Kino / „L’amour ouf“: Die Liebe und das Kino
„L’amour ouf“, die neue Regiearbeit von Gilles Lellouche, ist gleichermaßen eine Liebeserklärung an die Liebe und das Kino. In einer Mischung aus „Goodfellas“ und „West Side Story“ bringt Lellouche die Codes der Liebes- und Gangstererzählung stilvoll zusammen und schafft einen Raum, der nur im Kino so existieren kann.
Gilles Lellouche ist im französischen Film mehr als Schauspieler bekannt, weniger als Regisseur. Mit „Le Grand Bain“ legte Lellouche zuletzt 2018 einen Film um eine Bande von unglücklichen Männern vor, die sich einer Synchronschwimmer-Gruppe anschließen, um das zerrüttete Selbstwertempfinden durch die Teilnahme an der Schwimm-Weltmeisterschaft wieder aufzubessern. War dieser Film noch als „feel good“-Komödie angedacht, so wechselt Lellouche mit seinem neuen Werk „L’amour ouf“ augenfällig das Register: In diesem Genrehybrid bringt er das Schauspielerpaar François Civil und Adèle Exarchopoulos vor der Kamera zusammen, um eine große Liebeserklärung an die Liebe und das Kino zu formulieren.
„L’amour ouf“ schildert zunächst die Geschichte einer nahezu aussichtslosen ersten Jugendliebe zwischen einem Mädchen aus der Oberschicht, Jacky (Mallory Wanecque), und einem Jungen aus bescheidenen Verhältnissen, Clotaire (Malick Frikah), die sich ineinander verlieben und schließlich auseinanderleben. Denn Clotaire sieht für sich kaum Zukunftsperspektiven, der Junge neigt zur Gewalt und gerät zunehmend auf die schiefe Bahn. Als er sich auf den Gangsterboss La Brosse (Benoît Poelvoorde) einlässt, ist der Teufelspakt geschlossen, sein Schicksal besiegelt. Jahre später fühlen sich Jacky (Adèle Exarchopoulos) und Clotaire (François Civil) immer noch zueinander hingezogen.
Entsprechend unternimmt der Film denn auch eine Einteilung in zwei Erzählabschnitte, die mehrere Jahrzehnte umfasst: Ausgehend von der Teenagerzeit bis ins Erwachsenenalter, begleitet „L’amour ouf“ seine Figuren, die durch die tief empfundene Seelenverwandtschaft doch nie voneinander lassen können. So werden Einstellungen in der zweiten Hälfte in invertierten Kontexten wieder aufgegriffen, Spiegelmomente und Rückverweise werden geschaffen, ebenso wie Vorausdeutungen gelegt. Es ist ein angestrebtes poetisches Gebilde aus diesen maßgeblichen Stilfiguren, mit denen der durchaus selbstverliebte Film operiert. Eine Sonnenfinsternis bildet dabei die herausragende Metapher dieser breit aufgefächerten Filmerzählung.
Lumière und Truffaut
Lellouches Jahrzehnte umspannende Liebesgeschichte glaubt freilich an die Überwindung der Klassenunterschiede, an das absolute Gelingen der Kommunikation, die Fügung zweier Menschen. Angesichts dieser überaus positiven Naivität, die der Film bekundet, gestattet sich Lellouche ebenso die entsprechenden Momente der Stilvernarrtheit, die offenkundig zum Kitsch tendieren, diesen sogar umarmen. Doch Lellouches Huldigung an die Liebe als das höchste der Gefühle ist auch ein Liebesbrief an das Kino: Da werden zunächst die Brüder Lumière zitiert: „Lasortie de l’usine Lumière à Lyon“ (1895) ist einer der „Urtexte“ des französischen Films, den Lellouche auffällig ins Bewusstsein hebt. Aber seine Reise durch die Filmgeschichte geht weiter; da gibt es Momente, die stark an das Kino der Nouvelle Vague erinnern, es gibt das ziellose Flanieren seiner Filmhelden, die an François Truffaut oder Jean-Luc Godard erinnern, auch an Jacques Demy.
Obwohl der Film besonders um die Authentizität seines Milieus im Norden Frankreichs der Achtzigerjahre bemüht ist, die Originalschauplatze des Industriegeländes ebenso abtastet wie die Lebensumstände der mittelständigen Vorstadt, erlaubt er sich doch die ausladenden Momente der reinsten Filmpoesie: Eine Rauferei unter Teenagern wird da jäh unterbrochen, um einen vollkommenen Traumzustand zu beschwören, in dem die beiden Liebenden in der plötzlich leeren Sporthalle tanzen – kunstvolle Bewegungsabläufe, die von der Kamera mit überaus viel positiver Schaulust eingefangen werden. Immer wieder geht es um die Freiheit, die die Jugend empfindet, es sind die Bilder der ehemals „Neuen Welle“, nicht nur in Frankreich, auch in England oder in Japan. „L’amour ouf“ ist ein reiner Film über die eskapistische Liebe zum Film und zum Kino.
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