Kunstecke / Lambert Herr: Leuchtende Kunstwerke spielerisch in Szene gesetzt
Unter dem Titel „50 ans après“ wird das neuere Œuvre von Lambert Herr in der Galerie „Am Tunnel“ bis Mitte September gezeigt. Einen Kunst-Dialog der besonderen Art gibt es im „Espace Wallis Paragon“ zu sehen, wo die Gebrüder Lambert und Marc Herr zusammen ausstellen. Ein Überblick.
Mit ihrer ersten Ausstellung 1994 hat die Galerie d’art contemporain „Am Tunnel“ im Untergeschoss des Spuerkeess-Gebäudes am Rousegäertchen Kunstgeschichte geschrieben. Die Galerie zeigte jahrelang Werke der eigenen Sammlung, nahm auch Gastexpos auf und würdigte die Kunstgattung „Fotografie“ nicht nur mit interessanten Ausstellungen. Der Tunnel beherbergt auch den „Espace Edward Steichen“, eine spannende Einführung in das Werk des bekannten Fotografen mit Luxemburger Wurzeln. Seit einigen Jahren ist es ruhiger um die Galerie geworden, die Expos wurden seltener, heute werden noch zwei bis drei pro Jahr organisiert. Noch bis Mitte September wird nun unter dem Titel „50 ans après“ das neuere Œuvre von Lambert Herr öffentlich gezeigt. Parallel zu dieser Solo-Expo sind Arbeiten von ihm zusammen mit Bruder Marc Herr im „Espace Wallis Paragon“ ausgestellt.
Waren in der Tunnel-Galerie Anfang des Jahres eine Vielzahl an Bildern des jungen Künstlers Joël Rollinger zu sehen, so belegt der gestandene Künstler, Sammler und Buchautor Lambert Herr die über 300 Meter lange Schlauch-Galerie. Lambert Herr, Jahrgang 1948, hat seine Kindheit in Luxemburg verbracht, später in Brüssel studiert und sich anschließend im Großherzogtum niedergelassen. Als Mitglied der Vereinigung „La Palette“ in Diekirch hat er an zahlreichen Gemeinschaftsexpos teilgenommen und seine Arbeiten auch in Solo-Ausstellungen präsentiert. Sein Unabhängigkeits-Monument in Steinfort und sein Beitrag zur Nationalbibliothek sind erwähnenswert. Der Titel der Expo erklärt sich durch die Tatsache, dass Lambert Herr Jahrzehnte nicht mehr künstlerisch aktiv war. Bekannt ist Lambert Herr aber auch, vielleicht vor allem, als Autor der „Anthologie des Arts au Luxembourg“ von 1992 und Herausgeber des 2001 erschienenen Nachfolgewerkes „Signatures“, das zu einer geschätzten Quelle für Kunstfreunde geworden ist. Lambert Herr, selber eifriger Kunstsammler, legt sich in der Wahl seiner Kunstmittel nicht einseitig fest.
Symbiose aus Licht und Farbe
Als „Postscriptum“ zu der ganz persönlichen Eröffnungsrede von Freund und Sammler Marc Modert anlässlich der Vernissage wird folgende Stil-Beschreibung festgehalten: „A L.-H. le mérite de pratiquer une dimension rare pour ainsi dire inédite marquée par le recours au(x) reflet(s), aux lumières et couleurs liquéfiées, pérennisées dans des circuits fermés à l’épreuve du temps … (…) Ses rayons luminescents accrochés dans le néant, véhiculant des substances de gaz ou de vapeurs qui s’illuminent en réaction à une décharge électrique relèvent d’une tendance picturale que le Larousse Illustré, si on se donne la satisfaction de le consulter, assimile à l’Ecole du LUNISME, Bref en quatre lettres au Néon.“
Ziert der Kopf eines Zebras die Einladungskarte, so wird der Besucher der Ausstellung auf Anhieb mit Lambert Herrs’ Werk als Autor konfrontiert. Jamie Armstrong, Archivarin im MNAHA, verweist auf sein 345 Volumen starkes Archiv, Kunstbücher, Dokumentationen mit Presseartikel und Einladungsflyer und weiterem Material, das er 2019 stiftete, Stoff, auf dem erwähnte Bücher basieren, Material, das nun auch der digitalen Aufarbeitung der heimischen Kunstgeschichte dient. Vorbei an der Bücher-Vitrine ziehen Würfel aller Art die Blicke des Besuchers nicht nur als eigenständige Kunstwerke an, vielmehr zeigen diese recht eigenartigen und unterschiedlich perfekt als Kubus gestalteten „Spielwürfel“ und/oder Sitzmöbel den Weg durch die schlangenartige Galerie.
