Kunstecke / „Supports/Surfaces“: Blick auf eine abwechslungsreiche Kunst
Seit zwei Monaten zeigt das „Nationalmusée um Fëschmaart“ (MNAHA) im Rahmen der Reihe „Notre collection à l’affiche“ die Expo „Supports/Surfaces“ mit Werken von 14 Künstlern. Es sind dies Vertreter der gleichnamigen Gruppe, die zwar nur einige Jahre als solche gemeinsam und parallel aktiv war, deren Hauptexponenten, vorwiegend in Frankreich, auch heute noch für Aufmerksamkeit sorgen. Dank eigener Anschaffungen und Gaben der Galerie Ceysson & Bénétière verfügt das Nationalmuseum über eine stattliche Anzahl entsprechender Werke. Diese „38 Werke musealer Qualität“ bleiben nun bis Februar 2025 ausgestellt.
Museumsdirektor Paul Polfer erläutert in der letzten Ausgabe von „MuseoMag“, wie sein Haus eine Sammlungsstrategie aufgebaut hat, und warum das Ensemble an Supports/Surfaces-Werken in diese passt. Es handele sich bei „Supports/Surfaces“ um „die letzte bedeutende französische Avantgarde-Bewegung des 20. Jahrhunderts“ und ihre Künstler würden auf die „bereits bestehenden zwei Sammlungsschwerpunkte im Bereich der französischen Malerei des letzten Jahrhunderts“ reagieren. Neuartige künstlerische Dialoge zwischen gleich drei Avantgarde-Bewegungen würden so ermöglicht. In unserer Vorschau auf diese Expo („T“ vom 13. Juni 2024) haben wir bereits darauf hingewiesen, wie in Frankreich heuer in mehreren Schauen diese Konfrontationen zwischen diversen Avantgarden geschaffen wurden, kurzum die Luxemburger Präsentation dieser „Ausdrucksformen ohne Grenzen“ (P.P.) bereitet das Terrain zur Ergründung anderer wegweisender Kunst vor.
„Kinderleicht“ herantasten
Da die „Supports/Surfaces“- Bewegung nicht bei allen Kunstfreunden bekannt ist, hat das MNAHA die hauseigene Kunstfigur „Wulles“ bemüht, um selbst einem jungen Publikum diese Art, Kunst zu gestalten, näherzubringen. Einführend in ein praktisches Heft (Kids Guide) wird, den Besucher direkt ansprechend, die Frage aufgeworfen: „Hast du bemerkt, dass ein Kunstwerk aus verschiedenen Materialien besteht (Leinwand, Rahmen, Farbe …)?“ Die Antwort wird mit dem Hinweis gleich mitgeliefert: „Die Künstler, die du hier kennenlernst, haben sich intensiv mit den Materialien beschäftigt, aus denen Kunstwerke geschaffen werden können: Alle Techniken und Utensilien sind erlaubt.“ In der Folge werden Elemente aus den Techniken und Motiven wie aus den Farbenpaletten der Künstler Claude Viallat (Schablone), André-Pierre Arnal (geometrische Figuren, Muster), Pierre Buraglio (Farben, Buchstaben), Marc Devade (Weg), Patrick Saytour (Muster), Noël Dolla (wiederkehrende Motive, Formen) und Jean-Pierre Pincemin (Muster) mit der Einladung an den Leser aufgegriffen, dieser soll doch selbst Mini-Kunstwerke damit malen und/oder basteln.
Es geht hier nicht allein darum, sich „kinderleicht“ an diese Kunst heranzutasten, vielmehr wird ein reichhaltiges Begleitprogramm angeboten. Bis Februar 2025 finden außerdem Konferenzen zu Themen wie „Relation zwischen Kunst und Raum“, „Wiederholung der Form im Spannungsfeld von Natur und Synthetik“ oder „Subversives Material und übergreifende Dialoge“ statt. Zum besseren Verständnis dieser zwanglosen Ausdrucksformen werden Führungen heimischer Künstler, die teilweise auch Techniken à la Supports/Surfaces einsetzen, organisiert. Ateliers ergänzen dieses Angebot. Das MNAHA ist somit bemüht, dem Besucher aller Altersklassen den Zugang zu dieser Ausstellung zu erleichtern.
Diverse Positionen artikuliert
Mit einer Streifenarbeit auf Kraft-Papier (siehe Einladung) von Patrick Saytour (1935-2023) setzt der vergangenes Jahr verstorbene Künstler einen ersten Akzent. Von ihm werden auch eine Malerei mit Feuerbearbeitung, eine Collage, eine Acryl-Komposition auf lockerer Leinwand und ein hängendes Objekt bestehend aus einem Metallreif und einem Netz-Korb mit Pinsel gezeigt. Unterschiedliche Materialien also!
