/ Klassiker und Klassiker: Über die Unterschiede von Radrennen
Was bislang der Cauberg, die Mur de Huy oder die Roche-aux-Faucons waren, sind nun der Oude Kwaremont, der Paterberg und der Koppenberg. Das Zentrum des luxemburgischen Radsports hat sich in diesem Jahr von den Ardennen-Klassikern zu den Flandern-Klassikern verschoben. Der Hauptgrund hierfür heißt Bob Jungels. Spätestens seit seinem Sieg bei Kuurne-Brüssel-Kuurne ist das Interesse an den flämischen Rennen im Großherzogtum gestiegen. So wie die Euphorie für die Ardennen-Klassiker durch die Siege von Frank Schleck 2006 beim Amstel Gold Race, von Kim Kirchen 2008 bei der Flèche Wallonne oder dem Erfolg von Andy Schleck 2009 bei Liège-Bastogne-Liège entfacht wurde.
Ob das Radsportfieber irgendwann noch einmal die Temperatur erreichen wird, die es während der Ära Schleck-Kirchen hatte, sei dahingestellt. Die Flandern-Klassiker haben jedenfalls allein durch ihre Charakteristik das Potenzial. Denn Radrennen ist nicht gleich Radrennen. Während die spannende Phase bei den Ardennen-Klassikern oftmals erst auf den letzten 20 km beginnt, sind die Rennen in Flandern häufig auf den letzten 100 km wesentlich abwechslungsreicher. Das macht sie für Radsport-Laien interessanter.
Aber auch das Drumherum unterscheidet sich. So unterschiedlich die Radrennen von den Profilen her sind, so unterschiedlich ist auch das Publikum. Die Tour de France zum Beispiel ist mittlerweile so kommerzialisiert, dass ein großer Teil der Zuschauer sich vorrangig wegen der Werbekarawane an die Strecke begibt. Beim Giro d’Italia hingegen trifft man auf fachkundige Radsportromantiker. Ein Fausto Coppi, Gino Bartali und auch ein Charly Gaul werden wie Heilige verehrt. Das trifft sogar auf einen Marco Pantani zu, der zwar als Dopingsünder überführt wurde und weltweit eher einen zweifelhaften Ruf genießt, in Italien jedoch auch nach seinem Tod 2004 immer noch als Nationalheld gefeiert wird.
Bei den Ardennen- und Flandern-Klassikern trifft man zum großen Teil ebenfalls auf ein sehr fachkundiges Publikum, das es versteht, zu feiern. Wobei die Rennen in Flandern, wo der Radsport auf eine lange Geschichte zurückblickt, noch feuchtfröhlicher ausfallen als in den Ardennen. Die Sieger der Flandern-Rundfahrt oder von Paris-Roubaix werden wie Rockstars gefeiert. Ein Tom Boonen oder Fabian Cancellara genießen Heldenstatus.
Ob ein Bob Jungels es irgendwann einmal in ihre Gefilde schaffen wird, ist noch ungewiss. Er bestreitet gerade seine erste komplette Flandern-Kampagne. Doch mit seinen Leistungen aus den vergangenen Wochen hat er es bereits geschafft, die Flandern-Klassiker in Luxemburg populärer zu machen, die früher eher nur etwas für Radsportkenner waren.
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Immerhin hat Bob Jungels letztes Jahr auch Liège–Bastogne-Liège gewonnen. Und am Sonntag wird man wohl sehen!