Markieren nicht traditionelle „Augen“ den Würfel, so spiegeln diese mal geometrisch arrangierte recht dekorative Muster wider oder bieten die Wahl zwischen Pfeil, Blume, Wohnwagen, Lippen, Fisch oder anderen Figuren, halt so wie das Schicksal in unserer Gesellschaft und Selbsterfahrungen in unser aller Leben „spielen“. Dass der Künstler seinen Hang zum Objekt-Design nicht verbergen kann, lässt sich an mehreren Beistell- oder Spieltischen wie inszenierten Ensembles mit Objekten oder den fantasievollen Scheiben, die als „Eingangs-Zeichen“ für WCs dienen sollen, ablesen. Er hat zudem mobile Objekte geschaffen, die sowohl als aufzuhängende als auch als bewegliche Werke, etwa als Tisch, dienen können. Einen Teil der Arbeiten gibt er als erzieherisch einzusetzende Arbeiten, etwa Sitzmöbel, aus.
Relativ wenige der oben angedeuteten Leuchttafeln oder vom Innern her beleuchteten Bilder mit meist streng geometrisch angeordneten Figurenmustern, farblich stets fein abgestimmt, zieren die weißen Tunnel-Wände. Die Hängung ist ziemlich luftig, doch besonders ausdrucksstarke, aus zwei bis drei Elementen formierte Kompositionen, sowie eine symbolträchtige Installation am Ende der Ausstellung wiegen dies auf. Der Künstler lässt selbstredend sein kunstgeschichtliches Wissen und seine Verbundenheit zu Bedürfnissen im Kindergarten in sein Œuvre einfließen, sodass sowohl die fast vibrierenden Bilder wie die angewandte eigene Zeichensprache, rätselhafte Figuren (künstlerische Katze, Pharao), oder magisch anmutende Würfel-Konstellationen viel Spielraum für Interpretationen lassen.
Kunst-Dialog zweier Brüder
Wer sich darüber hinaus mit dem Werk von Lambert Herr beschäftigen möchte, dem sei noch bis 22. Juli eine gemeinsame Ausstellung mit seinem Bruder Marc im „Espace Wallis Paragon“ empfohlen. Marc Herr, Jahrgang 1947, Kunststudium in Lüttich, später Kunstlehrer in Luxemburg, den wir noch von einer Expo im Gemeindehaus in Hesperingen in Erinnerung haben, pflegt eine andere und recht eigene Technik. Er geht von Fotos aus, zerlegt diese pixelartig in Punkte, wie Buchstaben oder Ziffern aussehend, nuancenreich aneinandergereiht und plastisch ergänzt, sodass sich wieder Bilder ergeben, stets verschwommen, aber mit erkennbarem Motiv. Bruder Lambert steuert zu dieser Expo Gouache-Bilder und für ihn typische Leuchtwerke bei. Kontrastreich, aber aussagefähig für beide Künstler erweist sich dieser Kunst-Dialog zweier Brüder als interessante Ergänzung der Solo-Schau in der Tunnel-Galerie.
Ausstellungen
„50 ans après: Lambert Herr“, noch bis zum 17. November in der Galerie am Tunnel (10, rue Ste-Zithe, L-2763 Luxemburg-Stadt), montags bis freitags von 9 bis 17.30 Uhr und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Weiterführende Informationen: spuerkeess.lu.
„Lambert und Marc Herr“, noch bis zum 22. Juli im „Espace Wallis Paragon“ (6-12 rue du Fort Wallis, L-2714 Luxemburg-Stadt).
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