Forum / Der Hetzer will ein Gehetzter sein: Wie zwei rechtsextreme Parlamentarier die Sprache zerstören
Eine Schuldirektorin drückt im Rahmen einer Diplomüberreichung ihre Besorgnis über zunehmende Angriffe auf die Demokratie aus. Ihre nüchtern-sachliche Stellungnahme ruft sofort den ADR-Abgeordneten Keup auf den Plan. Dieser will vom Unterrichtsminister wissen, ob hier nicht „Hetz géint riets Politik“ betrieben wird. Zudem wirft er der Schuldirektorin vor, ihr Amt für private politische Einlassungen zu missbrauchen.
Fast zeitgleich beschwert sich der ADR-Abgeordnete Weidig über offiziell gehisste Regenbogenfahnen vor dem Parlamentsgebäude und fragt, ob hier die Abgeordnetenkammer nicht ihre „Pflicht zur Neutralität“ verletze. Die beiden Einmischungen haben etwas gemeinsam: Sie zeigen unmissverständlich, dass die rechtsextreme Partei ADR vor keiner Unerträglichkeit mehr zurückschreckt.
Keup und Weidig geben immer wieder vor, sich leidenschaftlich für den Erhalt der Sprache einzusetzen (die luxemburgische, wohlgemerkt). Ihr scheinbares Engagement ist allerdings nur ein gegen Ausländer gerichtetes patriotisches Scheingefecht, das mit der kommunikativen Funktion von Sprache überhaupt nichts zu tun hat. Tatsächlich verhunzen die beiden Populisten nach Kräften dieses wichtige Verständigungsmittel. Sie misshandeln die Sprache, indem sie den ursprünglichen Sinn von Begriffen umdeuten, um nachhaltig Verwirrung zu stiften.
Das Ende aller Kritik
Dass die Luxemburger Sprache nur als Keule gegen Zugewanderte benutzt wird, hat Keup neulich krass bewiesen. Als Polizisten einen Kollegen, der unserer Sprache nur bedingt mächtig ist, schwer rassistisch beleidigten („D’Police hëlt awer och all Schäiss“), wandte sich Keup beflissen an den Polizeiminister, um Folgendes zu erfahren: Wie steht es um die Luxemburgischkenntnisse der Polizisten? Wird ihre Sprachkapazität ausreichend kontrolliert? „Wie tief kann man eigentlich sinken?“, schrieb Armand Back im Tageblatt zu diesem perfiden Vorstoß. In der Tat: Hier wird nicht der sprachlich leicht schwankende Polizist in Schutz genommen. Keup legitimiert viel mehr die Rassisten, indem er ihre Anwürfe als Verteidigung des Lëtzebuergeschen darstellt.
Ein Bekenntnis zur Demokratie, wie es von der Schuldirektorin vorgetragen wurde, hat laut Keup als „Hetze“ zu gelten. Und zwar nur, weil es sich sinngemäß gegen die Ausschreitungen der extremen Rechten richtet. Denkt man diese verquere Logik zu Ende, kann man nur zum Schluss kommen, dass Keup das Ende aller Kritik fordert. Die ADR kritisieren heißt dann, „Hetze betreiben“. Der Kritikerin muss folgerichtig ein Maulkorb verpasst werden. Nur was die ADR von sich gibt, ist als richtig und unwiderlegbar einzustufen.
Jetzt ist immerhin klar, wie die großformatigen ADR-Wahlkampfplakate mit dem Spruch „Fir d’Meenungsfräiheet“ im Nachhinein zu interpretieren sind: Meinungsfreiheit steht exklusiv den Rechtsextremisten zu. Wenn andere von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen, werden sie sofort als Hetzer stigmatisiert. Auf der gleichen Linie liegt Weidigs Vorwurf der „Neutralitätsverletzung“. Das Parlament unterstreicht mit seiner Regenbogenfahnen-Aktion lediglich, dass es zu aktenkundigen Konventionen steht. „Neutralität“ wäre demnach in letzter Konsequenz, demokratische Abmachungen zu leugnen. Was Weidig nicht in den ideologischen Kram passt, darf nicht öffentlich thematisiert werden. Hier wie dort setzen die beiden Rechtsextremen die Axt an der Sprache an. Allgemein verständliche Begriffe wie „Hetze“ und „Neutralität“ werden gezielt vernebelt, indem ihnen eine völlig konträre Bedeutung zugeschustert wird.
Täter-Opfer-Umkehr
Diese gezielte Sprachverzerrung und Sinnentleerung haben Keup und Weidig unmittelbar beim amerikanischen Faktenleugner Trump abgekupfert, der ein Meister der Täter-Opfer-Umkehr ist. Wenn die Geister, die er rief, aktiv werden und ihm selber plötzlich die Kugeln um die Ohren fliegen, setzt er heuchlerisch auf weltweites Mitgefühl. Der oberste Waffenpropagandist erfährt am eigenen Leib, wohin seine Gewaltrhetorik führt, und rettet sich mit verlogener Betroffenheit in einen verdächtigen Sentimentalismus. Alle sollen ihn plötzlich bedauern. Was ist denn mit den unzähligen Angeschossenen, Schwerverletzten, Getöteten in den USA, all den unbekannten Opfern des von Trump geförderten Waffenwahns? In ihrem Fall heißt es nur: Pech gehabt. Der verantwortliche Hetzer hingegen, ein gnadenloser Opportunist, legt es darauf an, sich als schuldloser Gehetzter zu profilieren.
Unterrichtsminister Meisch hat Keups Unterstellung mit aller Schärfe öffentlich zurückgewiesen. Es ehrt ihn, dass er energisch auf unverhandelbare demokratische Positionen und Errungenschaften verweist. Aber für Keup hat diese notwendige Klarstellung voraussichtlich keinerlei Konsequenzen. Er wird sich, genau wie Weidig, keiner Aufforderung zur Vernunft beugen, denn die demonstrativ dargebotene Unvernunft ist das einzige politische Kapital der ADR. Was zur Frage führt, welche Instrumente der demokratisch verfasste Staat eigentlich zur Hand hat, um derlei demokratiefeindlichen Wiederholungstätern über die formale Zurechtweisung hinaus endgültig das vermeintliche Recht auf Hetze zu entziehen.
Als Präsident eines Fußballvereins müsste Keup, der sein sportliches Amt immer wieder elektoral ausschlachtet, eigentlich wissen, wie mit Spielern verfahren wird, die auffällig gegen Regeln verstoßen. Auf ein schweres Foul folgt nicht nur der Platzverweis, sondern auch die Suspendierung für das nächste Spiel. Diese Prozedur wäre ein gutes Vorbild fürs Parlament. Falls die beiden fortfahren, sich immer wieder über demokratische Vereinbarungen hinwegzusetzen, sollten sie vom Parlament sanktioniert werden. Natürlich mit entsprechender Gehaltskürzung.
- Sandy Artuso macht mit „Queer Little Lies“ Esch zum queeren Kultur-Hotspot - 26. November 2024.
- Gewerkschaften und Grüne kritisieren „Angriffe der Regierung“ auf Luxemburgs Sozialmodell - 26. November 2024.
- Sozialwohnungen statt Leerstand: Was die „Gestion locative sociale“ Eigentümern bieten kann - 26. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos