/ Der Luxemburger Abi Duhr ist Winzer und Biolehrer – aber „kein Weinmacher“
Abi Duhr mag Sarkasmus, getane Arbeit und keine Eile. Er baut Weißweine im Holzfass an und lässt seinen Crémant sechs Jahre in der Flasche gären. Nicht nur beim Weinanbau hat der Winzer und Biologielehrer aus Grevenmacher seinen ganz eigenen Stil. Daisy Schengen traf ihn in seinem Schloss mitten in der Moselstadt.
„Ich bin alles, aber kein Weinmacher, im Sinne des Englischen ‚Winemaker'“, sagt Abi Duhr über sich. Der Wein entwickele sich von allein, da brauche der Winzer nicht viel einzugreifen, so der Eigentümer von Château Pauqué in Grevenmacher. Das prächtige Gebäude ziert nicht nur die Flaschenetiketten der eigenen Produktion, es ist der Sitz der Kellerei, die der Schlossherr und studierter Önologe führt. Vor dem knisternden Kaminfeuer erzählt der Mann mit der runden Brille und dem verschmitzten Lächeln über sein Selbstverständnis als Winzer und seinen beruflichen Werdegang. Dabei zeichnet er ein Bild des Luxemburger Weinbaus zwischen höchster Qualität und neuen Marketingstrategien.
Winzer zu sein, liegt Abi Duhr in den Genen. Er stammt aus der bekannten Winzerfamilie, die unter dem Namen „Domaine Madame Aly Duhr et fils“ seit 1872 edle Tropfen zwischen Wormeldingen und Mertert an der Luxemburger Mosel herstellt. Bereits in den 80er Jahren bereiteten Abi Duhr und sein Bruder Léon den Traditionsbetrieb auf die Zukunft vor: Sie senkten die Ertragsmengen, um eine höhere Qualität der Weine zu ermöglichen, und führten eine „rigorose Vorauswahl“ ein, heißt es auf der Webseite von „Domaine et tradition“, dessen Gründungsmitglied das Unternehmen ist. Als eine der Ersten an der Mosel pflanzten die Brüder Burgunder-Rebsorten an und ließen Auxerrois, Rivaner und Elbling im Eichenfass (Barrique) reifen.
Stellschrauben für einzigartige Weine
Seit 1988 arbeitet der Weinbauingenieur Abi Duhr hauptberuflich als Winzer, erzählt er. Die Trauben für das Château Pauqué, die Kellerei, die er führt, kommen von Weinbergen zwischen Schengen und Mertert, jedoch werden sie hauptsächlich rund um Grevenmacher angebaut.
Bekannt ist der Winzer für den Ausbau von Weißweinen, insbesondere Auxerrois, im Barrique-Fass. Bei ihm bekommt auch der Crémant sechs Jahre Reifezeit in der Flasche verordnet, bevor er in den Verkauf geht. „Mit der Zeit verändern sich die Champagnerbläschen und verleihen dem Endprodukt seinen einzigartigen Geschmack“, verriet er in einem früheren Tageblatt-Gespräch.
Vor seiner Winzerkarriere unterrichtete Abi Duhr Biologie und Chemie, zuletzt am Lyzeum für Hotellerie und Tourismus in Diekirch. Dort brachte er den Schülern die einzelnen Weinregionen näher, bereitete sie auf die Kunst der Weinverkostung vor und vermittelte ihnen ein Gespür für die „perfect matches“ von Gerichten und Weinsorten.
Kenner bezeichnen Duhrs Weine als einzigartig. Dafür gibt es eine einfache Erklärung, sagt er. Wein zu machen, sei nicht schwer: Gepflückte Trauben werden verarbeitet und gären gelassen. „Wären da nicht die berühmten Stellschrauben.“
Gratwanderungen
Die Grundlage für ein gutes Produkt lässt sich während der Traubenlese legen. Hat man es mit einer krankheitsanfälligen Sorte zu tun, muss bei der Lese auf die Auswahl gesunder Trauben besonders geachtet werden. „Ein Winzer ist nur so gut wie die Menschen, die im Weinberg arbeiten.“ Arbeiten sie sorgfältig, wird auch das Ergebnis gelingen. „Tun sie das nicht, wird es kompliziert für das Endprodukt“, fasst Duhr zusammen. Seiner Meinung nach muss der Winzer spüren, was sich aus den Trauben machen lässt. „Ob seine Entscheidung richtig ist, das weiß er erst, wenn das Produkt fertig ist.“
Entscheidet sich der Winzer dazu, abzuwarten, verhält es ähnlich wie mit dem Wetter. Manchmal ist der richtige Zeitpunkt zum Abfüllen da, ohne dass er sich vorher so abgezeichnet hätte. Das sind die „Gratwanderungen, die man als Winzer durchmacht – mal euphorisch, mal depressiv, wie der Wein, der je nach ‚Laune‘ auch so schmeckt“, sagt Duhr.
