Gazastreifen / Berichte über Hunderte Tote in 24 Stunden
Auch zwei Monate nach dem Angriff der Hamas auf Israel geht das Militär mit unverminderter Härte gegen die Islamisten-Organisation im Gazastreifen vor.
Die von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden in dem dicht besiedelten Palästinensergebiet erklärten am Donnerstag, allein in den vergangenen 24 Stunden seien 350 Palästinenser getötet worden. Die Angaben lassen sich unabhängig nicht überprüfen. Israel betont, Zivilisten zu ihrem eigenen Schutz zum Verlassen von Kampfgebieten aufzufordern. Doch viele Auswege bleiben den Menschen seit Beginn der israelischen Bodenoffensive auch im Süden von Gaza nicht. Zuletzt drängten sie sich in Rafah. Laut Israel feuerten Militante von dort mindestens eine Rakete ab.
Es dürfte sich um eine der schwersten Kampfphasen seit Beginn des Krieges am 7. Oktober handeln. Israelische Truppen hatten vor wenigen Tagen ihre Bodenoffensive auf den Süden ausgeweitet und waren am Mittwoch ins Zentrum von Chan Junis vorgedrungen. Aus dem Krankenhaus Nasser dort gab es Berichte über katastrophale Zustände. Selbst auf dem Boden soll es kaum noch Platz für Verletzte geben und eine angemessene Behandlung praktisch unmöglich sein.
85 Prozent der Gaza-Bewohner auf der Flucht
Laut dem UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) sind 1,9 Millionen Menschen oder 85 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens vertrieben worden. Die Flüchtlingslager seien vierfach überbelegt, die Hilfe reiche bei weitem nicht aus. „Die Leute drängen sich in dem kleinen Landstück zwischen Chan Junis und der Grenze bei Rafah“, erklärte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi.
Anwohner berichteten von israelischen Raketenangriffen auf Gebäude in Rafah, in denen sich aus dem Norden des Gazastreifens Geflüchtete aufhielten. Mehr als 20 Menschen seien getötet worden. Rafah liegt an der Grenze zu Ägypten. Die Regierung in Kairo betont, sie werde nicht zulassen, dass Bewohner des Gazastreifens über die Grenze nach Ägypten getrieben würden. In Chan Junis im Süden des Gazastreifens tötete das israelische Militär eigenen Angaben zufolge mehrere Kämpfer der Hamas. Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Teil der Hamas, erklärten, die Gefechte seien heftig.
Israel teilte weiter mit, auch aus dem Gebiet um Al Mawasi – wohin sich Zivilisten ebenfalls in Sicherheit bringen sollten – habe es Beschuss gegeben. Zwölf Raketen seien von dort abgefeuert worden. Israel setzte seinerseits die eigenen Angriffe auch auf andere Teile des Gazastreifens fort. Bewohner von Gaza-Stadt im Norden berichteten über heftiges Bombardement in der Nacht zu Donnerstag. Bei dem Beschuss eines Hauses in Maghasi im Zentrum des Küstengebiets starben nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa mindestens 17 Menschen. Der Sender Al Jazeera berichtete, dass bei einem Angriff auf das Flüchtlingslager Dschabalja im Norden des Gazastreifens 22 Verwandte einer seiner Reporter getötet wurden.
Tausende Menschen werden vermisst
Hamas-Kämpfer hatten am 7. Oktober Israel überfallen. Nach israelischen Angaben wurden dabei rund 1.200 Menschen getötet und 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel hat sich daraufhin die Vernichtung der Hamas zum Ziel gesetzt. Im Rahmen einer einwöchigen Feuerpause, die bis Freitag vergangener Woche dauerte, wurden etwas mehr als 100 Geiseln freigelassen. Im Gegenzug entließ Israel etwa 240 palästinensische Gefangene – Frauen und Minderjährige – aus seinen Haftanstalten.
Das israelische Militär teilte am Donnerstag mit, 88 Soldaten seien bislang bei den Kämpfen gefallen. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden im Gazastreifen wurden seit Kriegsbeginn fast 17.200 Menschen getötet. Tausende Menschen werden noch vermisst und liegen wohl unter den Trümmern zahlloser zerstörter Häuser begraben.
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