/ Dresscodes – ein alter Hut? 200 Jahre Mode für besondere Anlässe im Trierer Stadtmuseum Simeonstift
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Oft beginnen sie mit der umwerfend schlichten Frage „Was ziehe ich an?“. Immerhin kann die Wahl des Outfits über Erfolg oder Misserfolg eines Dates oder Bewerbungsgesprächs entscheiden. Die Sonderausstellung „Um angemessene Kleidung wird gebeten“ reflektiert das Thema Dresscodes mit atemberaubenden, aber auch ganz praktischen Kreationen.
Von Martina Kaub
Stil, Geschmack und gesellschaftliche Konventionen spielen seit dem Herauswachsen der Kleidung aus ihrer primären Schutzfunktion eine wichtige Rolle. Angeblich „nicht angemessene“ Kleidung kann schnell zum Politikum werden. So geschehen 1970 im Deutschen Bundestag, als die Abgeordnete Lenelotte von Bothmer im Hosenanzug eine Rede hielt. Oder 1985, als Joschka Fischer in Jeans und Turnschuhen als erster grüner Minister den Amtseid ablegte.
Mindestens einen medialen Aufreger wert sind auch heute vermeintliche Fehlgriffe in Sachen Kleidung. Da schaffte es kürzlich etwa ein „Casual Outfit“ mit Lederjacke und Chinohose in die Top-Nachrichten. Es scheint also schwierig zu sein, nicht in die Dresscode-Falle zu schlittern, trotz unzähliger Style Guides der Mode-Blogosphäre und „Curated Shopping“.
Der modischen Vielfalt von heute stehen allein aus ökonomischen und fertigungstechnischen Gründen bescheidenere Ansätze vergangener Epochen gegenüber. Nur Adel oder gehobenes Bürgertum verfügten über die notwendigen Mittel für eine repräsentative Garderobe. Der Sammelleidenschaft des Kurators, Trierer Modedesigners und Textilrestaurators Ralf Schmitt ist es zu verdanken, dass nun, nach eineinhalbjähriger Vorbereitung, eine Auswahl von über 100 Unikaten sowie Accessoires, ergänzt um Kreationen von Paula Forster, Fachrichtung Modedesign der Hochschule Trier, private Leihgaben und Exponate aus Museumsbeständen, bewundert werden kann.
Kunstfertigkeit, Eleganz und Raffinesse
Zehn Stationen auf zwei Ebenen thematisieren die wichtigsten Lebensabschnitte und Anlässe, von Geburt und Taufe über Kommunion und Konfirmation, der erste Ball, Hochzeit und andere festliche Ereignisse bis zu Trauer und Tod. Die praktische Seite der Arbeitskleidung besetzt ein klassischer Blaumann, während ikonische Designentwürfe von Vivienne Westwood, Charles F. Worth oder Christian Dior – ihrem Status angemessen eine Etage höher – von Rotem Teppich und Haute Couture erzählen.
Bis zum Aufkommen industrieller Herstellungsverfahren wurde kein Kleidungsstück im Voraus angefertigt. Tuchhändler, später auch Schneider und Näherinnen, lieferten die Stoffe, die dann zugeschnitten, angepasst und mit Bändern und Borten, Spitzen und Stickereien dekorativ geschmückt wurden. Eine kostbare Rarität ist das Taufhäubchen aus Seidenbrokat mit Goldspitze und Metallpailletten (um 1600/20), vermutlich aus einer Adels- oder Patrizierfamilie. Weiß- oder Ajourstickerei sowie feinste handgeklöppelte Valenciennes-Spitze sind an weißen Taufkleidern aus Baumwollbatist oder Seidensatin aus dem 19. Jahrhundert zu bewundern. Die Eltern des Täuflings trugen zu diesem Anlass vermutlich ihre schwarze Hochzeitskleidung, die eben nicht nur zum Fest der Eheschließung, sondern auch zu sonstigen gesellschaftlichen Anlässen getragen wurde.
Neben anderen, auch modernen Modellen zeigt die Schau die komplette Ausstattung eines Brautpaares von 1898, Brautkleid und Herrenanzug mit den passenden Accessoires, außerdem ein schwarzes Schwangerschaftskleid mit weißen Punkten, das die Braut jenes Paares ein bis zwei Jahre später getragen hat. Die präsentierte Herrenkleidung ist zwar – naturgemäß – nicht so variantenreich wie die der Damen, kann jedoch zum Beispiel mit einem edlen Seidenensemble aus Justaucorps, Weste und Kniehose von 1789/90 und einer Seidenatlas-Herrenweste im Stil des 18. Jahrhunderts mit hochwertigem Dekor, von Ralf Schmitt eigenhändig angefertigt, ganz sicher mit dem Beifall des Publikums rechnen.
Das Festkleid im Stil der „Robe à la polonaise“ aus dem späten Rokoko (um 1770) glänzt in mehrfarbig broschiertem Seidentaft, verziert mit Klöppel- und Nadelspitze und zur Schleife gebundenen Seidenbändern.
Feine Gesellschaft von „Cul de Paris“ begeistert
Rund 100 Jahre später ist die feine Gesellschaft vom „Cul de Paris“ des Tournürenkleides fasziniert, einer großen Gesellschaftsrobe mit Schleppe, neben Haus-, Ballkleid und Abendjacke Teil einer Damengarderobe um 1880.
Die gerade und schlanke Linie der aufregenden Perlen-Tanzkleider der 1920er Jahre wirkt dagegen leicht und beschwingt. Diesen Kunstwerken sieht man nicht an, dass sie mit ihren Glasperlen und Pailletten bis zu vier Kilogramm wiegen können. Wer an Hintergrundwissen, Fragen der Provenienz und Begriffen wie Stil, Geschmack und Etikette interessiert ist, findet zusätzlich Dokumente und Videos, auch Fotografien der ehemaligen Träger und Trägerinnen eines Kleidungsstücks.
Besondere Highlights sind die Red Carpet Dresses, zum Beispiel ein Dior-Modell von 1967 der Schauspielerin Leslie Caron oder ein Abendkleid von Model-Ikone Jerry Hall, das Vivienne Westwood designt hat. Im Kontrast dazu das schräge Bühnenkostüm von Guildo Horn, das er 1998 beim Eurovision Song Contest getragen hat. Mit traumhaften Roben der Haute Couture, Ball- und Cocktailkleidern unter anderem von Heinz Oestergaard und Dior klingt die Schau auf ihrem Höhepunkt aus, nicht ohne einen bleibenden Eindruck von künstlerischer Fantasie, Kreativität und handwerklichem Können zu hinterlassen.
- Marc Glesener wird neuer Präsident der ALIA - 15. Januar 2025.
- Polizei kontrolliert torkelnde Frau und entdeckt, dass sie per Haftbefehl gesucht wird - 14. Januar 2025.
- Maul- und Klauenseuche: Luxemburg bleibt wachsam - 14. Januar 2025.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos