Natur / Kolibris können unvorstellbare Farben sehen
Forscher haben Kolibris trainiert und dabei herausgefunden, dass diese Farben unterscheiden können, die Menschen sich nicht einmal vorstellen können.
Gerade jetzt, mitten im Sommer, sind die Gärten in Luxemburg bunt. Vorausgesetzt, sie wurden nicht von der Trockenheit dahingerafft, finden sich gerade rote Tomaten an den Sträuchern, und die Zwetschgenbäume tragen ihre lilafarbenen Früchte. Abhängig vom Beobachter sieht ein solcher Garten aber vollkommen anders aus. Zum einen gibt es viele Tiere, die weniger mit den Augen, dafür aber mehr mit der Nase oder ihrem Tastsinn sehen. Aber auch jene von uns, die sich hauptsächlich auf ihre Augen verlassen, sehen Unterschiedliches. Wie ist das möglich?
Unser Gehirn muss ständig tausende von Sinneseindrücken verarbeiten. Geräusche, Gerüche, Schmerzen und viele andere Eindrücke müssen zu einem Gesamtbild unserer Umwelt zusammengefügt werden. Farben sind ein Teil davon. Sie sind der Eindruck, der im Gehirn entsteht, wenn das Auge Licht in einer bestimmten Wellenlänge wahrnimmt. Rot ist die Art und Weise unseres Gehirns, uns zu sagen: „Hey, das Auge hat gerade Licht mit einer Wellenlänge von ungefähr 625 bis 740 Nanometer registriert.“
So erstaunlich unsere Augen sind, sie können nur einen sehr kleinen Teil des elektromagnetischen Spektrums wahrnehmen. Das für Menschen sichtbare Spektrum reicht von circa 400 bis 700 Nanometern Wellenlänge. Darüber liegen zum Beispiel die Infrarotstrahlung oder Radiowellen. Um sie erlebbar zu machen, braucht der Mensch Apparate. Etwa ein Nachtsichtgerät oder ein Radio.
Das Farbsehen wird durch die winzigen Sinneszellen im Auge ermöglicht – durch die sogenannten „Stäbchen“. Menschen haben in der Regel drei verschiedene Arten von Stäbchen, die jeweils auf eine andere Wellenlänge anspringen: Blauviolett, Smaragdgrün und Gelbgrün. Je nachdem, welche Stäbchen vom Licht gereizt werden, kann das Gehirn daraus eine Farbe errechnen. Werden zum Beispiel vorwiegend die sogenannten S-Zapfen angesprochen, dann weiß das Gehirn, dass es sich um die Farbe Blau handelt. Werden mehrere Farbrezeptoren angesprochen, dann berechnet das Gehirn daraus die entsprechende Farbe.
Purpur oder Violett?
Die Farbe Purpur etwa kann – anders als das sehr ähnliche Violett – definitionsgemäß keiner einzelnen Wellenlänge zugeordnet werden, sondern entsteht, wenn die S-Zapfen von sehr kurzwelligem Licht und die L-Zapfen von langwelligem Licht gereizt werden.
Nicht-menschliche Tiere können mehr oder weniger Farbrezeptoren haben. Robben und Wale etwa haben lediglich einen Farbrezeptor. Insekten, Spinnen und viele Vögel haben jeweils einen vierten, der es ihnen ermöglicht, UV-Strahlung zu sehen. Auch beim Menschen ist die Zahl der unterschiedlichen Zapfen nicht in Stein gemeißelt. Ihre Zahl kann variieren – und das biologische Geschlecht spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Fehlen Zapfen eines Typs oder sind sie defekt, dann spricht man von Farbenblindheit oder Farbenschwäche. Männer sind hiervon wesentlich öfter betroffen als Frauen. Die Gene der für Rot und Grün zuständigen Sehzellen liegen auf dem X-Chromosom. Frauen sind nur dann rot-grün-farbenblind, wenn ihre beiden X-Chromosome mit einem ähnlichen Defekt behaftet sind, während Männer farbenblind sind, wenn ihr einzelnes X-Chromosom defekt ist. Tritt der Fehler nur auf einem Chromosom auf, dann kann bei Frauen das andere Chromosom einspringen.
