Der Wahlflüsterer / Jeder ist sich selbst der Nächste: Über die Wandlung der Politiker in Wahlkampfzeiten
Man kann ihnen nicht mehr entkommen. Sie sind überall. Ob im Radio, im Fernsehen oder in Zeitungen, der Wahlflüsterer sieht und hört überall Politiker oder solche, die es einmal werden wollen. Dabei stellt der Wahlflüsterer eine Wandlung dieser besonderen Spezies fest, die vor allem auf Regierungspolitiker zutrifft. Der Großteil der Legislaturperiode lief nach dem Motto „Die Mannschaft ist der Star“. Mittlerweile scheint jeder sich selbst der Nächste zu sein, sodass nicht nur die Koalition, sondern auch die eigene Partei mal in die zweite Reihe rücken muss. Da macht sogar der Kapitän keine Ausnahme. „ECH refuséieren, dass mir musse Sue léine goe fir eng Steierreform“, meinte Premierminister Xavier Bettel vor wenigen Tagen im Interview mit dem Radiosender 100,7. Hat sich die DP etwa Xavier Bettel angepasst?
Bis er Polizeiminister Henri Kox vor Wochen bei RTL hörte, dachte der Wahlflüsterer in seiner ganzen Naivität, dass wichtige Entscheidungen innerhalb der Regierung entschieden werden und nicht allein beim zuständigen Minister liegen. Als es um Bodycams und die nötigen Mittel für Polizisten ging, sagte Kox: „… awer mer mussen och hinne Moyene ginn. An dat hunn ECH jo och gemaach …“ Der Mann scheint ein echter Macher zu sein.
Nicht nur Regierungspolitiker haben das „Wir“ im Wahlkampf aufgegeben. Auf Facebook stieß der Wahlflüsterer zuletzt immer wieder auf kleine Videos vom CSV-Abgeordneten Michel Wolter. Der muss seine Posts jetzt auch noch selbst bewerben, da seine Partei anscheinend ausschließlich auf die Spitzenkandidaten setzt.
Aber nicht alle Politiker verändern sich im Wahlkampf. Wer schon in normalen Zeiten populistische Züge aufweist, der hat es in dieser stressigen Zeit deutlich leichter. Oberpirat Sven Clement reiste in den vergangenen Monaten gleich zweimal nach Brasilien und warb um die Stimmen der rund 26.000 Luxemburger, die dort leben und zum größten Teil nichts mit Luxemburg am Hut haben. Am Ende sind es lediglich 188 Luxo-Brasilianer, die per Briefwahl abstimmen werden. Als eine RTL-Journalistin ihn auf dem Kongress seiner Partei darauf ansprach, ob es nicht doch etwas viel Aufwand für die paar Stimmen gewesen sei, meinte Clement, dass deutlich mehr Anfragen angekommen seien.
Diese seien abgewiesen worden, weil die Regierung nicht in der Lage gewesen sei, diesen Leuten einen Pass auszustellen. Mit Nachdruck erklärte Clement: „Dementspriechend wësse mer, dass eng Honnerten Demanden erakomm sinn, déi aus deem Grond refuséiert goufen …“ Als der Wahlflüsterer das hörte, fragte er sich gleich, von wie vielen Wählern wir hier sprechen. Sind es 500 oder kratzen wir sogar schon an 1.000 Bürgern, die nicht wählen dürfen? Clements „eng Honnerten“ sind am Ende 219 Wähler aus Brasilien, deren Briefwahl aufgrund des fehlenden Nachweises eines gültigen Personalausweises abgewiesen wurde. Das war nicht die Zahl, an die der Wahlflüsterer dachte, als er dem echauffierten Piraten zuhörte. (Chris Schleimer)
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ee näit Gesicht – ee näien Schrëftzug
schëi „locker vom Hocker“
wat ons Politiker ugeet, do kann ee nëmme nach staunen..
së géifen hiir Grousmamm verkaafen fiir gewiëlt zë gin..
louës a louës krit een de Puzzle färdeg..
Dat ass dach alles Tabioca! No de Walen sinn se erëm genee sou arrogant a weit vum Bierger ewech. “ Der Wolf im Schaftspelz“
Brong gebrannt a no bei de Wieler. Bis just nom 08. Oktober an dann ass déi brong Farw och rëm oof an alles wéi virdrun. Arroganz, Ligen, Intransparenz, a.e.w.
Bei dem Gehalt und den anderen Vergünstigungen, weniger Steuern, Dienstwagen, möchte ein jeder Politiker spielen. Eine Ausbildung dafür gibt es ja nicht, also Quereinsteiger.
Der Bürger weiß seit ein paar Wochen das Intimste und Spannendste von den Mächtigen: was sie gerne essen, welche Musik ihnen gefällt, wo sie ihren Urlaub verbringen, welchen Hobbies sie frönen… man kommt sich ja schon fast vor, wie ein guter, alter „Kolleesch“ und der wird doch Wort halten, oder?
Ich seh noch ein Wahlplakat der CSV vor meinen Augen: Im Kreis stehend, von oben fotografiert, um zu suggerieren: seht her, wir schauen zu euch, dem Volk, auf…