/ Vom Sterben der Festivals in Luxemburg: „Food For Your Senses“ geht, die Banken bleiben
Eigentlich ist Luxemburg eine perfekte Illustration davon, dass das Metanarrativ des Kapitalismus, an dessen Ende die Bereicherung aller Menschen stehen soll, nicht aufgeht. Weil die Bereicherung stets auf Kosten anderer geht – und weil Reichtum seinen Preis hat.
Die luxemburgische Hauptstadt hat alle Nachteile, aber fast keine der Vorteile einer Großstadt: Die öffentlichen Verkehrsmittel stehen zwischen der Provinzialität der Fahrzeiten und den Großstadtvisionen der Stadtplaner. Die Stadt ist mit Baustellen gepflastert, die Wohnungspreise sind unverschämt, tagtäglich steht ein jeder stundenlang im Stau, die Restaurants sind überteuert, wer am Wochenende zu später Stunde noch ausgehen will, landet stets im „Gudde Wëllen“, weil es die einzige alternative Kneipe in einer fantasielosen Stadt ist.
Das Klischee eines Ortes, der mehr Finanzplatz als Nation ist, wird im Ausland immer noch gesponnen, da hilft auch das Narrativ einer nationalen Identität nicht wirklich.
Nur im kulturellen Angebot hat Luxemburg viel zu bieten und kann durchaus mit den großen Nachbarn mithalten: Marco Godinhos Pavillon auf der Biennale galt als einer der Favoriten auf den Goldenen Löwen, in Cannes sahnten zwei luxemburgische Koproduktionen Preise bei „Un certain regard“ ab.
In diesem Kontext ist das Verschwinden des Festivals „Food For Your Senses“ nicht nur zu bedauern, sondern stellt auch das symbolische Ende einer Ära dar. Die Ironie, dass das Festival gerade im Finanzzentrum auf dem Kirchberg einen dauerhaften Platz gefunden zu haben schien, schwingt etwas bitter mit: Das Festival geht, die Banken bleiben. Das auf dem Gelände organisierte Rundgespräch über die Zukunft der Festivallandschaft Luxemburgs war wichtig, die Diagnosen der Teilnehmer akkurat – und dennoch ändert dies nichts an der Gegebenheit, dass das Festivalsterben in Luxemburg bisher kaum durch die Entstehung neuer, gleich ambitionierter Events kompensiert wurde.
Mit dem „Food For Your Senses“ verschwindet aber auch ein Festival, das den Minderwertigkeitskomplex der Luxemburger gegenüber ihren eigenen kulturellen Produktionen dämpfte: Da, wo man beim „Rock-A-Field“ stets zwischen den Zeilen des Zeitplans lesen konnte, dass die hiesigen Bands bloß als Füllmaterial fungierten und meist zur frühen Stunde vor noch relativ leeren Rängen spielten, hatte das FFYS am Samstag sechs luxemburgische Bands als Headliner im Angebot und als schlagendes Herz der ganzen Programmierung dargestellt. Was teilweise nicht nur symbolisch Sinn macht: Das beste Konzert der letzten Auflage des „Rock-A-Field“ spielten nicht etwa die Headliner Muse, sondern Mutiny On The Bounty – gegen 17 Uhr.
Denn es soll ja auch nicht darum gehen, positive Diskriminierung auszuüben und eine durchschnittliche lokale Band die große Bühne um 23 Uhr bespielen zu lassen, nur um Nationalstolz in kulturellen Quoten durchscheinen zu lassen. Diese Art von angenehm unpatriotischem Selbstvertrauen einer blühenden Kulturszene muss alleine deswegen weiterhin gefördert werden, weil an anderen kulturellen Stellen Luxemburg weiterhin hauptsächlich als Finanzpartner interessant zu sein scheint: In den in Cannes gezeigten Koproduktionen suchte man, abgesehen von den Produzenten, den Einfluss von luxemburgischer Kreativität vergebens – es gab keine luxemburgischen Schauspieler, Regisseure oder Autoren, die an diesen Filmen beteiligt waren.
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Dem Großteil des Artikels kann man eigentlich zustimmen, doch eines ist mit Sicherheit nicht korrekt: „wer am Wochenende zu später Stunde noch ausgehen will, landet stets im „Gudde Wëllen“, weil es die einzige alternative Kneipe in einer fantasielosen Stadt ist“.
In letzter Zeit gab es immer mehr richtig agbefahrene Venues in vielen verschiedenen Lokalen der Stadt, die definitiv zur Fantasieentwicklung „eiser Stad“ beigetragen haben. Man möge sich z.b. Rocas, Liquid, The Room, Spot 48 anschauen, die sehr oft zu später Stunde noch auf haben und auch ein dezentes Aufgebot vorzeigen. Mehrheitlich elektronische Musik auf hohem Niveau sind im The Room und Spot 48 vorzufinden und melodischen und klangvollen Jazz und Blues z.b. im Liquid. Rocas bietet viel Variation mit Metal, Elektro, Indie und Jazz Events. Dass die Stadt mit einer Großstadt wie Berlin oder London nicht mithalten kann, ist jedem, der Größenproportionen versteht, klar, jedoch hat man in den letzten Jahren, insbesonders rundum kleineren Events in Kneipen, Cafes und „Clubs“, einen positiven Aufschung zu vermerken.
Ich frage mich noch immer warum es in Bissen nicht mehr mit dem FFYS geklappt hat. Ist es das Grundstück von Google?
Mensch, nun seien sie doch nicht so negativ. Ist es denn anderswo besser? Immer der Hinweis auf die Provinzialität auf die nicht vorhandene Nation. So ein Pech auch hier geboren zu sein und festzusitzen ohne Aussicht auf die große weite Welt.