Kunstecke / „Made in America“: Gemischte Kunst aus der neuen Welt
Von den Sechzigern bis in die Gegenwart: Die Galerie Nosbaum Reding präsentiert mit „Made in America: 1960s to Today“ und „Creeper, Sleeper, Weeper“ Kunst aus den USA.
Einst, als die Menschheit sich mit Reisen noch schwertat, sprachen viele von Amerika als der „neuen Welt“. Inzwischen sind alle Kontinente nicht nur mit Flugzeugen schnell erreichbar, die globale Welt ist heute vielseitig vernetzt, auch in der bildenden Kunst. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben amerikanische Künstler die europäische Szene aufgemischt, etwa bei der Documenta mit neuartigen Werken überrascht. Pop-Art-Künstler und Vertreter der expressionistischen Abstraktion sorgten für Aufmerksamkeit. Man spürte gar eine aufkommende neue Hegemonie auf dem internationalen Kunstmarkt. Nosbaum Reding präsentiert jetzt Werke von elf Adepten der US-Kunst aus den Sechzigern und spannt den Bogen im Projects-Raum gar bis in die heutige Zeit.
Mit der Schau „Made in America: 1960s to Today“ erweist die Galerie am Fischmarkt international bekannten und im Kunsthandel geschätzten Vertretern amerikanischer Nachkriegskunst ihre Referenz, sie bietet auch betuchten Sammlern die Gelegenheit, Kunstwerke zu erwerben, die wohl ihren „Marktwert“ auch in den kommenden Jahren nicht einbüßen werden. Es ist nicht die erste und einzige Luxemburger Galerie mit Künstlern aus Übersee im Programm – entsprechende Sammelexpos und Solo-Schauen werden relativ regelmäßig angeboten. Die bei Nosbaum Reding organisierte Ausstellung zeigt interessante Positionen, auch wenn die meisten nur mit einer oder zwei Arbeiten vertreten sind. Es fehlen selbstredend wichtige Künstler aus der angesprochenen Ära.
Von Pop-Art bis minimalistische Abstraktion
Die Galerie unterteilt die Auswahl in drei Segmente, einmal die Pop-Art-Richtung mit Richard Pettibone, Andy Warhol, Tom Wesselmann, Raymond Pettibon, William V. Copley und John Wesley. Zum zweiten die Bewegung der Abstraktion mit Kenneth Noland und schließlich die „Aktuellen“ von der Westküste mit gewagteren und neuartigen Werken etwa von Alex Israel und Paul McCarthy. Außerdem gibt es je ein Werk von Carroll Dunham und James Rosenquist. Letzterer steuert nicht nur das größte Bild bei, sondern auch das teuerste Werk. Seine Arbeit „Ohne Titel“ aus dem Jahre 1990 ziert ebenfalls die Einladungskarte. Von Dunham gibt es vier auf Papier gezeichnete „Miniaturen“, die entweder einzeln oder im Ensemble gekauft werden können. Von kleinerem Format ist auch „Smoking Cigarette“ von Tom Wesselmann aus dem Jahre 1998. Anschaulicher ist seine Liquitex-Arbeit auf Papier mit dem Titel „Study for Monica in the bedroom“ von 1985.
Für Freunde der expressionistischen und minimalistischen Abstraktion lohnt der Abstecher zur Expo ebenfalls: „Here-In“ von Kenneth Noland – 1924 in Asheville geboren und 2010 in Port Clyde verstorben – legt ein beeindruckendes Zeugnis seiner bekannten nuancenreichen Farbfeldmalerei ab. Auch die beiden rechteckig lang gezogenen Bilder „End Long“ und „Misty Mount“ überzeugen durch ihre Präzision und Einzigartigkeit. Übrigens entwickelte er gemeinsam mit anderen Künstlern, etwa Helen Frankenthal, die im neuen Museum in Wiesbaden umfassend gewürdigt wird, die sogenannte „Soak stone“-Technik. Er war auch an der Bewegung der Washingtoner Color School beteiligt.
