/ Bis zu zehn Jahre Haft drohen der Kapitänin des Rettungsschiffes „Sea-Watch 3“
Nach dem Anlanden der „Sea-Watch 3“ geht der politische Streit um die Rettung und Verteilung der Flüchtlinge erst richtig los. Italiens Innenminister Matteo Salvini weist jegliche „Belehrungen“ von der EU von sich. Persönlich setzt er sich für die Inhaftierung von Kapitänin Carola Rackete ein.
Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner, Florenz
Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini lässt keine Gelegenheit aus, gegen die inneren politischen Gegner und die EU zu polemisieren. In sozialen Medien verkündete er stolz: „Die neue Heldin des Pd ist in Haft.“
Gemeint ist Carola Rackete, deutsche Kapitänin des unter niederländischer Flagge fahrenden Rettungsschiffes „Sea-Watch 3“, das in der Nacht zum Samstag im Hafen von Lampedusa mehr oder minder gewaltsam angelegt hatte, um 40 Flüchtlingen die Gelegenheit zu geben, nach 17-tägiger Irrfahrt durchs Mittelmeer an Land zu kommen.
Die italienischen Behörden hatten alles versucht, die „Sea-Watch 3“ zu stoppen, zuletzt mit einem nussschalengroßen Patrouillenboot der Finanzpolizei – ein schier irrwitziges Unterfangen, von dem Beobachter hier meinen, es sei ein testosterongesteuerter Akt gegen die weibliche Kapitänin des Rettungsschiffes gewesen.
Kommentare zu Pressemitteilungen meinen, es sei riskant, ein großes Schiff mit einem Plastikboot aufhalten zu wollen. Schließlich habe das Schiff keine Bremsen und auch die Polizei würde einen Sattelschlepper nicht mit einer Ape, dem berühmten Piaggio-Kleintransporter, aufhalten.
Salvini will abschrecken
Für Carola Rackete könnte der Zwischenfall indes ernste Folgen haben. Minister Salvini sprach von einem „Akt des Krieges“. Mit diesem Statement will der Lega-Chef deutlich abschrecken: Wer Flüchtlinge aufnimmt und nach Italien bringt, auch noch die Zufahrt zum Hafen erzwingt, muss mit drastischen Strafen rechnen. Die „Blockade eines Kriegsschiffes“ – als solches wurde das Bötchen der Finanza angesehen – kann zu einer Haftstrafe zwischen drei und zehn Jahren führen. Zudem soll Kapitänin Racket eine Buße von 50.000 Euro zahlen.
Ähnlich verfuhr der Innenminister bereits mit dem Bürgermeister der Gemeinde Riace, Domenico „Mimmo“ Lucano, der sich gegenwärtig einem Prozess zur „Begünstigung illegaler Einwanderer“ gegenübersieht. Salvini wählt seine Einzelfeinde innerhalb angreifbarer Personenkreise: die 31-jährige Schiffsführerin, den Bürgermeister eines knapp 800-Seelen-Dorfes, Personen, die keine große Lobby hinter sich haben.
Solidarität mit Rackete
Mit seinen Aktionen provoziert er jedoch nicht nur die italienische Gemeinschaft, sondern auch die Europäische Union. Der Vorwurf lautet, die Union ließe Italien mit dem Problem allein. Zuspruch erntet der Minister auch deswegen, weil sich die anderen EU-Mitglieder zu zurückhaltend zeigen. Verbale Versprechen bringen keine Lösung. Und die Gemeinden im Süden Italiens sind längst von der anhaltenden Flüchtlingssituation überfordert.
Carola Racket, „La Capitana“, wie sie von den italienischen Medien betitelt wird, hat sich mittlerweile bei den Finanzgardisten entschuldigt. Sie habe keine Kollision provozieren wollen, sei aber wegen der Lage an Bord gezwungen gewesen, den Hafen anzulaufen. „Wir haben 40 Menschen an Bord in einer schlimmen Lage, ich fürchtete, dass sich einige suizidieren würden“, erklärte sie am Tag nach ihrer Festnahme.
Internationale Rechtsexperten stellten inzwischen fest, dass Racketes Handeln mit dem internationalen Seerecht übereinstimmt und forderten die Freilassung der jungen Frau. Aus Regierungskreisen von Berlin und Paris kamen die gleichen Forderungen. Prominente wie die Fernsehmoderatoren Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf riefen zu Spendenaktionen auf – bis Sonntagmittag kamen bereits 140.000 Euro für die rechtliche Verteidigung der Sea-WatchKapitänin zusammen.
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