Filmwissen / Fortsetzung von Filmklassikern (1): „Beetlejuice“ von Tim Burton
Die 81. Ausgabe des Filmfestivals von Venedig soll mit einer lang erwarteten Fortsetzung eröffnen: „Beetlejuice Beetlejuice“ von Regisseur Tim Burton erzählt die Geschichte des Originals von 1988 weiter. Dass Hollywood das Potenzial früherer Geschichten wiederentdeckt und nun weitererzählt, zeugt von einem spezifischen Potenzial, das diesen Filmwerken innewohnte. Es ist vielleicht gerade die Eigenwilligkeit, die Tim Burtons „Beetlejuice“ zum Kultfilm machte. Ein Rückblick.
„Beetlejuice“ war die zweite Regiearbeit von Tim Burton nach „Pee-wee’s Big Adventure“ (1985) – und der Film markierte deutlich, dass mit Burton ein ganz eigenwilliger Künstler das kommerzielle amerikanische Unterhaltungskino mit seinen Filmen neu ausrichten würde. Zunächst geht „Beetlejuice“ eine wendungsreiche Vorgeschichte voraus: Wes Craven sollte an dem Projekt maßgeblich beteiligt sein, erste Fassungen sahen eine klassischere und weitaus düstere „haunted house“-Version des Stoffes vor. Unter der Regie von Burton entwickelte der Film sich aber in eine Richtung, die sich gänzlich von klassischen Erzählkonventionen des etablierten neuklassischen Hollywoodfilms entfernte.
Dafür spricht allein schon der überaus konfuse und eigentlich nichtssagende Titel: beetle-juice meint Käfersaft, auf den der Film aber gar nicht referiert. Ferner gibt es da die überbordende Handlung, die mehr dem Collage-Stil Burtons zuzurechnen ist als den gängigen narrativen Normen der Zeit: Die Geschichte folgt einem frisch verstorbenen Ehepaar, Adam (Alec Baldwin) und Barbara Maitland (Geena Davis), die in ihrem geliebten Landhaus spuken, um die neuen Bewohner, die unkonventionelle Familie Deetz, zu vertreiben. Als die Deetzes, die selbstverliebte Künstlerin Delia (Catherine O’Hara), ihr Mann Charles (Jeffrey Jones) und ihre Adoptivtochter, die Teenagerin Lydia (Winona Ryder), in das Haus einziehen, versuchen Adam und Barbara sie auf subtile Weise zu erschrecken. Doch ihre Bemühungen sind erfolglos, da die Deetzes die Geister nicht ernst nehmen. In ihrer Verzweiflung rufen Adam und Barbara den chaotischen und unberechenbaren Geist Beetlejuice (Michael Keaton) zu Hilfe, der ihnen verspricht, die neuen Bewohner zu vertreiben. Beetlejuice hat jedoch seine eigenen, egoistischen Absichten und sorgt für jede Menge Chaos. Die Situation eskaliert, als Beetlejuice die Kontrolle über die Ereignisse übernimmt und die Maitlands erkennen, dass sie ihn stoppen müssen, um ihr Zuhause und ihre Ruhe zurückzugewinnen.
Gegen Hollywood-Normen
Fernab vom damals in Hollywood gesetzten „High-Concept“-Film, demgemäß ein erfolgversprechender, publikumswirksamer Film in ein bis zwei griffigen Sätzen zu resümieren sein müsse, verläuft sich die Handlung in „Beetlejuice“ zunehmend, sie wird episodenhaft, lässt sogar inhaltliche Lücken zu. Auch eine Gut-Böse-Schematisierung lässt sich hier nicht vorfinden: Vielmehr wird das Geister-Ehepaar zum großen Sympathieträger, wie so oft bei Burton sind Adam und Barbara eigentlich schüchterne Randexistenzen, die den sozialen Kontakt meiden. Im Leben wie im Tod. Die Yuppie-Familie, die das Haus übernehmen will, ist dann zunächst der unerwünschte Eindringling, der den Frieden stört. Mehr noch aber wird Beetlejuice – von Michael Keaton überaus zügellos und lustvoll verkörpert – zum eigentlichen Antagonisten, seine Bekämpfung bringt letztlich die Welt der Lebenden und der Toten wieder zusammen.
