/ Barockes Feuerwerk und französisches Stilgefühl
In dieser Woche nahmen die Sopranistin Patricia Petibon (am Montag) und die Flötistin Hélène Boulègue (am Dienstag) ihr Publikum auf zwei sehr unterschiedliche Reisen mit. Während Patricia Petibon und das La Cetra Barockorchester Basel das Publikum von der Alten in die Neue Welt führten und dabei Komponisten wie Henry Purcell, Marc-Antoine Charpentier, Jean-Philippe Rameau und Georg Friedrich Händel in eine direkte Beziehung mit den Volksliedern Südamerikas brachten, ließ uns Hélène Boulègue die Musik André Jolivets und seiner Zeitgenossen entdecken.
Von Alain Steffen
„Das Barock ist eine Zeit der Sinnlichkeit, eine Zeit des Prunks, des vollen Lebens, der Lust. Damals wie heute erwartet das Publikum eine Performance mit Spektakel und Effekten“, sagte die berühmte Barocksängerin Simone Kermes in einem Interview. Das Konzert von Patricia Petibon, das im Kammermusiksaal der Philharmonie stattfand, folgte einer ähnlichen Idee.
Das Programm orientierte sich an einem pädagogisches Konzept, das wir von Jordi Savall und seinem Hespèrion XXI kennen, nämlich eine Geschichte zu erzählen und darauf hinzuweisen, wie grenzenlos die Musik doch ist und wie sie sich in allen Kulturen darstellt. Nur dass bei Petibon und La Cetra auch Entertainment mit einflossen. Wir können natürlich hier nicht auf jeden einzelnen Komponisten oder jedes einzelne Stück eingehen, die die Sängerin und ihr Ensemble an diesem Abend präsentierten.
Vielseitiges Projekt
Doch ein Blick ins Programmheft zeigt die Vielseitigkeit dieses Projektes, sodass selbst versierte Musikhörer hier mit Stücken aus dem Frühbarock und dem Barock in Verbindung kamen, die sie wohl vorher noch nie gehört hatten. Sei es jetzt Werke von Tarquinio Merula, einem italienischen Komponisten, der von 1595 bis 1665 gelebt hat, dem französischen Komponisten Henri Le Bailly (158?-1637), dem aus Spanien stammenden José de Nebra (1702-1768) oder den vielen Traditionals, die Petibons Programm enthielt.
Sängerin und Musiker boten eine hinreißende und sehr farbige Show, die die Zeit im Fluge vergehen ließ. Gesangstechnisch blieb trotz eines insgesamt positiven Gesamteindrucks so manches auf der Strecke. Patricia Petibon hatte keinen sehr guten Abend und klang indisponiert. Darüber hinaus wirkt ihre Stimme nun schwerer und sie scheint die Flexibilität und Leichtigkeit von einst etwas verloren zu haben. Zumindest an diesem Abend, wo es allerdings mehr auf „have fun“ als auf ausgearbeitete Interpretationen ankam. Die Spitzentöne kamen oft forciert und messerscharf, während die Sängerin bei den langsamen Arien Intonationsprobleme nicht kaschieren konnte und sich die Stimme dementsprechend nur schwer öffnete. Allerdings machten ihr Spielwitz und ihre Gestaltungsfähigkeit vieles wieder wett.
Exzellent und makellos dagegen das La Cetra Barockorchester Basel, das von der Konzertmeisterin Eva Borhi geleitet wurde. Zwei Zugaben folgten, die allerdings Ermüdungserscheinungen der Sängerin nicht verbergen konnten. Was auch nicht verwundern durfte, denn das Konzert in der Philharmonie Luxemburg war das letzte einer Tournee, die nach Krakau, Oviedo, Castellon, Santander und San Sebastian geführt hatte.
André Jolivet and friends
Im Bartringer ARCA fand am Mittwochabend ein Konzert der besonderen Art statt. Hélène Boulègue, seit 2010 Flötistin im Orchestre philharmonique du Luxembourg und seit 2017 Soloflötistin beim SWR Symphonieorchester, hatte als sogenanntes „Concert de lancement“ für ihre erste CD ein musikalisches Programm rund um den französischen Komponisten André Jolivet zusammengestellt.
Neben „Pour une communion sereine de l’être avec le monde“ aus „Cinq Incantations“, „Pour que demeure le secret nous tairons jusqu’au silence“ aus „Ascèses“ und „Chant de Linos“, drei Werken, die die mystische Überzeugung Jolivets sehr gut widerspiegeln und sich jedem strukturellen und mathematischen Denken widersetzen, das im 20. Jahrhundert mehr und mehr überhandnahm, erklangen Werke von Komponisten, die Jolivet musikalisch und menschlich nahe standen: die „Sonate für Flöte und Klavier“ von Francis Poulenc, „Joueurs de flûte“ von Albert Roussel, „Density 21.5“ von Jolivets Lehrer Edgar Varèse sowie die „Danses populaires roumaines“ von Béla Bartók.
In der Mitte des Programms stand Ludwig van Beethovens Sonate Nr. 14 op. 27/2 „Mondschein“, die von Boulègues musikalischem Partner François Dumont mit großer Finesse und Schönheit vorgetragen wurde. Beethoven spielte im Leben von Jolivet eine sehr große Rolle und seine Musik hat nicht wesentlich dazu beigetragen, dass er Komponist wurde. So Christine Jolivet, die Tochter des Komponisten, die bei diesem Konzert ebenfalls anwesend war. Für das Publikum war es ein außergewöhnlicher und aufregender Abend, da es mit Werken konfrontiert wurde, die es sonst kaum im Konzertsaal hört.
Erlesene Qualität
Die Interpretationen waren von erlesener Qualität. Hélène Boulègue erwies sich als eine wunderbare Tonmalerin, die sowohl die Mystik Jolivets wie auch die Farbenpalette der anderen Werke bestens beherrschte. Jede Note war Ausdruck und Farbe, Stimmung und Klang. Zudem war Boulègues Spiel von großer Wärme und einer in allen Punkten makellosen Technik gekennzeichnet.
Das spieltechnisch sehr komplexe Werk „Chant de Linos“ war dann auch Abschluss und Höhepunkt des Konzertes zugleich. Hervorzuheben bleibt noch das exzellente Spiel des talentierten Pianisten François Dumont, dem wir die Referenzeinspielung von Ravels gesamtem Klavierwerk zu verdanken haben. Boulègue und Dumont harmonierten zudem wunderbar, sodass sich dieses außergewöhnliche Konzert durchgehend auf allerhöchstem musikalischem Niveau bewegte.
Nach dem Konzert wurde dann die CD mit den gleichen Künstlern präsentiert. Hélène Boulègue, die 2017 die Kobe International Flute Competition gewonnen hatte, spielt für Naxos das Gesamtwerk für Flöte von Jolivet ein. „Vol. 1“ liegt nun vor. Wir werden in einer späteren Ausgabe ausführlich darauf zurückkommen.
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