Tageblatt-WM-Kolumne / Lange lebe Hakaaan Şüküüür!!!
„Das früheste Tor bei einer Weltmeisterschaft, daran sollte man erinnern, wurde einst von Hakan Şükür erzielt.“ Wäre ich Journalist in der Türkei, dann hätte ich jetzt keinen Job mehr oder säße vielleicht schon bald im Gefängnis.
Alper Bakircigil, Kommentator beim türkischen Sender TRT, hatte während der Übertragung des WM-Gruppenspiels zwischen Marokko und Kanada eben diesen Namen erwähnt und wurde in der Halbzeit durch einen Kollegen ersetzt. Offiziell wurde er nur verwarnt und nicht gefeuert, wie zunächst berichtet wurde.
Şükür ist Persona non grata des Erdogan-Regimes und wird per Haftbefehl gesucht. Er floh 2015 in die USA, weil er in Ungnade gefallen war. Später wurden ihm Präsidentenbeleidigung und eine Beteiligung am Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Beweise dafür gibt es keine.
Belege, dass der ehemalige türkische Sturmheld das schnellste Tor einer WM geschossen hat (nach elf Sekunden), gibt es seitdem anscheinend auch nicht mehr. Sie werden nun per Befehl aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht. Führt man diese Logik weiter, dann sollte Erdogan auch Şükürs ehemaligem Verein Galatasaray alle 17 Titelgewinne aberkennen, die der Istanbuler Topklub mit dem Staatsfeind Nummer eins gewonnen hat.
Fifa-Präsident Gianni Infantino, bekanntlich ein Freund mächtiger Männer, könnte Erdogan bei der Ausradierung der Erfolge helfen und der Türkei den dritten Platz, der bei der WM 2002 auch durch das Elf-Sekunden-Tor erreicht wurde, aberkennen. Toll wäre es, auch alle Spiele der türkischen Nationalmannschaft mit Şükür-Beteiligung für den Gegner zu werten. Dann hätte auch Luxemburg zwei Siege mehr auf dem Konto.
Immerhin hat Şükür einen neuen Rekord in seiner Karriere aufgestellt. Sein Name darf nun von fast 85 Millionen Türken nicht mehr ausgesprochen werden und hat damit den gleichen Stellenwert erreicht wie der Hitlergruß in Deutschland, das Wort „Krieg“ in Russland oder ein Mettigel im veganen Supermarkt. Beim Betroffenen wird die Freude darüber wohl eher verhalten ausfallen.
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