Neben diesen erzählerischen Freiheiten, die Burton sich in der Ausgestaltung der Handlung nimmt, besticht „Beetlejuice“ durch seine liebevolle und atypische Tricktechnik: Als Adam und Barbara die Hilfe des selbsternannten Exorzisten, der aber hier im Sinne der Toten die Lebenden vertreibt, in Anspruch nehmen wollen, geraten sie zunächst auf einen eigenartigen Wüstenplaneten, eine Sequenz, die Burtons verspieltes Design auffällig ins Bewusstsein hebt und wegweisend sein sollte für spätere Filme. Das Paar wird dort alsbald von einem großen Sandwurm angegriffen – die verspielte und humoristische Referenz auf David Lynchs „Dune“ (1984) ist unverkennbar; es ist nur eine von derart vielen filmhistorischen Anspielungen, die „Beetlejuice“ bereithält. Monstren bei Burton sind oft missverstandene, ganz liebevolle Gestalten – der mexikanische Regisseur Guillermo del Toro ist ihm unter diesem Aspekt sehr nahe. Und wieder gilt: Wo George Lucas mit „Star Wars“ (1977) die digitale Tricktechnik revolutionierte, setzt Burton auf ein eher ungelenkes Stop-Motion-Verfahren, das mehr die Handfertigkeit und Künstlichkeit der Animation selbstbewusst zu erkennen gibt, als er den Echtheitsanspruch der zeitgenössischen digitalen Trickkiste imitierte, die seit den Achtzigerjahren zunehmend Abschied nahm von dieser Technik.
„Beetlejuice“ verneint deutlich die damals gängigen Normen der Hollywoodschen Erzählkunst – eine Ablehnung, die auch und besonders Ausdruck eines Regiekünstlers ist, dessen zweiter Film wegweisend sein sollte für das Werk, das da folgen würde und bis heute entschlossen fortgeschrieben wird. All diese Elemente machen aus „Beetlejuice“ einen Vorreiter des „Burtonesque“, denn er etabliert eine Vielzahl von Motiven, die bei dem mittlerweile 65-jährigen Regisseur immer wiederkehren, ja zu den unmittelbaren Erkennungszeichen werden sollten: Da gibt es gleich eröffnend den Handlungsort der Suburbia in all seiner Künstlichkeit wie auch seiner Qualität als intimen Rückzugsort.
Burton bleibt Burton
Ein Rückzugsort, der besonders in „Edward Scissorhands“ (1990) zum Tragen kommen sollte. Die Kamera gleitet über die Häuserreihen und macht bei dem Anwesen der Maitlands halt. Als eine Spinne sogleich das Dach entlang klettert, gibt die Szenerie sich als Modell zu erkennen. Adam ist ein passionierter Modellbauer, der das eigene Wohnviertel im Keller nachgebaut hat. Dieser Adam tut das weniger aus einem soziologischen Interesse heraus, um seine Umwelt besser zu verstehen, als er vielmehr versucht, sich die eigene Realität untertan zu machen – in seinem Modellbau lässt sie sich fassen, kontrollieren und aus der Distanz beschauen. Allein darin lässt sich ein Wesenszug der Burtonschen Helden erkennen: Nicht Teil des sozialen Umfelds zu sein, und doch gerade in ihrer Verschrobenheit ihre liebenswerten Seiten offenzulegen.
Dann gibt es Burtons überaus selbstreferenziellen Collage-Stil, der mehr popkulturelle Verweise im Sinne einer postmodernen Erzähllogik zusammenführt, als er an einer durch und durch stringenten und klar konzipierten Geschichte interessiert ist. Als die Maitlands im Jenseits mit der dort vorherrschenden Bürokratie konfrontiert werden, finden sie sich in allerlei verzerrten Korridoren wieder, die unverkennbar den Stil des expressionistischen Kinos der Weimarer Republik imitieren, der für Burton so überaus wichtig und prägend war. Es ist nur ein Beispiel unter vielen, das Burtons filmhistorisches Bewusstsein ausstellt.
Tim Burtons Film bringt Altes und Neues in ganz verspielter, aber nie selbstironisch-belächelnder Manier zusammen. Er verbindet so die Topoi des klassischen Horrorfilms mit den Elementen der Kleinbürger-Komödien. Wahrhaftig fürchten tut man sich in Burtons Filmen gewöhnlich nie, zu sehr sind sie als komödiantische Revisionen angelegt, die jedoch nie die liebevolle und überaus ernste Hingabe Burtons an die Stoffe verraten. Man sollte sich deshalb nicht vorschnell von dem überbordenden Spektakel, das der Film betreibt, trüben lassen.
All seinen oberflächlichen Reizen, wie den Stilüberschüssen oder dem Zitatenwirrwarr, zum Trotz offenbart gerade das Ende von „Beetlejuice“ Burtons innerste Überzeugung: Als sich Diesseits und Jenseits annähern und sich zum gegenseitigen Verständnis einladen, verändern sich ihre Situationen sichtlich zum Besseren. Das Gewöhnliche wird zum Andersartigen und das Andersartige zum Gewöhnlichen. Es sind wahrlich ver-rückte Welten. Ob Tim Burton mit der lang erwarteten Fortsetzung „Beetlejuice Beetlejuice“, in dem Winona Ryder und Michael Keaton ihre Kultrollen wieder übernehmen werden, an diese Welten anknüpfen kann, wird sich zeigen.
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