Klangwelten / Sorgenlos in den (psychedelischen) Sommer: „Acedia“ von One Sentence. Supervisor
Kommende Woche beginnt das „Congés annulés“-Festival – und damit werden viele Konzertgänger ihr erstes richtiges Konzert seit dem Lockdown erleben. Neben zahlreichen Luxemburger Acts werden auch fünf Bands aus dem Ausland auftreten. Eine der besten davon ist One Sentence. Supervisor, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Ihre Platte „Acedia“ ist ein kleines Meisterwerk von psychedelischem, tanzbarem Krautrock.
Nach einem krachigen White-Noise-Intro beginnt „Acedia“, das dritte Album der Schweizer Band One Sentence. Supervisor, mit dem titelgebenden Track, der psychedelischen Pop der Marke The Jesus and Mary Chain mit stampfendem Post-Punk und orientalischen Klängen verbindet. Die gute Nachricht: Der bereits starke Opener ist einer der schlechtesten, da voraussehbarsten Songs der Platte. Das darauffolgende Diptychon „Double You Pt. 1“ und „Double You Pt. 2“ lässt an die frühen Großtaten von Clinic erinnern – die Tracks sind treibend, über die psychedelischen Gitarren und tanzbare Rhythmus-Sektion legt sich der betörende Gesang von Sänger-Gitarrist Donat Kaufmann, gegen Ende löst sich der Track im Krach auf, bevor das dringliche, kontrolliert-hektische „… And the Rat Feels Nirvana“ mit Riffs, die an die frühe Bloc Party erinnern, übernimmt.
„Seems Less Seamless“ klingt ein bisschen so, als hätten die Kanadier von Suuns den Soundtrack zu einem Spaghetti-Western geschrieben, in dem die Cowboys ständig Joints rauchen; „***“ erinnert teilweise an Bands wie Black Mountain, „Who’s Whose“ mit dem Gastauftritt von Jeans for Jesus ist schief und melodisch zugleich. Fast am besten ist der lange Closer „Sadah“, der alle Stilelemente noch einmal in einer vertrackten, progressiven Struktur auf den Punkt bringt. „Acedia“ bezeichnet eine christlich-spirituelle Haltung, die auf Mühe, Sorge oder Anstrengung mit Abneigung reagiert. Was im Christentum oder im neoliberalen Jargon allerdings Trägheit bezeichnet, wird auf dieser Platte zur keineswegs matten Laudatio auf die Lustlosigkeit – vielmehr bezeichnen One Sentence. Supervisor damit die Mühelosigkeit, mit der sie die verschiedensten Genres und Ideen zu einer durch und durch stimmigen Platte verweben. (Jeff Schinker)
Bewertung: 9/10
Anspieltipps: Double You, Seems Less Seamless, Sadah, Who’s Whose
Info
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