Im Klartext heißt das, dass Duhr selbst den Prozess etwas länger hinauszögert als andere Winzer. Im Gegensatz zu seinem Bruder, der manchmal drei Mal täglich in den Keller ging, um die Entwicklung des Weines zu überprüfen, weiß er, dass innerhalb von vier Stunden nichts im Tank passiert.
Zwei, drei Wochen abwarten, erst dann lassen sich Veränderungen feststellen. „Die Frage ist, will man als Winzer so viel Geduld aufbringen oder will man sofort die Arbeit beenden und das Ergebnis in der Hand halten.“ Jeder Winzer hat seine eigene Herangehensweise.
Winzer mit Erfolg
Ob er ein ganz geduldiger sei, weiß Abi Duhr nicht. Da er anders beruflich eingespannt war, konnte er sich nur in seiner Freizeit um den Wein kümmern. Möglicherweise habe er dadurch „Überreaktionen auf bestimmte Prozesse“ vermieden, sagt er schmunzelnd und prüft, ob sein Gegenüber die feine Prise Duhr’schen Sarkasmus verstanden hat.
Warum er heute Wein auf seine eigene Art und Weise herstellt, liegt an den Erfahrungen, die er in anderen Regionen gesammelt hat. „Bordeaux kenne ich wie meine Westentasche“, erzählt Duhr. Jedes Jahr weilt er dort, um die „Primeurs“ vorab zu verkosten; oft berichtet er in Weinmagazinen darüber. Das professionelle Interesse an den Produkten der anderen rührt auch durch den Weinhandel, den er neben der Kellerei betreibt.
Bei den Besuchen lernt man vor allem andere Produkte und interessante Ausbaumethoden kennen, die einen dazu inspirieren, sie selbst auszuprobieren. Das Einzige, das Abi Duhr ausprobierte, war der Ausbau von Weißweinen in Barrique-Fässern. Das „Domaine Madame Aly Duhr et fils“, wo er herkommt, war der erste Betrieb, der die Methode in Luxemburg angewendet hat, erzählt der Winzer.
„Das ist auf meinem Mist gewachsen“, sagt Duhr mit dem ihm eigenen Humor. Er kam aus Bordeaux zurück, hatte die Methode dort bei einem Freund kennengelernt, der damit in Frankreich das Keltern der Weißweine revolutioniert hatte. Der Winzer aus Luxemburg nahm die Erfahrung mit nach Hause, wie man die Barriques einsetzt, wann man den Wein dorthin abfüllt.
„Das ist auf meinem Mist gewachsen“
Abi Duhr scheint weder ein Winzer aus Leidenschaft zu sein, noch weil es die jahrhundertealte Familientradition so befahl. „Das ist ein Job wie ein anderer“, sagt er ganz pragmatisch. Wäre er Zahnarzt geworden, könnte er keine interessanten Gespräche führen wie jetzt bei Verkostungen von seinen Weinen.
Was Neuentwicklungen in seinem Beruf betrifft, so lässt sie Duhr unter einer Bedingung zu: „Ich bin offen für Neues, nur wenn ich überzeugt bin, dass es mich und meine Stilistik vom Wein weiterbringt.“
Aufgrund der Ergebnisse einer Studie über den Zustand des Luxemburger Weinbaus im Juni 2017 entstand ein neues Organ, dessen Aufgabe es ist, Strategien zu entwickeln, wie Luxemburger Weine künftig besser vermarktet werden können. Im Zuge der neuen Strategie wurde Ende 2018 eine „neue, gemeinsame Identität“ vorgestellt, womit Luxemburgs Weine und Crémants ab sofort einheitlicher auftreten und so direkt mit ihrer Herkunft verbunden werden. Ein neues Logo, das sich aus einer stilisierten Traube, einem Wein- und Crémantglas, dem „X“ aus dem Slogan „LuXembourg – Let’s make it happen“ sowie der Bezeichnung „Vins & Crémants de Luxembourg“ zusammensetzt, sollte ein neues Werbezeitalter für die Produkte aus Luxemburg einläuten.
