetzschreibung, die die Straftaten der Täter des Nationalsozialismus beschützt hat, böse war – dieses Eingeständnis wirkt redundant und zu pädagogisch, da sie dem Zuschauer jedes Vermögen zum Eigenurteil abspricht.
Und wenn Leinen am Ende des Films im Geburtsort von Collini in einer Überlappung von Gegenwart und Vergangenheit dem jungen Fabrizio und dessen von den Nazis hingerichteten Vater einen Fußball zuspielt und so im Ernst suggeriert wird, dass ein einziges gewonnenes Gerichtsverfahren die historischen Fehler wiedergutmacht, sind wir endgültig in einem US-amerikanisierten Happy-End angekommen. Schade, wenn man bedenkt, dass von Schirachs Lieblingsregisseur Michael Haneke ist.
Weiterlesen: „Du bist, wer du bist“ in „Die Würde ist antastbar“
„Terror“ – Ethik, moralisches Handeln und das Gesetz
2005 wurde das Luftsicherheitsgesetz gestimmt, laut dem eine Passagiermaschine, in der unschuldige Menschen sitzen, im Notfall abgeschossen werden kann, um andere Zivilisten zu retten. Der amerikanische Vizepräsident Dick Cheney proklamierte bereits nach den Attentaten des 11. Septembers, wie man der Dokufiktion „Vice“ entnehmen kann, dass eine solche Maßnahme dem Recht entsprochen hätte.
Ein Jahr später allerdings hebt das Bundesverfassungsgericht „den wichtigsten Paragrafen dieses Gesetzes wieder auf“: Laut diesem Gericht widerspreche es der Verfassung, „unschuldige Menschen zur Rettung anderer unschuldiger Menschen zu töten. Leben dürfte niemals gegen Leben abgewogen werden“. Ethik ist keine Mathematik.
In von Schirachs erstem und bisher einzigem Theaterstück „Terror“ wird dieser gesetzliche Zwiespalt zum Hauptthema: Ein Flugzeug der Lufthansa wird von einem Terroristen gekapert, der die Maschine in die Münchner Allianz-Arena steuern will, um so 70.000 Menschen zu töten. Dem Luftsoldaten Lars Koch wird zuerst das Abdrängen der Maschine, dann ein Warnschuss befohlen. Als keine Reaktion erfolgt, schlägt General Radtke dem Verteidigungsminister vor, das Flugzeug abzuschießen. Der Verteidigungsminister lehnt den Vorschlag ab. Der General leitet die gesetzesgerechte Aufforderung des Verteidigungsministers weiter. In letzter Sekunde entscheidet sich jedoch Luftsoldat Koch, die Maschine abzuschießen. Zurück auf dem Boden, wird er sofort verhaftet.
Die einen feiern ihn als Helden – er hat 70.000 Menschenleben gerettet –, die anderen verurteilen ihn als Mörder – er hat 164 Passagiere getötet. Durfte er das? Auf Anhieb wäre man geneigt, den Mann zu feiern – hätte er nichts getan, wären wahrscheinlich 70.164 Menschen ums Leben gekommen. Aber woher konnte er beispielsweise wissen, dass die Passagiere des Fluges im Abschussmoment nicht gerade dabei waren, die Tür des Cockpits aufzubrechen und den Terroristen zu überwältigen? Sind Menschenleben quantifizierbar? Ab welcher Zahl und in welchen Fällen?
In Schirachs Theaterstück wird der Kontrast zwischen Eigenmoral und den Prinzipien des Rechtsstaates in Zeiten der Terroranschläge verhandelt. Wenn es gesetzlich nicht mehr erlaubt ist, ein entführtes Flugzeug abzuschießen, dann ermutigen wir den Terroristen, solche Attentate zu verüben – weil der Attentäter weiß, dass sich ihm niemand in die Quere stellt. Erlauben wir aber das Abschießen Unschuldiger, verletzen wir die menschliche Würde und werden zu nicht mehr ganz passiven Mittätern. Gerade bei solchen unentscheidbaren Fällen, so die Staatsanwältin, die sich für eine Verurteilung von Koch ausspricht, brauchen wir höhere Prinzipien: „Recht und Moral müssen streng voneinander getrennt werden.“
Ferdinand von Schirach stellt die Schöffen – und damit die Zuschauer, die im Stück die Rolle jener Schöffen annehmen – vor die Wahl: Wie verteidigen wir uns am besten gegen den Terrorismus? Ist Koch schuldig oder unschuldig? Im Gegensatz zu den üblichen Verbrechen, von denen von Schirachs Kurzgeschichten schildern, ist der Terroranschlag nämlich „kein Verstoß gegen die Rechtsordnung“ – er ist „ein Angriff auf die Rechtsordnung“. Obschon man Ferdinand von Schirachs Meinung zum Fall im Essay „Die Würde ist antastbar“ nachlesen kann, gibt es für diese Theaterstück je nach Wahl der Zuschauer auch zwei Urteile. Und auch wenn „Terror“ vielleicht manchmal zu sehr wie ein Ethik-Unterricht ausfällt, ist die Fragestellung heute wesentlicher denn je.
Weitersehen: „The Good Place“ (Netflix), „Vice“, „Die Würde ist antastbar“
„Terreur“ wird in französischer Sprache ab dem 4. Juni im Théâtre du Centaure aufgeführt.
- Barbie, Joe und Wladimir: Wie eine Friedensbotschaft ordentlich nach hinten losging - 14. August 2023.
- Des débuts bruitistes et dansants: la première semaine des „Congés annulés“ - 9. August 2023.
- Stimmen im Klangteppich: Catherine Elsen über ihr Projekt „The Assembly“ und dessen Folgeprojekt „The Memory of Voice“ - 8. August 2023.
Nicht nur ein grossartiger Autor, auch ein grossartiger und interessanter Mensch.