/ Betont cool ist uncool – Weshalb sich Frank Engel und die CSV verbiegen
Der Zeitgeist lebt vom uncoolen Coolsein. Und was will die CSV? Cool sein. Während die jüngeren Semester mit kitschigen Hornbrillen, schlecht sitzenden Pullis, hässlichen 80er-Jeans und Rückenschmerz-Turnschuhen herumlaufen, versucht die CSV, ihr Image aufzupolieren. Besonders ironisch: Die Hipstergeneration wäre mit ihrem Hang zur Nostalgie und den uncoolen „Dad Sneakers“ ein gefundenes Fressen für die konservative Partei. Sie lässt die Vergangenheit aufleben.
Wo liegt also das Problem, wenn der neu gewählte CSV-Präsident Frank Engel fordert, seine Partei solle wie die Piraten oder „déi gréng“ „cool“ werden? Weil es den Hipstern wie fast jeder Jugendbewegung darum geht, sich vom obercoolen Mainstream abzugrenzen. Geschenkt. Und obwohl ihr Lebensstil massenkompatibel ist – Holzfällerhemden, Jutesäcke und Smoothies sind nicht gerade klassisch revolutionäre Erscheinungen –, hat diese Gegenkultur etwas Fortschrittliches. Etwas, von dem besonders die Grünen profitieren und das fast jede Partei imitieren will. Selbst angepasste Hipster versuchen jenseits von all den Wachstumsdebatten dem modernen Lebensrhythmus entgegenzuwirken: ernst gemeinte Entschleunigung, tiefgreifende Entspannung und ökologische Avantgarde. Die Rebellion gegen die Masse und der Wunsch eines Untergrunds gegen das mehrheitlich getragene System – klingt nicht gerade nach CSV, nicht wahr?
Doch genau diese Erkenntnis akzeptieren Politiker wie Engel nicht. Sie wollen Teil „cooler“ Mainstream-Volksparteien sein, wünschen sich aber ein avantgardistisches Image. Dabei ist Engel selbst das „Enfant terrible“ seiner Partei und hat das Zeug zum charismatischen Querdenker. Allerdings stehen die von ihm verkörperte und seine geforderte Coolheit im Widerspruch zueinander. Niemand erwartet von der CSV Bambuszahnbürsten und Punkrock. Viel subversiver sind hingegen Engels gesellschaftliche Beobachtungen wie jene jüngst im Interview mit RTL Radio: „Et gëtt déi Plazen net méi, wou e ,Spautze Jang‘ hierkoum.“ Volltreffer. Was im Kern stimmt, wirkt mit Blick auf seinen Amtsvorgänger Marc Spautz und dessen Vater aber wie politisches Nachtreten.
Und genau dieser leicht ruppige Charakterzug Engels stellt für die biedere CSV wohl künftig die größte Herausforderung dar. Besonders spannend wird sein Verhältnis zur CSV-Fraktionschefin Martine Hansen sein. Parteipräsident und Fraktionsspitze konkurrieren trotz unterschiedlicher Aufgabenverteilung miteinander. Der Parteipräsident ist das Gesicht der Partei, kann aggressiver auftreten und genießt eine gewisse Narrenfreiheit. Der Fraktionschef muss hingegen seine Fraktionsmitglieder bei Laune halten, ist stark in den Medien präsent und bleibt trotz allen Gebells das Bindeglied zwischen eigener Partei und den restlichen Kräften der Chamber. Engel scheint sich des Reibungspotenzials bewusst zu sein. In besagtem RTL-Interview meinte er: „Dem Martine säi Stil a mäin sinn net sou ganz vill anescht.“
Sollten sich die beiden in die Quere kommen, war es das wohl ganz mit der Coolheit.
- Der Schattenboxer Xavier Bettel - 14. Juli 2022.
- Die Impfpflicht: Wer setzt sich in Luxemburg durch? - 7. Juli 2022.
- Luxemburgs halbherzige Sanktionspolitik - 17. Juni 2022.
Was heisst cool? Etwa, dass man auf souverän macht, ohne es wirklich zu sein ? Oder ist es das, was der Franzose gemeinhin unter “ sans état d’âme “ bezeichnet ? Ein Politiker sollte authentisch sein, Gefühle zeigen ohne gleich pathetisch zu wirken. Schade, dass laut Engel, einem Bürger aus kleinen Verhältnissen der mühsame Weg in die Politik verwehrt ist. Sollte das zutreffen und anscheinend ist es der Fall, wird ein grosser Teil unserer Bevölkerung nicht mehr im Parlament vertreten sein. Der frisch gekürte Vorsitzende der CSV ist jetzt schon ein “ président terrible “ und wird noch für viel Wirbel sorgen. Vorsicht: hohle Fässer tönen am lautesten. Demnach wäre Engel der berühmte Wolf im Schafspelz. Aber er hat ja eine Verbündete oder Kontrahentin, je nachdem, in der Fraktionspräsidentin Hansen, die bekanntlich nicht auf den Mund gefallen ist. In der CSV ist demnach für Abwechslung und Spannung gesorgt. Zumindest in absehbarer Zukunft.
CSV? „Geschenkt“. Hipster? Naja, ob eine Lifestyle-Obsession tatsächlich etwas „Fortschrittliches“ an sich hat oder eher die nächste Generation an „idiots utiles“ eines globalisierten und digitalisierten Neoliberalismus produziert, sei mal dahin gestellt…