Solistes européens Luxembourg / Direktor Serge de Cillia im Interview: „Innovation ist uns sehr wichtig“
Serge de Cillia ist der Neue: Seit Januar ist er geschäftsführender Direktor der „Solistes européens Luxembourg“. Im Interview blickt er auf die Zeit vor seinem Amtsantritt zurück und teilt Zukunftspläne.
Tageblatt: Serge de Cillia, seit Januar sind Sie geschäftsführender Direktor der „Solistes européens Luxembourg“ und somit direkter Nachfolger des Mitbegründers und langjährigen Präsidenten Eugène Prim. Wo setzen Sie jetzt Ihre Arbeit an?
Serge de Cillia: Zuerst ist es wichtig, dass wir eine Bilanz ziehen und auswerten, was sich in den vergangenen Jahren verändert hat und wie wir auf diese Veränderungen reagieren können. Zwei Faktoren sind da wichtig: Einerseits sind die Nachwirkungen der Corona-Krise noch immer zu spüren, andererseits sind wir mitten in einem Generationswechsel beim Publikum. Die Nachwirkungen der Krise merken wir insbesondere bei den Sponsoren, die sich mehr und mehr zurückziehen. Das hat dann auch viele Gründe. Zum einen sind die Mutterfirmen nicht mehr in Luxemburg ansässig und wenig daran interessiert, für solch „kleine“ Veranstaltungen Gelder freizustellen, zum anderen ist auch das Interesse in den Kulturbereich gesunken und die wenigen Sponsoren investieren viel lieber in den Sport, wo sie eine größere Sichtbarkeit haben. Dann haben wir festgestellt, dass sich das Publikumsverhalten geändert hat. Wir haben zwar immer noch das klassische Abonnementspublikum, dieses ist aber dabei, auszusterben. Weil die Menschen, die uns schon seit 35 Jahren begleiten, älter werden, teilweise versterben und weil nach Corona die Leute die Tendenz haben, eher kurzfristig ein Konzert zu buchen. Besonders die Jungen, die jetzt nachrücken, kommen eher spontan zu einem Konzert.
Diese Veränderungen verlangen dann wohl auch eine Umstellung bei den Organisatoren.
Ganz richtig. Erst wenn wir wissen, wie das heutige Publikum funktioniert und welche Bedürfnisse es hat, können wir richtig reagieren. Die Struktur des SEL bleibt aber die gleiche. Das kleine Team, also das „comité de de direction“ wird übersichtlich bleiben: Neben mir als „administrateur délégué“ wird Christoph König weiterhin für das Künstlerische – also welcher Solist tritt auf, welche Orchestermusiker spielen, welche Werke werden für die Spielzeit ausgewählt – und für die Programme zuständig sein. Anne Pierron ist die Kontaktperson für Pressearbeit, Kommunikation und interne Organisation, also für die Saal- und Hotelbuchungen, das Auftreiben der Partituren, für den zeitlichen Ablauf der Proben. Seit Januar bin ich nun im Amt und mir war es von Anfang an wichtig, dass die „Solistes européens Luxembourg“ viel stärker in den sozialen Medien vertreten sind. Denn all die Kurzentschlossenen, deren Zahl ja immer größer wird, erreicht man nicht durch eine Jahresbroschüre. Hier muss man kurzfristig agieren, und dies über Social Media, digitales Marketing und eine moderne, aktuelle Webseite. Das ist für uns momentan prioritär. Und wir versuchen auch, diese Kommunikationsarbeit mit neuem Personal aufzustocken. Wir sind froh, dass unsere Cellistin Annik Schwall hier aktiv mitarbeitet und frische Ideen einbringt. Im nächsten Jahr läuft der Vertrag von Christoph König, der die SEL seit 15 Jahren dirigiert, aus. Wir werden uns zusammensetzten, Bilanz ziehen und zusammen schauen, wie es weitergehen soll. Die Zeitdauer, wie lange ein Dirigent im Amt ist, ist dabei nur zweitrangig. Wir sind ein Projektorchester mit sechs Symphoniekonzerten pro Spielzeit und können uns in dieser Hinsicht somit überhaupt nicht mit klassischen Symphonieorchestern vergleichen.