Zu klein, um ein Global Player zu sein
Kann das Konzept nach Meinung des erfahrenen Winzers gelingen? Das neue Logo begrüßt Duhr. Damit wäre es an die neue Zeit angepasst. Vorher zierte eine stilisierte Sonne die Flaschenhälse von Weinen und Crémants. „Die Sonne aus den 50er Jahren muss nicht mehr sein“, sagt der Winzer. Und auch die ehemalige „Commission de promotions des vins et crémants“, die Vorgängerin der jetzigen Koordinationsstelle, habe gut funktioniert. Aber nur lokal. Und das sei das Problem.
„International bewegen wir gar nichts. Unser Land ist zu klein, um Marketing aufzubauen, das eine spürbare Auswirkung auf internationalem Niveau haben kann“, ist Duhr überzeugt. Vor Jahren hat er in einem Interview mit der New York Times gesagt: „Ich bin nicht Coca-Cola.“ Damit meinte er, dass er als Winzer nicht über Marketing seinen Wein verkaufen könne.
Seine Aussage von damals bildet eine gewisse Parallele zur Situation hierzulande. Um über den Marketing-Weg zur internationalen Größe aufzusteigen, braucht Luxemburg noch größere, „exorbitante“ Fonds. Dafür ist das Land zu klein. „Wir können nur Nischen besetzen“, sagt Duhr. Er habe den Eindruck, dass der Begriff Luxemburg in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Wein so „übersättigt“ sei, dass hierzulande alles getrunken werde, aber keine einheimischen Weine mehr.
Trotz der Kritik bleibt er verhalten optimistisch. „Es ist immer besser als gar nichts“, sagt er mit Blick auf die neuen Entwicklungen. Ist der „Roude Léiw“ am Flaschenhals die Lösung, die Luxemburg bekannter macht, fragt er sich. Seiner Meinung nach wäre ein QR-Code, der alle Informationen über den Wein zusammenfasst, „cleverer“ gewesen.
„Wir können nur Nischen besetzen“
Die Welt entwickelt sich ständig weiter, auch der Weinbau. „Das Problem des Luxemburger Weinbaus ist aber, dass er sich nur in Luxemburg weiterentwickelt hat.“ Außerhalb des Landes nicht, so Duhr. Und verweist dabei auf die Anfänge der Mehrwertsteuereinführung auf Weinerzeugnisse in Luxemburg. Infolge einer Mehrwertsteuerreform exportierte niemand während zwei Jahrzehnten seine Produkte ins Ausland. „Deshalb sind wir im Ausland nicht mehr präsent.“
Eine Reihe politischer und marketingbezogener Fehlentscheidungen habe demnach zum heutigen Ungleichgewicht geführt. Nachdem aus Luxemburger Sicht jahrzehntelang nur die Quantität beim Weinverkauf bzw. -export zählte und andere Regionen, wie das Elsass in Frankreich, sich schon früh ihre Herkunftsbezeichnung schützen ließen, ist es heute umso schwieriger, den Verbraucher von der Qualität der Luxemburger Produkte zu überzeugen.
Was die Zukunft des Luxemburger Weinbaus angeht, denkt Abi Duhr, dass sich in der Branche inzwischen vieles verändert hat. „Kellertechnisch sind wir in Luxemburg auf sehr hohem Niveau. In Sachen Weinbau könnte noch nachgebessert werden, um Weine zu produzieren, die auf internationaler Ebene wesentlich besser ankommen.“
Solche Veränderungen können und müssen nicht sofort umgesetzt werden. Es sind auch nicht die großen Veränderungen, die viel bewirken, sondern vielmehr die Feinjustierung der „kleinen Stellschrauben“, davon ist der Winzer aus Grevenmacher überzeugt.
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