/ Erste Anleger klagen
Nachdem ausgerechnet das boomende Online-Netzwerk einen der übelsten Börsenstarts der jüngeren Geschichte hinlegt hat, mehren sich die Zweifel, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Anleger reichten erste Klagen ein und auch die US-Börsenaufsicht SEC hat Fragen. Unterdessen scheint die Talfahrt der Facebook-Aktie vorerst gestoppt: Zu Beginn des Handels am Mittwoch stieg der Kurs um gut 3 Prozent auf 32 Dollar.
Dass aus dem hochgejubelten Börsengang ein juristischer Schlagabtausch wird, kommt nicht von ungefähr: Während Facebook und die Alteigentümer satte 16 Milliarden Dollar einnahmen, verlor ein Investor der ersten Stunde bis Handelsschluss am Dienstag 18 Prozent seines Geldes. Der Ausgabekurs beim Börsengang war auf 38 Dollar angesetzt worden.
Schlampig gearbeitet?
Die Kanzlei Glancy Binkow & Goldberg aus Los Angeles reichte am Dienstag im Namen ihres Mandanten Klage vor einem kalifornischen Gericht ein. Die Anwälte werfen Facebook, den Alteigentümern und den Bankenvor, die Börsenunterlagen schlampig zusammengestellt und wichtige Informationen zum Geschäft und dessen Aussichten verschwiegen zu haben. Die Kanzlei strebt eine der gefürchteten Sammelklagen an und fordert Wiedergutmachung im Namen aller Geschädigten.
Die Anwälte halten der Gegenseite in einer Erklärung insbesondere vor, verheimlicht zu haben, dass die beteiligten Banken kurz vor dem Börsengang ihre Gewinnprognosen für das Soziale Netzwerk gesenkt hätten. Namentlich werden Morgan Stanley, JPMorgan Chase und Goldman Sachs aufgeführt. Das sind die drei sogenannten „Lead Underwriter“, also die wichtigsten Organisatoren des Börsengangs.
Informationen enthalten
Bei ihren Vorwürfen stützen sich die Anwälte auf Berichte von US-Medien, unter anderem vom „Wall Street Journal“. Demnach haben nur eine Handvoll ausgewählter Großkunden der Banken von den gesenkten Erwartungen an das künftige Facebook-Geschäft erfahren. Entsprechend vorsichtig seien diese Kunden dann beim Kauf von Facebook-Aktien geworden.
Das Blog „Business Insider“ ging am Dienstag sogar noch einen Schritt weiter: Ein Facebook-Manager habe den Analysten dazu geraten, ihre Vorhersagen nach unten zu korrigieren, hieß es unter Berufung auf eine ungenannte Quelle. Die SEC-Chefin Mary Schapiro sagte, ihre Behörde gehe „Fragen“ rund um den Börsengang nach.
Nachfrage verschätzt
Die federführende Bank Morgan Stanley erklärte am Dienstag, alle Regularien eingehalten zu haben. Das Wall-Street-Haus hat einen Ruf zu verlieren, schließlich wickelt Morgan Stanley einen großen Teil der Börsengänge im Silicon Valley ab. Facebook selbst schwieg weiterhin.
Am harmlosesten wirkt momentan noch der Vorwurf, die Banken hätten sich bei der Nachfrage verschätzt und zu viele Papiere auf den Markt geworfen. Ursprünglich hatte Facebook einen Stückpreis zwischen 28 und 35 Dollar angepeilt. Dann jedoch stockte das Unternehmen den Ausgabepreis und die Zahl der Aktien kräftig auf – was sich nun als fataler Fehler herausstellt.
Einzigartiger Absturz
Nach Informationen des „Wall Street Journal“ war es die Entscheidung von Facebook-Finanzchef David Ebersman, die Zahl der angebotenen Aktien um ein Viertel zu erhöhen. Zuvor habe ihm Morgan Stanley allerdings versichert, dass die Nachfrage sehr hoch sei. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg soll sich weitgehend aus den Details des Börsengangs herausgehalten haben.
Nach Daten des Anbieters Dealogic, die das „Wall Street Journal“ veröffentlichte, ist kein anderer US-Börsengang im Milliardenbereich seit fünf Jahren so miserabel gelaufen. Nachdem die Facebook am Montag bereits 11 Prozent verloren hatte, ging es am Dienstag um weitere 9 Prozent runter. Ähnlich übel, aber nicht ganz so schlimm, war vor einigen Monaten auch der enge Facebook-Partner und Spieleentwickler Zynga an der Börse gestartet.
Ein Systemfehler
Auch die Technologiebörse Nasdaq muss weiter heftige Kritik einstecken. Sie gestand jetzt ein, dass sie den Börsengang abgeblasen hätte, wenn ihr vorher das gesamte Ausmaß der technischen Probleme bewusst gewesen wäre. Wegen Systemfehlern wussten Investoren am Freitag zum Teil über Stunden nicht, ob ihre Aufträge erfüllt worden waren. Einige Order wurden gar nicht ausgeführt. Ein Anleger hat nun Klage vor einem Gericht in Manhattan eingereicht.
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