Wie soll diese neue Strategie aussehen?
Einerseits bleibt die klassische Broschüre für unsere langjährigen Abonnenten bestehen, andererseits werden wir vermehrt mit kurzen Videos arbeiten. Und diese Videos und Statements müssen genau den Nerv der jüngeren Interessenten treffen. Deshalb arbeiten wir hier mit einem jungen Videomaker zusammen, der sehr reaktionsschnell und spontan arbeitet und genau weiß, wie und mit welchen Stories man das heutige Publikum in Ton und Bild erreicht.
Ein neues Publikum zu erreichen, heißt auch Umdenken bei der Programmgestaltung. Natürlich wollen wir niemanden vor den Kopf stoßen und unserer klassischen Linie treu bleiben. Aber Innovation ist uns trotzdem sehr wichtig.geschäftsführender Leiter der „Solistes européens Luxembourg“
Ich kann mir vorstellen, dass man auch die Sponsoren vielleicht anders miteinbeziehen müsste.
Sehr wichtig! Wir werden in Zukunft auch versuchen, unsere Sponsoren mehr für den Inhalt zu interessieren und sie nicht nur als Geldgeber und Investoren sehen, sondern sie wirklich zu einem Partner für dieses oder jenes Konzert zu machen. Und Partner sein heißt, auf verschiedenen Ebenen aktiv zu sein. Man kann Partner für ein Programm oder einen Wunschkünstler sein, man kann aber ebenso Partner für ein Zielpublikum sein, für ein junges Publikum, für Jugendliche, für Minderheiten oder Expats. Da gibt es sehr viele Ansatzmöglichkeiten.
Und wie sieht es mit der Programmgestaltung aus?
Ein neues Publikum zu erreichen, heißt auch Umdenken bei der Programmgestaltung. Natürlich wollen wir niemanden vor den Kopf stoßen und unserer klassischen Linie treu bleiben. Aber Innovation ist uns trotzdem sehr wichtig. Wenn Sie sich das Programm der Spielzeit 2024/25 ansehen, dann können Sie feststellen, dass die SEL sehr progressiv und offensiv in ihren Programmen sind. Mit der Choreografin Sylvia Camarda machen wir ein Tanzprojekt auf die Musik von Felix Turrion-Eicher, der ein Auftragswerk des Kulturministeriums komponiert hat, die Pepino Caliente Band wird uns mit südamerikanischen Rhythmen begeistern und Richard Galliano ist mit seinem Akkordeon Garant für einmal andere klassische Klänge. Aber es werden in diesen Konzerten auch immer klassische Symphonien und Werke zu hören sein. Bach, Mendelssohn, Haydn, Bizet, Mozart und Dvorák werden somit nicht fehlen. Der weltbekannte Violinist Vadim Gluzman wird am 30. September unsere Spiezeit mit dem 2. Violinkonzert eröffnen, Kit Armstrong wird als Organist auftreten und Katja und Marielle Labèque werden das Konzert für 2 Klaviere KV 365 von W.A. Mozart spielen. Und wir wollen weiterhin auf dem CD-Markt präsent sein. Nach den beiden Naxos-CDs mit Werken zeitgenössischer Komponisten aus Luxemburg wird im Herbst eine weitere CD mit einer Ouvertüre, dem Violinkonzert und der Symphonie von Albert Dietrich, einem Schüler von Robert Schumann und Vertrauten von Johannes Brahms, erscheinen. Sie sehen, wir werden also auch in Zukunft unserer bewährten Linie treu bleiben und trotzdem neue Impulse in die Programme hineinbringen. Und weiterhin bestmögliche Qualität auf allen Gebieten anstreben.
SEL
Die „Solistes européens Luxembourg“ sind ein 1989 gegründetes Orchester, das sich aus Musikschaffenden aus europäischen Ensembles zusammensetzt. Diese treffen sich in Luxemburg zu Konzerten und Aufnahmen.
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