Durch mehrere Solo-Expos in der Galerie Ceysson-Bénétière hierzulande gut bekannt, ist Claude Viallat, 1936 geboren, mit einer charakteristischen großen Malerei auf Stoff, einem Netzwerk, einer Holzverarbeitung sowie einer zweiten Malerei mit seinen seriellen Schablonen-Kompositionen vertreten. Marc Devade (1943-1983) steuert zwei Ölbilder mit flächiger Farbenkombination bei, wobei gesagt werden muss, dass er auch – genau wie Viallat – mit einem weiteren Werk in der separat ausgestellten Sammlung auf der gleichen Etage des Museums vertreten ist.
Tinte auf Papier und Carbonstift auf freier Leinwand sind zwei recht attraktive Arbeiten von André Valensi (1947-1999), während Pierre Buraglio, 1939 geboren, als Gestaltungsmittel den rahmenden Klebestreifen in drei Bildern erneut zum Einsatz bringt, nutzt André-Pierre Arnal, 1939 geboren, in gleich zwei Malereien mit dem „Farbensprayer“ eigenartige Motive geometrischer Art. Für Vincent Bioulès, 1938 geboren, geht es seinem Bild um Licht und Farbe in einer breiten Streifenkombination.
Auch mit nur einer aufstrebenden Skulptur aus Holz ist Toni Grand (1935-2005) vertreten, derweil Jean Michel Meurice, 1938 geboren, eher nicht zur eigentlichen Gruppe gehört hat, jedoch durch seine eigenartige Maltechnik doch zur Bewegung gerechnet werden kann. Von ihm ist eine Gouache auf Papier von 1977 zu sehen. Daniel Dezeuze, 1942 geboren, setzt sich nach seiner Phase der aufgerissenen Tafelleinwand in dieser Expo mit zwei Objekten aus „bitume de Judée“ turmartig gehäuft und Holz, einer beweglichen Leiter, auseinander. Der 1945 geborene und beim einleitenden Rundtischgespräch anwesende Noël Dolla demonstriert mit einer strikt unterteilten Leinwand und nuancierten Acryl-Strukturen auf Stoff in zwei Werken, wie vielseitig Ausdrucksformen sein können. Bernard Pagès, 1940 geboren, beliebt es Materialien zu häufen, zu verbinden, in dieser Schau zeigt er eine „Assemblage“ aus Holz und Baumaterialien sowie eine Kombination aus 112 Rundeisen und Holzpfeilern auf dem Boden verteilt und an der Wand aufgerichtet. Louis Cane, 1943 geboren, ist ein Vertrauter besagter Galerie, bewegt sich am Rande der Gruppe. Er ist mit einem Ölgebilde aus Holz aus dem Jahre 1976 hier präsent.
Pincemin überrascht
Unser Überraschungsmoment beim Betreten des ersten Ausstellungsraumes gilt Jean-Pierre Pincemin (1944-2005). Er hat die Prinzipien der Gruppen-Gründer auf seine Weise erweitert und ansehnliche Werke der abstrakten Malerei geschaffen. Seine Mega-Bilder ohne Titel aus Acryl und Öl auf freier Leinwand gemalt, stammen aus den Jahren 1974 und 1975 und lassen den Betrachter lange verweilen, um seine dichten Farbschichten zu durchleuchten und die eingeflossenen Motive zu ergründen. Er wurde zu Lebzeiten in Frankreich für seine ungebändigt kreative Art zu malen gefeiert.
Haben wir zum Ausstellungsbeginn geschrieben, es handele sich in den Gründerjahren der Gruppe „Supports/Surfaces“, welche klassische Malweisen aufsprengte und vorwiegend mit den Materialien der bildenden Kunst Neues weg vom traditionellen Rahmen schaffen wollte, um eine „Avantgarde“, die heute eher als Bestandteil der „Kunstgeschichte“ gewertet werden darf, so zeigt die jetzige Schau, wie aktuell und kritisch ansprechend Werke dieser Bewegung sein können. In diesen Ferienzeiten lohnt sich demnach auch wegen des eigens erstellten „Kids Guide“ ein Besuch mit der ganzen Familie.
Info
„Supports/Surfaces – Notre collection à l’affiche“
Noch bis zum 23. Februar 2025 im „Musée national d’archéologie, d’histoire et d’art“ (Marché-aux-Poissons, L-2345 Luxemburg-Stadt). Dienstag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag: 10.00-18.00 Uhr, Donnerstag bis 20.00 Uhr.
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