Leserforum / Wer waren Leonhard Drach und Fritz Hartmann?
Nachdem das Tageblatt in der Nr. 214 vom 12. September meinen Leserbrief zum LW-Artikel „Wie die britische Justiz Nazi-Täter davonkommen ließ“ abgedruckt hatte, erhielt ich zahlreiche Anrufe von Lesern – einige mit Rang und Namen –, die sich bei mir bedankten, dass ich dieses Thema angeschnitten hatte. Einer dieser Anrufer, ein früherer Bürgermeister, machte mir jedoch den Vorwurf, dass ich in meiner Aufzählung von Alt-Nazis, die nach Kriegsende noch einmal Karriere in Deutschland machten, „das Schwein“ Leonhard Drach nicht erwähnt hatte. Das will ich jetzt nachholen.
Das „Schwein“ Leonhard Drach war nämlich der Vertreter der Nazi-Staatsanwaltschaft beim Sondergericht in Luxemburg und er war der Ankläger, der 35-mal die Todesstrafe forderte, sogar wenn es um Kleinigkeiten ging. Drach war auch der Vertreter der Anklage beim Standgericht, welches über das Schicksal der 20 mutmaßlichen Anstifter des luxemburgischen Generalstreiks vom 31. August 1942 zu entscheiden hatte. Unter dem Vorsitz von Gestapo-Chef Fritz Hartmann forderte Drach die Todesstrafe für alle 20 Angeklagten, die auch verhängt und kurz darauf in Hinzert durch Erschießen vollstreckt wurde.
Nach dem Krieg wurde Drach in Luxemburg interniert und in den Kriegsverbrecher-Prozessen von 1948/49 sowie 1951 zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Falls dieses Strafmaß stimmt, wäre das ein wahrhaft mildes Urteil für einen derartigen Verbrecher. Aber vielleicht stimmen die 15 Jahre nicht, denn laut dem von Henri Koch verfassten Artikel „Wer öffnete Drach das Gefängnistor?“ wurde Drach zu insgesamt 35 Jahren Zuchthaus verurteilt (Magazin Revue vom 23. Januar 1965). Eigentlich ist es auch egal, denn unter Staatsminister Pierre Werner (CSV) und Justizminister Victor Bodson (LSAP) wurde Drach 1954 unter dem Vorwand der „Menschlichkeit“ begnadigt. Gewiss waren da andere Überlegungen und Rücksichten im Spiel als „Menschlichkeit“.
Nach seiner Freilassung begann dann für Leonhard Drach eine zweite Karriere in der Bundesrepublik Deutschland, und zwar in Rheinland-Pfalz. Vom SS-Obersturmbannführer des Nazi-Staates avancierte Drach zum Hilfsstaatsanwalt in der Bundesrepublik, dann zum Ersten Staatsanwalt und schließlich zum Oberstaatsanwalt, eine Laufbahn, die sich wahrhaftig sehen lässt!
Und nun zu Gestapo-Chef Fritz Hartmann. Dieser Hartmann, wieder ein Jurist, war von 1941 bis 1943 Leiter der Gestapo in Trier und Chef des Einsatzkommandos Luxemburg und gleichzeitig des Sicherheitsdienstes SD sowie der Kripo. Zudem war er Oberregierungsrat und SS-Obersturmbannführer, ein Bild von einem Nazi, „ein Heydrich-Typ, talentiert, verschlagen, skrupellos, gebildet, nach oben devot, nach unten brutal“. Zu seinen Aufgaben in Luxemburg zählte nicht nur der Vorsitz des Standgerichts, sondern auch und hauptsächlich die Organisation und Überwachung der Judendeportationen in Ghettos und Vernichtungslager.
Nach dem Krieg wurde Hartmann 1946 von den Amerikanern in Österreich verhaftet und nach Luxemburg gebracht, wo er am 27. Februar 1951 zum Tode verurteilt wurde. Doch bereits im Dezember wurde diese Todesstrafe in „lebenslänglich“ umgewandelt. Später wurde die Strafe dann auf 15 Jahre reduziert und im Dezember 1957 wurde Hartmann auf Intervention des Bundeskanzlers Konrad Adenauer – siehe da! – aus der Haft entlassen. Nach seiner Haftentlassung betätigte Fritz Hartmann sich dann als Rechtsanwalt in Düsseldorf. Wahrscheinlich hätte er aber eine weitaus bessere Karriere im deutschen Justizwesen oder in der Politik machen können, aber vielleicht hatte er nach elf Jahren Knast doch die Nase voll. Vieles dieses Leserbriefs kann man mit entsprechenden Nachweisen auf Wikipedia nachlesen
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