Mit fünf Arbeiten ist Richard Pettibone, 1938 in Alabama geborener Maler und Bildhauer, am häufigsten vertreten. Er mag es, sich recht minimal zu artikulieren, hier mit zwei seinem Freund Andy Warhol gewidmeten Bildern, „A.W., Lavender Disaster (Red)“ und „(Green)“. Beide Werke, jeweils nur 12,9x17x0,9 cm groß, nehmen, obwohl so klein, allein auf einer ganzen Wand präsentiert Platz ein: Fast glaubt man, sie würden vom Weiß der riesigen Fläche verschluckt oder aber besser in den Fokus gerückt. Respekt erweist er außerdem seinem Künstlerkollegen Roy Lichtenstein mit „R.L., Fastest Gun“ (1963) und „R.L. Rouen Cathedral“ aus dem Jahr 1969. Letzteres stammt ergo aus der Zeitspanne wie die oben zitierten Hommagen an Andy Warhol. Im gleichen Zeitraum entstand das fünfte Werk von Pettibone mit dem Titel „Martial Raysse, Simple and Quiet Painting“ – Hommagen oder aber einfach Repliken im Miniatur-Format. Pettibone hat neben den Genannten auch Künstler wie Brancusi, Stella oder andere mit derartigen Werken geehrt, dies im Rahmen eines „Voodoo“-Gesamtkunstwerks – ein Puppenhaus mit 45 Einzelteilen, die er zwischen 1964 und 2003 erschaffen hat.
Mit „Work Boots“ von Andy Warhol wird eine Komposition in Schwarz-Weiß und umgekehrt, also negativ und positiv, ausgestellt, derweil Raymond Pettibon, 1957 unter dem Namen Raymond Ginn in Tucson geboren und heute in New York lebend, zwei Tuschzeichnungen zeigt, die sich am Rande seiner von ihm gepflegten Subkultur und im Soge des Punkrock bewegen. Pettibon ist ein vielseitiger Künstler, der sich gerne kritisch mit der Konsumgesellschaft auseinandersetzt und sich als bekennender Karikaturist ausgibt. Zur Kunst fand er nach einem Wirtschaftsstudium und einer Lehrtätigkeit als Mathematiklehrer erst 1977 mit einem „Bachelor of Fine Arts“. Seine Vita ist beeindruckend. Seine Werke, die er erst in den 1980er-Jahren auszustellen begann, artikulieren sich in mehreren Techniken und sind heute in zahlreichen Museen, auch in Europa, präsent. Schade, dass es in dieser Expo nur bei zwei Werken von ihm geblieben ist.
Mit je einer Arbeit sind Paul McCarthy – mit einem gelben Kopf aus Silikon –, William Nelson Copley, mit „Nudes on a Checkboard“ (Tusche auf Papier), John Wesley, mit „Hand with a Bottle“ (Tusche auf Papier), sowie Alex Israel vertreten. Letzterer (*1982 in Los Angeles), der für seine farbenfrohen Airbrush-Bilder sowohl mit abstrakten Kompositionen als auch Selbstporträts auf ungewohnten Supports bekannt ist, zeigt hier ein ausdrucksstarkes Bild aus dem Jahr 2012. Platzmangel oder Absicht, auf uns wirkt die Hängung dieses farbigen Bildes ungünstig. Ein offenerer Platz als nur die Wand halb hinter einer Bürotür wäre dem Werk wohl dienlich.
Fazit: Die Schau zeigt einige Beispiele amerikanischer Kunst aus dem angegebenen Zeitraum, doch schöpft sie die vielseitige künstlerische Produktion aus Übersee natürlich nicht aus. Interessant sind vor allem die Werke von Noland, Rosenquist, Pettibon und Pettibone.
„Allegorische Autofiktion“ im Projects-Raum
Etwas abseits der Galerie Nosbaum Reding präsentiert Projects unter dem Titel „Creeper, Sleeper, Weeper“ Werke des amerikanischen Künstlers Nat Meade. Expertin Sabine Dorscheid spricht von „eigenständiger Art von Porträtbildnissen in der Kategorie ‚Allegorische Autofiktion’“, die Meade in den letzten zehn Jahren realisiert habe. Es gehe darum, via eine wiederkehrende Figur „Gefühlszustände“ zu reflektieren, die der Künstler selber so oder ähnlich einmal erlebt habe, wobei es weniger auf Äußerlichkeiten als auf „innere Zustände“ ankomme. Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur werden auf unterschiedliche Weise und mit entsprechender Farbgestaltung in einer ansehnlichen Zahl an Bildern artikuliert. Meade, der in New York lebt, hat hier ein eigenes und eigenartiges Œuvre geschaffen, das den Betrachter sowohl in die Geschichte des Menschen als auch in eine geheimnisvolle Welt eintauchen lässt.
Zu den Ausstellungen
Nosbaum Reding: „Made in America: 1960s to Totay“, noch bis zum 14. September
Projects: „Creeper, Steeper, Weeper“ von Nat Meade, noch bis zum 14. September
Anmerkung: Die Galerie Nosbaum Reding ist ab dem 29. Juli für drei Wochen geschlossen.
Mehr Infos unter nosbaumreding.com.
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