Leserforum / Niederanvens Tiny House, das keines ist
Reaktion auf den Artikel im Tageblatt vom 2.10.2024 Tiny House / Winziges Haus aus dem Drucker: Niederanven baut auf neue Technologie.
Gemäß dem Motto „Mit dem Kopf durch die Wand“ wurde in der Sitzung des Niederanvener Gemeinderats vom 27. September ein Tiny-House-Projekt aus dem 3D-Beton-Drucker von den Mehrheitsparteien abgesegnet. Trotz massiver und fundierter Gegenargumente seitens der Opposition blieb der Schöffenrat aus CSV und „déi gréng“ uneinsichtig. Warum auch in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung auf zahlreiche gravierende Mängel eingehen, wenn man sich als Bürgermeister und Schöffen den Stempel einer innovativen und modernen Gemeinde aufsetzen kann?
Bereits im Vorfeld wurde der Schöffenrat in einer gemeinsamen Erklärung von LSAP und DP auf Mängel und Unklarheiten im Projekt hingewiesen. Eine klare und fundierte Stellungnahme zu diesem Schreiben fehlt bis heute.
Die Verwendung der 3D-Drucktechnologie mag futuristisch klingen, doch sie hat sich langfristig noch nicht bewährt. Es handelt sich um ein völlig unausgereiftes Projekt, das die Gemeinde Niederanven in Rammeldingen vorantreibt. Die Technologie, obwohl innovativ, steht noch am Anfang ihrer Entwicklung und es fehlen umfassende Langzeitstudien, die ihre Haltbarkeit und Zuverlässigkeit bestätigen könnten.
Potenzielle Risiken
Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich der Materialqualität und der strukturellen Integrität der gedruckten Gebäude. Die verwendeten Materialien und die Druckverfahren sind noch nicht ausreichend getestet, um sicherzustellen, dass sie den Belastungen und den Umweltbedingungen über viele Jahre hinweg standhalten können. Tatsächlich ist es so, dass selbst das Architektenbüro, das das Projekt im Gemeinderat vorgestellt hat, bisher nicht ein einziges konkretes Gebäude im 3D-Drucker umgesetzt hat. Die Bauindustrie hat jahrzehntelange Erfahrung mit traditionellen Baumethoden, während der 3D-Druck im Bauwesen noch relativ neu ist. Dies führt zu Unsicherheiten und potenziellen Risiken, die bei einem so großen und langfristigen Projekt nicht ignoriert werden sollten.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Gemeinde Niederanven über die notwendigen Ressourcen verfügt, um ein solch komplexes und experimentelles Projekt erfolgreich umzusetzen. Ohne ausreichende Planung und Risikobewertung könnte das Projekt nicht nur scheitern, sondern auch erhebliche finanzielle und ökologische Kosten verursachen.
Zudem ist der Standort in Rammeldingen, eingezwängt zwischen großzügigen Wohnhäusern, absolut unpassend und widerspricht dem Grundgedanken eines Tiny Houses, das sich harmonisch in seine Umgebung einfügen sollte.
Noch alarmierender ist jedoch die Verwendung des schnelltrocknenden Betons, der eine chemische Substanz enthält, die selbst dem Architekten unbekannt ist – ein gravierendes Sicherheits- und Gesundheitsrisiko! Stellt sich die Frage, ob hier vielleicht Polyurethan zum Einsatz kommt. Laut Architekt wäre dies hier nicht der Fall. Dennoch konnte er dem Gemeinderat auch nicht eindeutig mitteilen, um welche Chemie es sich dann tatsächlich handelt.
Hieraus ergibt sich die Tatsache, dass, ohne ausführliche Bestandteilliste, diese Substanz auch nicht in die Gesamtanalyse der CO2-Bilanz des Projekts einbezogen werden konnte. Letztere erweist sich als besonders skandalös: Die Herstellung von 50 Tonnen Beton erzeugt im Schnitt 36 Tonnen CO2. Wie kann dieses gesamte Projekt ernsthaft mit der angestrebten Klimaneutralität der Gemeinde Niederanven in Einklang gebracht werden? Wie stellen sich die CSV und vor allem „déi gréng“ das vor?
