Leserforum / Anmerkungen zum Artikel „Die Mitschuld des Westens am Krieg in Gaza“
Der Artikel „Die Mitschuld des Westens am Krieg in Gaza“ des Politologen A. Clesse kann nicht unwidersprochen bleiben, weil er in wesentlichen Punkten eine einseitige, anti-israelische Darstellung der Situation in Gaza propagiert. Bei aller berechtigten Kritik an der Kriegsführung der israelischen Armee in Gaza ist es nicht zulässig, dieses Vorgehen derart undifferenziert mit drastischem Vokabular zu verurteilen und gleichzeitig die Ereignisse des 7. Oktober 2023, dem schlimmsten Pogrom gegen Juden seit der Shoah, nur am Rande zu erwähnen und als bloße „Untaten“ abzutun.
Der Autor verschweigt die unauflösbare Zwangslage, in der sich Israel bei seiner militärischen Reaktion in Gaza befindet. Die Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller spricht von einem Dilemma, da in Gaza das Zivile vom Militärischen nicht zu trennen ist, sowohl was die Gebäude als auch das Personal in den Gebäuden betrifft. Die israelische Armee wurde in die Falle gezwungen, für die notwendige und absolut legitime Zerstörung der größtenteils unterirdischen terroristischen Infrastruktur viel zu viele zivile Opfer in Kauf zu nehmen und, so Herta Müller, dadurch selbst schuldig zu werden. Das zynische Kalkül ist damit aufgegangen, denn keinem sind die zivilen Opfer in Gaza so gleichgültig wie der Hamas. Sie gebraucht ihre Bevölkerung als Schutzschilde, um ihre Waffen zu schützen, unter Schulen, Kliniken und anderen zivilen Einrichtungen. Deshalb liegt die primäre Verantwortung für das unermessliche Leid der Bevölkerung in Gaza bei der Hamas. Aber der israelische Einsatz produziert genau jene schrecklichen Bilder, die die Hamas wollte und über die sie selbst Regie führt und die ihnen ermöglicht, die Gefühle in der Öffentlichkeit als stärkste Waffe gegen Israel zu orchestrieren.
Der Autor fragt, was wohl die Reaktion des Westens wäre, wenn Russland mit ähnlichen Methoden in der Ukraine operieren würde wie Israel in Gaza. Er vergleicht also Israels Krieg gegen eine Terrororganisation mit dem verbrecherischen Angriffskrieg des mafiösen Putin-Regimes gegen die Ukraine. Aber damit nicht genug, er unterstellt auch noch, dass die russischen Truppen, im Vergleich zu Israel, sozusagen einen „sauberen“ Krieg gegen die Ukraine führen würden. Angesichts der russischen Kriegsverbrechen und der permanenten, mit Vorbedacht gegen zivile Ziele, Menschen und Infrastruktur geführten Angriffe, ist dies ein unseriöser Vergleich, der so auch von der Putin-freundlichen Wagenknecht-Partei in Deutschland stammen könnte.
Laut dem Autor sind es die Nachkommen der Opfer des „vielleicht grässlichsten Menschheitsverbrechen“, die jetzt in Gaza mit den „Methoden ihrer Henker“ vorgehen. Was bezweckt eine solche Aussage? Die zu kritisierenden israelischen Akteure sollen als Nachkommen der Millionen Opfer der Shoah wahrgenommen werden. Diese wurden, genau wie die Opfer des 7. Oktober, einzig und allein wegen ihres Jüdischseins umgebracht. Dies ist eine subtile Stigmatisierung der heutigen israelischen Verantwortlichen als Juden und implizit werden alle Juden, ganz im Geiste des derzeit weltweit ausufernden Antisemitismus, in Mitverantwortung gezogen. Zudem ist die Unterstellung, Israels zu kritisierendes Vorgehen hätte irgendetwas gemeinsam mit dem Wesen der NS-Regimes, das die industrielle Vernichtung der Juden zur Staatsdoktrin erhoben hatte, eine schlimme Verharmlosung dieses Regimes und des singulären Menschheitsverbrechens der Shoah.
Der einzige legitime Bezug zur NS-Zeit in diesem Konflikt ist, dass heute die radikal-islamistische Hamas und ihre Unterstützer, allen voran der Iran, denselben eliminatorischen Antisemitismus propagieren wie seinerzeit die Nazis. Das erklärte Ziel ist nach wie vor die völlige Vernichtung des Staates Israels und aller Juden. (Historisch wird die Verwandtschaft der beiden Ideologien offensichtlich in der Person des Gründers der palästinensischen Nationalbewegung Mohammed Amin Al-Husseini, dem damaligen Großmufti von Palästina in Jerusalem, der den Schulterschluss mit den Nazis suchte und im November 1941 bei Hitler auf dem Berghof vorsprach, um den möglichen Zugriff der Nazis auf die damals schon in Palästina lebenden Juden zu erörtern.)
Die vom Autor vermisste Opposition gegen die Politik Netanjahus in Israel hat es vor dem 7. Oktober sehr wohl gegeben, als jedes Wochenende hunderttausende israelische Bürger gegen die geplante Justizreform protestierten. Das Pogrom des 7. Oktober hat diese Proteste praktisch verdrängt. Zu groß ist das Trauma der Bevölkerung, dass der Staat, der eigentlich gegründet wurde, um die Juden vor solchen Exzessen zu schützen, dieses Versprechen nicht einhalten konnte. Die Proteste haben jedenfalls gezeigt, dass Israel trotz allem immer noch eine aktive Demokratie ist, auch wenn diese, wie in vielen westlichen Ländern, im Innern von rechtsextremen Kräften bedroht wird. Jedenfalls müssen Netanjahu und andere damit rechnen, zu gegebenem Zeitpunkt politisch und gerichtlich zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dies im Gegensatz zu den Führern der Hamas, die in Gaza vor dem 7. Oktober eine gnadenlose Diktatur eingerichtet haben und auch in Zukunft in Katar weiterhin unbehelligt ihr luxuriöses Leben weiterführen werden.
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