Kino / Good News for People Who Love Bad News: „Knock at the Cabin“ von M. Night Shyamalan
Nach dem unsäglichen „Old“ kehrt M. Night Shyamalan mit einem unheimlichen Weltend-Thriller zurück, dessen größter Twist eigentlich ist, dass er, im Gegensatz zu den meisten seiner letzten Filmen, nicht völlig misslungen ist.
M. Night Shyamalan ist dieses seltene, nahezu tragische Hollywood-Wunderkind, das seit einem ersten Film, der Publikum und Kritiker zugleich begeisterte, einen schier unaufhaltsamen qualitativen Sturz durchlebt. Er ist ein One-Trick-Pony, dessen erster Stunt so verblüffend war, dass es ihm gelang, selbst bei den Cahiers du cinéma-Kritikern für eine dauerhafte Geschmacksverirrung zu sorgen.
Anders sind die außerordentlich unangebrachten Lobhudeleien, mit denen diese meist relativ geschmackssichere Monatszeitschrift Filme wie „The Happening“ oder „The Lady in the Water“ empfing, kaum zu erklären. Auch wenn es im Kulturbereich stets subjektive Befindlichkeiten gibt: Machwerke wie die beiden bereits erwähnten Filme, „The Last Airbender“, „After Earth“ oder „Glass“ sind allesamt Streifen, denen eine meist spannende Idee zugrunde liegt, die Shyamalan dann vergisst, weiterzuentwickeln – ein bisschen wie ein verwöhntes Kleinkind, das an Weihnachten so viele Spielsachen geschenkt bekommt, dass es gelangweilt von einer zur nächsten übergeht.
Genauso ging es „Old“, Shyamalans letztem Streich, bei dem eine Reihe von Hotelgästen einen Nachmittag am schönsten Strand der Erde verbringen sollten – nur hatten die perversen Gastgeber vergessen, ihren Gästen mitzuteilen, dass man auf besagtem Strand in Windeseile zu Tode altert. Auch hier galt: tolle Idee, aber leider verlor der Film rapide an Dringlichkeit, Spannung, Struktur und Dialogqualität, sobald die wild zusammengewürfelte Menschengruppe am Strand auftauchte.
„Knock at the Cabin“ erzählt die Geschichte eines schwulen Pärchens, das mit seiner Adoptivtochter Wen (Kristen Cui) Urlaub in einer Hütte im Wald macht. Klingt wie ein toller Plan – für alle, die auf Blutvergießen und andere Gräuel stehen. Denn rasch tauchen, wie das halt so passiert, wenn man Urlaub an abgelegenen Orten ohne Telefonempfang oder Wi-Fi macht, vier finstere, mit selbstgebastelter Waffe ausgerüstete Gestalten auf. Leonard (Dave Bautista), der Leader dieser vier zeitgenössischen Reiter der Apokalypse, erklärt der Patchwork-Familie, um was es geht: Die drei wurden auserkoren, den bevorstehenden Weltuntergang aufzuhalten – indem sie eines ihrer Familienmitglieder opfern.
Klingt völlig schwachsinnig? Das sagt sich das Pärchen auch. Nur bleibt wenig Zeit zum Überlegen – bei jeder verpasster Chance, sich für ein Opfer zu entscheiden, wird einer der vier Eindringlinge hingerichtet und eine globale Plage – Tsunamis, Pandemie, you name it – ausgelöst, was dem Paar in seiner von der Welt abgeschotteten Hütte via Fernsehübertragungen gezeigt wird. Während sich Eric (Jonathan Groff) nach und nach fragt, ob diese vier Spinner, die allem Anschein nach irgendeiner homophoben Sekte angehören und „Funny Games“ ein paarmal zu oft geschaut haben, nicht doch recht haben, beharrt Andrew (Ben Aldridge) auf seiner Meinung.
„Knock at the Cabin“ ist definitiv besser als so einige der vorher zitierten Shyamalan-Filme: Während der gut geschriebenen und überzeugend gespielten Anfangssequenz gelingt es dem Regisseur, eine unbehagliche Atmosphäre zu erzeugen, die er trotz klischeehafter Nebenfiguren aufrechterhält, indem er mit Eric und Andrew nicht nur zwei ethische Standpunkte veranschaulicht – Andrew ist der ungläubige Thomas, der Solipsist, der nur glaubt, was er am eigenen Leib erlebt, Eric ist leicht beeinflussbarer, dafür aber auch offener für das Unvorhersehbare –, sondern durch diese Hauptfiguren auch zwei Interpretationen der Geschehnisse erlaubt: Für Andrew deutet alles darauf hin, dass es sich bei den vier Eindringlingen um homophobe Sadisten handelt, Eric fängt irgendwann an, der übernatürlichen Erklärung Glauben zu schenken – dieses Zögern zwischen einer rationalen und einer surrealen Interpretation des Geschilderten bezeichnet man seit Tzvetan Todorov als „hésitation fantastique“.
Irgendwann überwiegen jedoch, trotz der guten schauspielerischen Leistung von Bautista, die klischeehaften Dialoge und die etwas zu karikaturhaften Figuren. Zudem wird der Film gen Ende immer expliziter, einerseits, weil er das Zögern zwischen rationeller und surrealer Erklärung auflöst, andererseits, weil Shyamalan selbst die totale Abwesenheit eines Plot-Twists so inszeniert, als würde er dennoch eine überraschende Handlungswendung parat haben: So fällt bei Eric irgendwann der Groschen, dass die vier Eindringlinge in Wahrheit die vier Reiter der Apokalypse sind – eine Einsicht, die wohl jeder Zuschauer, der in etwa weiß, was die Bibel ist, nach zwei Minuten hatte. Trotzdem filmt Shyamalan diese Erkenntnis mit Flashbacks und spannender Musik, als würde er Bruce Willis zum zigsten Male erklären, dass er der Tote ist. Und wieso sich das schwule Paar selbst dann nicht küsst, wenn der Film seinem voraussehbar tragischen Ende entgegensteuert und sich die beiden zum letzten Mal sehen, ist fast schon wieder homophob.
2/5
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