Umgekehrt hat ein nicht zu vernachlässigender Anteil von Frauen nicht drei, sondern vier verschiedene Zapfen. Rund 12 Prozent der Frauen in Europa haben diese Veränderung. Wer dadurch allerdings ein altes Klischee bestätigt sieht, dass Frauen mehr Farben wahrnehmen als Männer, der wird enttäuscht. Medizinische Tests haben ergeben, dass die allermeisten Menschen mit vier Farbrezeptoren nicht mehr Farben wahrnehmen als andere. Eine Studie aus dem Jahr 2010 konnte lediglich eine Frau ausfindig machen, die ihre zusätzlichen Zapfen nutzen konnte, um mehr Farben zu unterscheiden.
Grün oder Ultraviolett-Grün?
Zu den Vögeln, die vier Zapfen haben, gehören die Kolibris. Neben Rot, Grün und Blau können die kleinen Vögel auch Ultraviolett erkennen. Das ist in der Tierwelt nichts Ungewöhnliches. Forscher haben sich allerdings nun dafür interessiert, wie genau Kolibris ihre Umwelt wahrnehmen. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass Kolibris nicht nur Ultraviolett sehen, sondern auch Mischungen, die für Menschen unvorstellbar sind, wie Ultraviolett-Grün und Ultraviolett-Rot. Ihre Ergebnisse haben sie im Juni veröffentlicht. „Im Vergleich zu Vögeln und anderen Tieren ist der Mensch regelrecht farbenblind“, sagte die am Projekt beteiligte Forscherin Mary Caswell Stoddard von der Abteilung für Ökologie und Evolutionäre Biologie an der Universität in Princeton in einer Veröffentlichung ihrer Uni. Die Forscher haben die Vögel für ihr Experiment dressiert: „Die meisten detaillierten Wahrnehmungsexperimente an Vögeln werden im Labor durchgeführt, aber wir laufen Gefahr, das Gesamtbild zu verpassen, wie Vögel das Farbsehen in ihrem täglichen Leben wirklich nutzen“, sagte Stoddard. „Kolibris sind perfekt für das Studium des Farbsehens in der freien Natur. Sie haben sich so entwickelt, dass sie auf Blütenfarben reagieren, die eine Nektarbelohnung ankündigen, sodass sie Farbassoziationen schnell und mit wenig Training lernen können“, sagte Stoddard. Die Forscher fanden heraus, dass die Kolibris zielsicher zwischen Grün und Ultraviolett-Grün unterscheiden können. Für Menschen sehen beide Farben exakt gleich aus.
In einer ganz anderen Klasse spielen Fangschreckenkrebse („Mantis Shrimps“). Zum einen sitzen ihre Augen auf Stielen und können unabhängig voneinander bewegt werden. Jedes Auge ist dazu in drei Bereiche eingeteilt. Das ermöglicht es ihnen, mit jedem Auge räumlich zu sehen. Einige Fangschreckenkrebse haben nicht drei oder vier, sondern 16 verschiedene Farbrezeptoren. Das sichtbare Spektrum liegt für Fangschreckenkrebse zwischen 300 und 720 Nanometer – ist also um einiges breiter als beim Menschen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass das sehr komplexe Auge den Fangschreckenkrebsen dabei hilft, ihr Gehirn zu entlasten. Eine Theorie besagt, dass die Krebse kommunizieren, indem sie Licht mit ihren Antennen reflektieren.
Die „Farbe“ Schwarz entsteht übrigens durch die Abwesenheit von Licht. Wenn eine Oberfläche alles Licht schluckt, erscheint sie schwarz. Ein T-Shirt oder Jeans sind deshalb auch nie komplett schwarz, da sie immer noch ein wenig Licht reflektieren. Das dunkelste Schwarz, das derzeit auf der Erde existiert, ist das sogenannte „Vantablack“, das von der Firma Surrey NanoSystems hergestellt wird. Das Mittel besteht aus Kohlenstoff-Nanoröhren und schluckt 99,965 Prozent des einfallenden Lichts. Mögliches Einsatzgebiet sind sehr präzise optische Geräte (wie Weltraumteleskope), die innen damit beschichtet werden könnten, damit in den Bildern keine Störungen durch Reflexionen entstehen.
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