/ Die Schattenkammer: Über den intransparenten Staatsrat
Wenn Politiker wichtige Entscheidungen treffen, haben sie meistens einen erhöhten Mitteilungsdrang. Entweder berufen sie eine Pressekonferenz ein, kontaktieren Journalisten oder versuchen, sich gleich in die Redaktionen einladen zu lassen. Als vergangene Woche die Regierung die neue Präsidentin des Staatsrats ernannte, gab es keinen Anruf, keine Pressekonferenz und auch keinen Tweet. Lediglich im allerletzten Satz eines zweiseitigen Berichts des Ministerrats wurde erwähnt, dass Agnès Durdu neue Präsidentin des Staatsrats sein wird. Das überrascht. Immerhin ist der Staatsrat eine der wichtigsten Institutionen der konstitutionellen Monarchie Luxemburgs. Ein zentrales Organ der Gesetzgebung. Doch beim Staatsrat hat diese diskrete, fast geheime Vorgehensweise System. Und das ist ein Problem.
Die Kritik am Staatsrat ist eigentlich so alt wie die Institution selbst. König-Großherzog Wilhelm III. hat ihn 1856 geschaffen im Zuge dessen, was Historiker als Restauration bezeichnen. Das Ziel: die demokratische Verfassung von 1848 auszuhebeln. Das Mittel: eine oktroyierte Verfassung. Und dazu gehörte auch die Schaffung einer zweiten Kammer mit treuen Satrapen des Monarchen als Gegengewicht zur ersten Kammer, dem Parlament. Die Geschichte des Staatsrats hätte eigentlich schon nach zehn Jahren zu Ende sein können. Denn durch den Londoner Vertrag von 1867 musste eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. Und der Staatsrat hat im Oktober des gleichen Jahres etwas vorgeschlagen, das eigentlich selten vorkommt: Er sprach sich für die eigene Abschaffung aus. Anstelle des Staatsrats sollte ein Senat entstehen: eine demokratisch gewählte zweite Kammer. Doch das Parlament war dagegen, Luxemburg sei zu klein für zwei richtige Kammern.
Seither ist der Staatsrat mehrmals reformiert, sein Auftrag neu definiert und seine Befugnisse sind gestutzt worden. Zuletzt 2017. Doch das Problem der „irgendwie“ zweiten Kammer bleibt. Denn anders als in den Nachbarländern ist der Staatsrat nicht nur ein rein beratendes Organ von Experten, die Gesetzesvorlagen auf ihre Vereinbarkeit mit geltendem Recht prüfen, sondern er kann auch aktiv in den Gesetzgebungsprozess eingreifen. So übernimmt der Staatsrat die Funktion einer zweiten Kammer, indem er nach der Verabschiedung eines Gesetzes im Parlament durch „opposition formelle“ eine erneute Abstimmung erzwingen kann.
Jeder einzelne Satz eines Gesetzes wird zudem vom Staatsrat überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Das hat dazu geführt, dass Abgeordnete und Minister sich auf die nebenberufliche Arbeit der Mitglieder im Staatsrat verlassen. Oder wie es der verstorbene Politologe Michael Schroen einmal ausgedrückt hat: „Der Staatsrat kompensiert mit seinen Diensten zu einem guten Teil den dürftigen Abgeordneten- und Fraktionsapparat und arbeitet zugleich der Regierung zu.“ Dadurch räumen die Abgeordneten dem Staatsrat jedoch eine Macht ein, die ihm eigentlich nicht zusteht. Denn hinter juristischen Einwänden verstecken sich oftmals politische Motive. Die Mitglieder sind nämlich keine reinen Experten, sondern werden nach Parteigesinnung ernannt.
Dabei weiß außer den Mitgliedern des Staatsrats niemand, wer die Gutachten verfasst. Sie sind anonym. Auch die Sitzungen sind nicht öffentlich. Was im Staatsrat passiert, bleibt im Staatsrat. Und so kontrolliert der Rat sich selbst. Das ist vormodern und eines demokratischen Verfassungsstaates nicht würdig.
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Sehr klarer Kommentar zu einer sehr unklaren Institution, die ihrem Geiste nach reaktionär ist und bleibt. Dem Land täte es gut, würde es mehr Demokratie wagen, die Kammer mit den nötigen Mitteln ausstatten um ihre Arbeit zu machen und den Staatsrat, sollte man ihn denn erhalten wollen, zu einem reinen Beratungsorgan machen. Es braucht dafür allerdings auch eine Veränderung der politischen Kultur, denn auch heute schon kann die Kammer den Staatsrat natürlich überstimmen, sie traut sich nur zu selten, dies zu tun. Der Gesetzgeber sollte sich aber nur ex post (vom Verfassungsgericht) und nicht ex ante kontrollieren lassen; alles andere ist der Institution, die das Volk vertritt, unwürdig.
Diese “ Schattenkammer “ ist so überflüssig wie ein Kropf! Die wenigsten Bürger wissen von der Existenz des Staatsrates, geschweige von seiner Alibifunktion.
Die Sachlage ist klar, so lange das Volk diese Institution nicht in direkter Wahl bestimmen kann ist er staatsrechtlich gesehen eine undemokratische Institution aus der Restauration zwecks Annullierung der Verfassung, vom Souverän geschaffen als Gegengewicht zur ersten Kammer, der Chambre des Députés. Sollte also abgeschafft werden! sine die oder direkt vom Volk gewählt werden, um Legitimität zu erhalten, die er augenblicklich nicht besitzt!.
Dat wuel witzegst beim Staatsroot ass d’Gelänner!
Do get jo awer Geld verdingt. Dei dei decideieren ween dohinner kennt waerten jo och op dei eng oder aaner Weis profiteieren. Mir sinn eng konstitutionnel Monarchie, emol keng Demokratie, awer eichter verglaichbar mat enger Bannanerepublik.
Alles gesoot Herr Schmeler Michel.