In einer Zeit, in der die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von entscheidender Bedeutung ist, stellt sich die dringende Frage, wie dieses Projekt den aktuellen Umweltanforderungen gerecht werden soll. Auch wenn der Schöffenrat ein ausgewiesenes Expertenbüro mit der Analyse der CO2-Bilanz des Projekts beauftragte und dieses seine Ergebnisse im Gemeinderat vortrug, konnten viele Bedenken nicht ausgeräumt werden. Der Versuch, die Bauweise durch eine solche Analyse zu rechtfertigen, wusste einfach nicht zu überzeugen. Der Experte sorgte stellenweise eher für Verwirrung als für Klarheit, indem er beispielsweise mehrfach betonte, dass eine aussagekräftige Analyse und ein Vergleich mit einem Tiny House aus Holz aufgrund fehlender Zahlen nicht möglich seien. Um konkrete Vergleiche ziehen zu können, müsste das gleiche Projekt auch in einer Holzvariante ausgearbeitet werden. Diese Idee des Experten wurde jedoch vom Schöffenrat kategorisch abgelehnt, da sie als zu zeitintensiv und kostspielig angesehen wurde. Stattdessen investiert der Schöffenrat lieber stante pede über 300.000 Euro in ein 3D-gedrucktes Beton-Tiny-House.
Es ist ebenso fragwürdig, dass trotz fehlender spezifischer Daten zur Holzvariante, Statistiken aus anderen Studien verwendet wurden, in denen die Lebensdauer von Beton und Holz unterschiedlich bewertet und verglichen wurde. So wurde beispielsweise eine CO2-Bilanz für Beton über 50 Jahre und für Holz über 80 Jahre erstellt und miteinander verglichen. Zudem wurden beim Rohstoff Holz auch alle indirekten Arbeitsschritte berücksichtigt (Fällen, Bearbeiten, Transport, Zusammenfügen etc.), während beim Beton diese Faktoren (Bagger, Transport, Mischen, Zementproduktion etc.) scheinbar außer Acht gelassen wurden.
Richtlinien des Innenministeriums
Darüber hinaus entspricht das Bauprojekt nicht den Richtlinien des Innenministeriums. Laut dem „Guide de mise en œuvre“ des MINT handelt es sich bei diesem Projekt überhaupt nicht um ein Tiny House im eigentlichen Sinn. Gemäß dem Leitfaden darf die Bruttofläche eines Tiny House 50 m2 nicht überschreiten. Die Variante in Rammeldingen hat jedoch 56 m2 (brutto). Das Ministerium legte auch weitere Kriterien fest, wie beispielsweise die Verpflichtung, ein Tiny House in Leichtbauweise zu errichten, sprich ohne Mauerwerk (Stein oder Ziegel) und ohne Beton. Den Aussagen des Schöffenrates zufolge beziehen sich diese Tiny-House-Richtlinien jedoch nur auf speziell dafür ausgewiesene Bauzonen. Wenn daher das geplante Bauprojekt in Rammeldingen die Abstände und Höhen gemäß aktuellem PAP einhält, kann es lediglich als konventionelles Bauwerk angesehen werden. Das geplante Haus darf an Ort und Stelle gebaut werden, aber es würde sich in diesem Fall nicht um ein vom Schöffenrat angepriesenes Tiny House handeln, sondern um ein klassisches Einfamilienhaus von etwas unter 50 m2 (netto). Trotz all dieser Tatsachen wird der Schöffenrat nicht müde, das Gebäude nach außen weiterhin als Tiny House zu propagieren.
Hier stellt sich also vor allem die Frage, welche konkreten Absichten hinter der überhasteten Umsetzung des 3D-gedruckten Tiny-House-Projekts aus Beton stecken. Geht es dem Schöffenrat lediglich darum, ein Prestigeobjekt zu errichten, ohne die langfristigen Auswirkungen und die tatsächliche Nachhaltigkeit zu berücksichtigen? Möchte man sich als erste Gemeinde Luxemburgs mit einem 3D-gedruckten Tiny House in der Öffentlichkeit präsentieren und sich selbst lobend auf die Schultern klopfen und den Bau als möglichen Schritt im Kampf gegen überteuerten und knappen Wohnraum anpreisen?
Ist dies etwa ein verantwortungsbewusstes Handeln im Interesse der Bürger und der Umwelt? Bleibt nur zu hoffen, dass die Umsetzung eines solchen Projekts nicht einfach nur ein planloses Spiel mit dem Feuer ist, bei dem Steuergelder sinnlos verprasst werden.
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