/ Sehnsucht und Retrofuturismus: Mando Diao spielt ein nostalgisches Konzert im Atelier
Mando Diao spielte am Sonntagabend ein überzeugendes Best-of-Set, das die Chance leider etwas verpasste, dem ausgezeichneten Frühwerk den verdienten Raum zu geben.
Als Anfang der Jahrtausendwende mit „Bring ’Em In“ (2002) das erste Album von Mando Diao erschien, entsprach die Musik der Schweden ganz und gar dem von alternativen Rockklängen geprägten Zeitgeist. Die kratzbürstigen Stimmen der beiden Sänger und Gitarristen Björn Dixgård und Gustaf Norén erinnerten mitunter an die Libertines – ohne das Drama und die Skandale, die Carl Barât und Pete Doherty umgaben, dafür aber mit tollen Riffs und einprägsamen Melodien.
Sieben Alben später hat Mando Diao sein Erfolgsrezept ein paar Alben („Hurricane Bar“, 2004, „Ode To Ochrasy“, 2006) lang auf die Spitze getrieben, wagte einige Experimente (die akustische Platte „Never Seen The Light Of Day“, das Album „Infruset“ um den schwedischen Lyriker Gustaf Fröding), um sich dann ab „Give Me Fire!“ (2009) mit stärkerem Einsatz von Synthies wieder dem Zeitgeist anzunähern.
Nach „Aelita“ (2014), das die neugewonnene Liebe zu den 80ern konsequent weiterführte und sich für eines der hässlichsten Album-Cover der rezenten Popgeschichte verantwortlich zeigte, verließ Gründungsmitglied Norén die Band (was angesichts des wirklich furchtbaren Covers irgendwie nachvollziehbar ist).
Mit neuer Besetzung veröffentlichte die Band „Good Times“ (2017), das wieder mehr dem klassischen Bandsound entsprechen sollte, diesem jedoch Balladen, Gospel, Funk und eine sehr zeitgemäße (sprich: glatte) Produktion auferlegte.
Schwächeres Neuwerk
Während des Konzertes wurde hauptsächlich dieser Platte gehuldigt – gleich sieben Vertreter des lebensbejahenden „Good Times“ gab die Band zum Besten, live klangen Tracks wie „Shake“, „Good Times“ oder „Dancing All The Way To Hell“ dann gleich überzeugender, weil hier die glattgebügelte Produktion den kantigen Riffs und dem ungeschliffenen Klangbild des „Atelier“ wich.
Manchmal erinnerte Mando Diao jetzt an die Stereophonics („He Can’t Control You“ von einem Album in der Mache, „Dancing All The Way To Hell“, „One Two Three“), auf dem akustischen „Hit Me With A Bottle“ gab sich Sänger Björn Dixgård gar wie eine Parodie von Chris Cornell.
Der neue Gitarrist Jens Siverstedt sah mit blondiertem kurzen Haar und Ohrringen nicht nur so aus, als wäre er aus einem Clip eines Hits der 80er-Jahre entlaufen – die Band lieferte mit Songs wie „Black Saturday“ auch den passenden Soundtrack.
Um das dann doch schwächere neue Material aufzuwerten, zeigte sich Mando Diao auf der Bühne routiniert, jedoch alles andere als gelangweilt und vermochte es, das Publikum zu begeistern, das trotz des für ein luxemburgisches Sommerloch reichhaltigen musikalischen Programms (vor allem im Atelier und in den Rotunden) die Halle in der Hollericher Straße fast ganz füllte. Sänger Björn Dixgård feuerte das Publikum an wie ein aufgebrachter Trainer seine Mannschaft, Bass, Hammond und Schlagzeug waren grundsolide und präzise gespielt, die beiden Gitarren wirkungsvoll eingesetzt – nur vermisste man trotz Dixgårds vielfältiger Reibeisenstimme Noréns Counterpart.
So liest sich während des Sets die Evolution einer Band ab, die irgendwann nicht mehr den Nerv der Zeit getroffen hat und sich seit dem Durchbruchsong „Dance With Somebody“ darauf fokussiert, ihre Songs in das Klanggewand einzuhüllen, das die größten Chancen hat, sich bei den Massen durchzusetzen.
Gerissen ist das schon, hört man aber (speziell gegen Ende des Sets), wie unverbraucht Songs wie „Sweet Ritual“, „Mr. Moon“, „White Wall“ oder auch „Long Before Rock’n’Roll“ von den ersten drei Platten auch heute noch klingen, denkt man daran zurück, wie kompromisslos und gut diese Band mal war. So sind Mando-Diao-Konzerte heute im doppelten Sinne nostalgisch: Wenn die Band neue Songs spielt, sehnt sie sich nach den 80ern. Und wenn die alten Tracks erklingen, sehnt sich das Publikum nach ihren Anfangstagen.
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