Mit u.a. Altin Gün / Eine Stadt im Ausnahmezustand: Festival de Wiltz endet mit Psychedelic-Rock-Finale
Am Freitag endete das „Festival de Wiltz“ 2024 mit seinem großen Finale. Unter dem imposanten Segelzelt des Amphitheaters am Wiltzer Schloss erlebten Hunderte von Besuchern einen berauschenden musikalischen Abend mit drei außergewöhnlichen Bands aus Amsterdam: Dorpsstraat 3, Housepainters und dem Headliner Altin Gün.
Der Abend startete um 20 Uhr mit Dorpsstraat 3, die mit ihrem energiegeladenen Mix aus Post-Punk und Synthwave das Publikum sehr positiv überraschten. Eine Stunde später übernahmen dann die Housepainters die Bühne und überzeugten ebenso mit ihrer Fusion aus Wave-Punk und Dub. Die intensiven und zugleich tanzbaren Klänge beider Vorbands hinterließen einen bleibenden Eindruck und bereiteten die Bühne für den krönenden Abschluss des Festivals vor: den Auftritt von Altin Gün. Die Band bezeichnet ihren Sound selbst als Mischung aus „psychedelic rock, deep funk, synthpop, cosmic reggae and more“ in Kombination mit den verschiedenen Traditionen aus dem anatolischen und türkischen Folk. Genau das bekam das Publikum in Wiltz geboten: Psychedelic-Folk-Rock vom Feinsten und eine immersive, fast hypnotische Atmosphäre, wie es die renommierte Band auch bereits bei großen Festivals wie dem Coachella und Primavera Sound unter Beweis gestellt hat.
„Altin Gün ist vielleicht eine persönliche Angelegenheit für mich, da ich sie schon mehrfach programmiert habe, sowohl in Wiltz als auch vorher in der Kulturfabrik“, erklärte der Kulturkoordinator und Programmverantwortliche des Festivals, Marc Scheer. Der Stilmix begeistert ihn schon vielen Jahren. „Und auch die Idee ihrer Songs, die eigentlich Volkslieder oder Kinderlieder sind, die sie in ihrem ganz eigenen Stil neu interpretieren, finde ich faszinierend.“
Während des Auftrittes machte er eine schöne Beobachtung: „Vor mir stand ein Mann, der per Facetime mit einer Person – wahrscheinlich aus der Türkei – verbunden war. Am anderen Ende saß eine ältere Dame an einem Tisch und schunkelte im Rhythmus der Musik. Das ist genau das, was Altin Gün ausmacht.“
Dem konnte Deniz Aktas nur zustimmen. „Ich liebe Altin Gün! Ihre Musik begleitet mich schon seit vielen Jahren“, sagte die junge Konzertbesucherin mit türkischen Wurzeln. „Seit Oktober lebe ich in Luxemburg und es ist wunderbar, von türkischen Menschen, türkischer Musik und traditionellen Klängen und Tänzen umgeben zu sein.“
Die Performance am Freitag war außerdem von besonderer Vorfreude geprägt, da die Band in Luxemburg erstmals ohne ihre ehemalige Sängerin Merve Dasdemir auftrat. Diese hatte die Gruppe im Februar dieses Jahres verlassen, um sich anderen Projekten zu widmen. „Obwohl es traurig ist, ist es eine Entscheidung, die wir voll unterstützen und verstehen“, schrieb die Band auf Instagram. Trotz dieser doch sehr einschneidenden Veränderung lieferte die Band eine rohere, weniger poppige, aber ebenso beeindruckende Show ab. „Ich wusste nicht so recht, was mich ohne die Sängerin erwarten würde“, gestand Marc Scheer. „Aber ehrlich gesagt fand ich es fast besser. Nicht unbedingt besser … anders, aber genauso gut!“
Ein holpriger Start
Trotz einiger Herausforderungen verlief der Großteil des Wiltzer Festivals, das bereits Ende Juni startete, äußerst zufriedenstellend. „Der größte Wermutstropfen war die Absage der Operette ,An der Schwemm‘ am ersten Festivaltag aufgrund widriger Wetterbedingungen“, erzählte Scheer. Da die vorausgesagten Sturmböen unter dem riesigen Zeltdach der Bühne ein Problem hätten darstellen können, war eine spontane Absage die einzig richtige Entscheidung. Elvira Mittheis, Direktorin der Trägerorganisation des Festivals, Coopérations ASBL, ergänzt: „Ein Mitglied des nationalen Sicherheitskomitees warnte uns vor einem bevorstehenden Alarm, sodass wir sofort reagieren mussten. Dieses Jahr war ohnehin schon so unberechenbar.“
Am zweiten Festivaltag gab es dann eine weitere Absage, die allerdings bereits im Vorfeld angekündigt worden war. Die Compagnie Circus Baobab aus Guinea war gezwungen, ihre Teilnahme mit dem Stück „Yé (l’eau)“ wegen Terminänderungen im Rahmen des Festivals in Avignon und der Olympischen Spiele zu verschieben. „Wir hatten insgesamt weniger Publikum als erhofft, was ein Phänomen zu sein scheint, das viele Open-Air-Veranstaltungen in diesem Jahr betroffen hat. Aber die Qualität der Darbietungen und die positiven Rückmeldungen der Besucher waren beeindruckend“, resümierte Marc Scheer. „Es war uns wichtig, eine große Vielfalt und hohe Qualität im Programm zu haben, mit ganz unterschiedlichen Acts, die verschiedene Menschen ansprechen. Vielleicht auch einige Nischenveranstaltungen, die man nicht unbedingt auf anderen Open-Air-Festivals findet.“
Elvira Mittheis schloss sich dem an: „Für mich war es eine wirklich großartige Ausgabe unseres Festivals, weil das Programm so vielfältig und multikulturell war. Wir haben praktisch die ganze Welt nach Wiltz gebracht: Senegal, Spanien, heute Amsterdam, Türkei …“ Sie hob insbesondere den Auftritt des Orchesters Baobab aus Senegal hervor. „Es standen zwar Stühle bereit, doch an diesem Abend schaffte es das Publikum nicht, lange sitzen zu bleiben“, sagte Mittheis.
Marc Scheer hob vor allem einen ganz bestimmten Auftritt hervor: „Birdy war für mich persönlich eines der besten Konzerte, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Es war wirklich exzellent, von der Atmosphäre über ihre Stimme bis hin zur professionellen Produktion.“ Auch der Auftritt des Dubioza Kolektiv mit seinem Dub-Sound war ein Highlight: „Für unsere große Balkangemeinschaft in Wiltz war das ein besonderes Ereignis. Es waren viele Leute da, die wirklich begeistert waren, eine bosnische Band hier live zu erleben und zu feiern.“
Trotz der Herausforderungen und einiger unvorhersehbarer Absagen zeigte sich Marc Scheer zuversichtlich für die Zukunft des Festivals, das seit 1953 eine feste Größe in der luxemburgischen Kulturszene ist: „Wir werden mit Sicherheit an einem Flamenco-Spektakel arbeiten. Das passt sehr gut zu der Location. Und wir werden auch wahrscheinlich den Circus Baobab, der dieses Jahr absagen musste, erneut einladen.“
- Sandy Artuso macht mit „Queer Little Lies“ Esch zum queeren Kultur-Hotspot - 26. November 2024.
- Gewerkschaften und Grüne kritisieren „Angriffe der Regierung“ auf Luxemburgs Sozialmodell - 26. November 2024.
- Sozialwohnungen statt Leerstand: Was die „Gestion locative sociale“ Eigentümern bieten kann - 26. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos