/ Ist das schon fertig? Ein Comic erzählt das Leben des legendären Architekten Mies van der Rohe
Eine Comic-Biografie widmet sich dem bedeutenden Architekten und Bauhaus-Direktor Mies van der Rohe, der am 17. August vor 50 Jahren starb.
Von Oliver Seifert
Ist das schon fertig? Fehlt da nichts? Warum so leer? Wozu dient das? Der spanische König Alfons XIII. und seine ergebenste Gefolgschaft sind irritiert beim Besuch des Barcelona-Pavillons auf der Weltausstellung 1929. Der Architekt ist sichtlich genervt und hat wenig Lust auf genehme Rechtfertigungen für sein außergewöhnliches Gebäude, das allein der „Repräsentanz und Schönheit“ dient. Wie neu und anders diese funktionale, schlichte, avantgardistische Architektur ist, macht gleich die erste Episode der Comic-Biografie deutlich, und sie fängt auch die typischen Reaktionen von Ignoranz, Unverständnis bis Ablehnung ein.
Neben dem Schweizer Le Corbusier und dem Amerikaner Frank Lloyd Wright gilt der Deutsche Ludwig Mies van der Rohe als Ikone dieses neuen Stils der Baukunst, der seither unter dem Begriff Klassische Moderne seinen Siegeszug um die Welt angetreten hat.
Haut-und-Knochen-Architektur
Am 27. März 1886 in Aachen als Maria Ludwig Michael Mies geboren (später um den Geburtsnamen seiner Mutter erweitert), revolutioniert er mit seiner dem Minimalismus, der Transparenz und der Variabilität verpflichteten Haut-und-Knochen-Architektur (die großen Glasfassaden als die Haut, die filigranen Stahlstützen als die Knochen) die bisherigen Bauweisen und löst damit Stöhnen oder Staunen aus.
Der spanische Zeichner, Autor und Architekt Agustín Ferrer Casas folgt in seiner Comic-Biografie dem unbedingten Willen seines Protagonisten, eine neue Zukunft (nicht nur des Bauens) mit auf den Weg zu bringen, beinahe um jeden Preis, das wird bald deutlich.
Diese sture, rastlose Konsequenz in seinem Schaffen, die dem Entwerfen und vor allem Bauen alles unterordnet, bringt Meisterwerke hervor wie die Villa Tugendhat in Brünn, das Seagram Building in New York, die Neue Nationalgalerie in Berlin oder eben den Barcelona-Pavillon, sie bringt aber auch eine Menge Ärger und Probleme.
Casas versteht es, diese verschiedenen Seiten des Lebens in den Blick zu nehmen: die eindrucksvolle Karriere, die bedeutenden Bauten, die gescheiterten Beziehungen, das opportunistische Verhalten, den öffentlichen und den privaten Mann, den Arbeits- und Genusssüchtigen, das Genie und den Wahnsinn.
Insbesondere zwei der menschlichen Makel werden ausführlich verhandelt: der hohe Verschleiß an Frauen, die er fallen lässt wie heiße Kartoffeln, und das Anbiedern an das Hitler-Regime, das ihm weniger einbringt als erhofft und die Emigration in die USA 1938 nicht verhindern kann.
Schattenseiten
Weil sich der Band eines erzählerischen Kniffs bedient, wobei der fast 80-jährige Opa dem Enkel Dirk (im Flugzeug auf dem Weg zur Berliner Baustelle der Neuen Nationalgalerie) in Rückblenden aus seinem bewegten Leben berichtet, sind kritische Nachfragen und Anmerkungen Teil einer sehr persönlichen Erzählung, die zu erklären versucht, was teilweise nur schwer zu erklären ist.
Die Erinnerungen sind manchmal bruchstückartig oder sprunghaft und nicht immer sofort einer Zeit oder einem Ereignis zuzuordnen, wodurch ein pulsierender Realismus erzeugt wird, der aber eine besondere Aufmerksamkeit (und gewisse Vorkenntnis) verlangt.
Augustín Ferrer Casas nimmt sich die Freiheit, Dialoge zu erfinden und biografische Fakten zu verdichten, um noch deutlicher einige Wegmarken herausarbeiten zu können.
Auch die typische Comicstruktur wird mehrfach ausgehebelt, dann ist etwa eine Doppelseite als grafische Einheit in oben und unten unterteilt und von links noch rechts zu lesen.
DAS BUCH
Agustín Ferrer Casas: Mies – Mies van der Rohe – ein visionärer Architekt
Aus dem Spanischen von André Höchemer
Carlsen-Verlag, 2019
176 Seiten, 20 Euro
Weniger experimentell ist die Darstellung der Entwürfe und Bauten, die akkurat den historischen Vorlagen und Vorbildern entspricht, sowie die farblich korrekte Ausgestaltung, bei deren Recherche (die Originalfotos sind alle schwarz-weiß!) ein Historiker und die TV-Serie „Babylon Berlin“ halfen. Die Linien sind klar, die Gesichter markant, die Hintergründe stimmig, die Details präzise.
Das Comic endet 1965 mit der Grundsteinlegung zur Neuen Nationalgalerie: der berühmte Architekt in triumphaler Pose inmitten einer illustren Runde, gecastet aus Personen verschiedener Lebensstationen (von seinem Vater und Walter Gropius über Lilly Reich und das Ehepaar Tugendhat bis zur einen oder anderen Affäre).
Der bereits körperlich angeschlagene Ludwig Mies van der Rohe stirbt vier Jahre später, am 17. August 1969, an einer Lungenentzündung.
Welch ein Zufall: Sein 50. Todestag folgt wenige Monate später auf den 100. Geburtstag des Bauhauses, dessen Direktor er von 1930-33 war. Doch bevor jemand anfängt zu meckern: Mehr übers bereits zigfach abgefeierte Bauhaus oder Weimar wird in diesem Text nicht zu lesen sein. Versprochen.
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