Konzert / Lachhaft gut: den Atelier bringt The Smile nach Neimënster
Es kann so einfach sein: Inmitten dieser immer hoffnungslos erscheinenden Zeiten reicht manchmal eine Ankündigung aus, um einem ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Am 27. Juni bringt den Atelier The Smile – die neue Band von Radiohead-Sänger Thom Yorke und Radiohead-Gitarrist Johnny Greenwood – nach Neimënster. Das Tageblatt hat das Londoner Liveset am Wochenende gesehen und kann jetzt schon versprechen: Niemand wird es bereuen, sich am kommenden Freitag Karten für das Konzert zu sichern.
Während die Rockhal seit Beginn der Pandemie in einen tiefen Winterschlaf gefallen zu sein scheint, bemühen sich (u.a.) den Atelier, die Kufa und der „Gudde Wëllen“, die Live-Musik trotz ständiger Absagen und wöchentlich wechselnder Auflagen so gut wie möglich vor dem Aussterben zu retten. Eine starke Ankündigung seitens des Atelier dürfte Radiohead-Fans (und ganz allgemein Freunde guter Musik) ein Lächeln ins Gesicht zaubern: Am 27. Juni wird The Smile, ein Trio, das aus Thom Yorke, Johnny Greenwood und dem Jazz-Schlagzeuger Tom besteht, Neimënster bespielen.
Eine der neuartigen musikalischen Ersatzformen – das zahlpflichtige digitale Livekonzert im Streaming – hat mittlerweile zu einer hybriden Form geführt, die es Bands erlaubt, sowohl physische wie auch digitale Karten zu verkaufen – und so die katastrophalen letzten beiden Jahre finanziell wenigstens minimal wettzumachen. So hat The Smile am letzten Wochenende gleich drei Sets gespielt. Pro Set war eine Zeitzone, sprich ein Publikum angepeilt. Und auch, wenn der digitale Gig nur ein schwacher Ersatz für das echte Live-Feeling ist: Was Yorke, Greenwood und Skinner da geboten haben, macht bereits jetzt Lust auf das Konzert in knapp fünf Monaten.
Nachdem das Projekt mit einem Überraschungsset auf dem letztjährigen Glastonbury angekündigt und in den letzten Wochen durch die Veröffentlichung von zwei Singles „You Will Never Work for Television Again“ und „The Smoke“ konkretisiert wurde, verdeutlicht das üppige Set – 13 Songs und eine Cover-Version –, in welche Richtung das Trio geht. Denn hier wird klar: The Smile ist keineswegs ein Zeitvertreib so ganz nebenbei, die hier vorgestellten Songs sind so ausgearbeitet und geschliffen, dass die Band ihre erste Platte bereits in den kommenden Wochen veröffentlichen und sich damit einen sicheren Platz in den Bestenlisten am Ende des Jahres sichern könnte.
Talentschmiede Radiohead
Wer nach der ersten Single vermutete, dass hier zwei Männer ein krachiges Postpunk-Vergnügen als Gegennarrativ zu Radioheads Ruf als verkopfte Avantgarde-Band spinnen würden, wird beim Live-Set eines Besseren belehrt: Die 13 Songs klingen streckenweise doch sehr nach Radiohead – und das ist richtig gut so.
Auf jeden geschrammelten Postpunk-Song, der andeutet, wie Radiohead heute klingen würde, hätte die Band die elektronische Revolution des „Kid A mnesiac“-Diptychons sein gelassen und die ungestüme Energie von „The Bends“ auf die Spitze getrieben (siehe: „You Will Never Work in Television Again“, „Hairdryer“), folgt ein ruhiger Track, auf dem Synthies, Melancholie, Klavier und arpeggierte Gitarren dominieren.
So erinnert Opener „Pana-Vision“ erst mal an Yorkes Soloarbeit für Luca Guadagninos Dario-Argento-Remake „Suspiria“: Auf ein jazziges Klavier und ein synkopiertes Schlagzeug legt sich Yorkes leicht schiefer Gesang. Auf „Skirting on the Surface“ erinnern Greenwoods arpeggierte Gitarren an „Weird Fishes/Arpeggi“, überhaupt fühlt man sich regelmäßig an „In Rainbows“, die beste der letzten drei Radiohead-Platten, erinnert.
„Free in the Knowledge“ verbindet „OK Computer“-Vibes (die Harmonien erinnern an „Lucky“) mit flächigen Synthies, gegen Ende malträtiert Greenwood seine Gitarre mit einem Geigenbogen; auf „Thin Things“ zünden Yorke und Greenwood ein Gitarrenfeuerwerk; „We Don’t Know What Tomorrow Brings“ ist so dringlich und stürmisch wie kein einziger Track auf dem (guten) Alterswerk „A Moon Shaped Pool“ und „The Same“ hat die Schönheit von „Fog“, ist aber komplexer als die wunderschöne Ballade aus „Amnesia“-Zeiten.
Während des Sets tauschen Yorke und Greenwood regelmäßig die Instrumente, auf „Speech Bubble“ spielt Greenwood mit einer Hand Klavierakkorde, während er mit der anderen an einer Harfe zupft, auch den ausgezeichneten Skinner sieht man bei ruhigeren Tracks an den Synthies.
Nach den tollen Solowerken von Thom Yorke, Ed O’Brien und Schlagzeuger Phil Selway sowie den Soundtrackarbeiten des Tausendsassa Johnny Greenwood für (u.a.) Paul Thomas Anderson liefert die Talentschmiede Radiohead mit The Smile vielleicht das bisher tollste ihrer bisherigen Nebenprojekte. Dass niemand so genau weiß, wie es um Radiohead steht, ist da irgendwie zu verschmerzen. Dringender als die Antwort auf diese Frage ist es auf jeden Fall, sich am kommenden Freitagmorgen Karten für das Konzert zu sichern.
Info
Die Karten gehen an diesem Freitag um 11.00 Uhr in den Vorverkauf. Wer Karten für das Konzert am 27. Juni in Neimënster ergattern möchte, sollte damit nicht zu lange warten und sich am Freitag pünktlich auf www.atelier.lu einloggen.
Das Konzert ist noch „on demand“ bis heute Abend um 18 Uhr auf https://dreamstage.live/ zu sehen – und das sollte man nicht verpassen.
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