Russland / Der Brics-Gipfel endet mit einer Abschlusserklärung aus Worthülsen
Die Brics-Staaten in Kasan feiern sich selbst. Wladimir Putin belehrt den UN-Generalsekretär, wie rührend sich Russland doch um die „große globale Familie“ kümmere. In der Abschlusserklärung finden sich derweil nur Worthülsen.
Die Großkatzen, ja, um die seien sie besorgt. Großkatzen müssten geschützt werden. Da sei Zusammenarbeit nötig. So heißt es in der Abschlusserklärung des 16. Brics-Gipfels, der am Donnerstag in Kasan, knapp 800 Kilometer östlich von Moskau, zu Ende gegangen ist. Unter Punkt 20 einigen sich die neun Länder, die mittlerweile zu den anfänglichen Mitgliederstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und später Südafrika gehören, auf die Schaffung einer „Internationalen Großkatzen-Allianz“. Erst unter Punkt 36 wird an die „nationalen Positionen zur Lage in und um die Ukraine erinnert“. Dabei müssten alle Staaten gemäß der UN-Charta handeln, heißt es darin.
In der UN-Charta haben sich die Staaten dazu verpflichtet, die territoriale Integrität jedes Landes zu wahren. Eine Aufforderung an Russlands Präsidenten Wladimir Putin, den Krieg in der Ukraine zu beenden, findet sich nicht im Abschlussdokument. Auch von einer öffentlichen Verurteilung von Putins „militärischer Spezialoperation“ in der Ukraine sehen die in Kasan Angereisten ab. So kann sich Putin auf seiner kleinen Weltbühne feiern lassen, kann sich danken lassen für die russische Gastfreundschaft und die Zusammenkunft solch hochkarätiger Besetzung. Internationale Isolation Russlands? Iwo! Das staatstreue russische Fernsehen feiert die Tage in Kasan wie ein Jahrhundertereignis.
Völkerrecht wird ad absurdum geführt
Die Symbolkraft der Bilder beherrscht der Kreml ausgezeichnet. Die Provokation des Westens gelingt in Kasan. Selbst der Höchste Repräsentant des Völkerrechts, der UN-Generalsekretär Antonío Guterres, lässt sich am großen runden Tisch der 36 Staaten, den Brics-Mitgliedern und Freunden, vorführen. „Geehrter Herr Generalsekretär“, sagt Putin da, „wir leben wie eine große Familie und schaffen Mechanismen, um Handgemengen vorzubeugen. Ja, das tun wir hier.“ Guterres, der ganz zum Schluss – nach Reden der Staats- und Regierungschefs von etwa Bolivien, Belarus, Vietnam, Kongo, Tadschikistan, Kasachstan, Indonesien – spricht, bringt seine vier wichtigsten Punkte an: Reformen des Finanzsystems, Klimawandel, KI und Frieden – „in Gaza, im Libanon, in der Ukraine, im Sudan“. Putin lächelt, Guterres unternimmt nichts, um Putin auf offener Bühne seinen Völkerrechtsbruch vorzuhalten und führt damit das Völkerrecht einmal mehr ad absurdum.
Auf 43 Seiten führen die Brics-Mitglieder in 134 Punkten auf, was ihnen wichtig erscheint. Es sind Worthülsen, die mit Sätzen wie „wir sind besorgt“, „wir begrüßen“, „wir freuen uns“, „wir bekräftigen“ beginnen. Es geht dabei um die „Schaffung einer multipolaren Ordnung“ und die Verurteilung von „illegalen Sanktionen“. Bewaffnete Konflikte in verschiedenen Regionen der Welt sollen beseitigt wie auch ein Wettrüsten im Weltraum verhindert werden. Afghanistan solle ein „unabhängiger, friedlicher Staat, frei von Terroristen“ werden, und es solle mehr Aufmerksamkeit auf Sudan gerichtet werden. Es wird eine „Notwendigkeit von Menschenrechten in allen Ländern“ konstatiert und eine „Verpflichtung“ zum „agileren, effektiveren, reaktionsfähigeren, legitimeren, demokratischen multilateralen System“ abgegeben.
Meist Autokraten und Diktatoren
Es sind zynische Worte von Staatenlenkern, die in ihren Ländern die Demokratie mit Füßen treten. „Brics“, so sagt es der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko, der seine Gegner ins Gefängnis sperren lässt, so dass die Weltgemeinschaft nicht einmal weiß, wo sie sind und wie es ihnen geht, Brics also seien eine „Gemeinschaft der Zukunft“. Sie werde „zum Ende der Geschichte der westlichen Dominanz führen“. Guterres sitzt da und hört still zu. Die „globale Mehrheit“, wie sich der Klub der in Kasan Versammelten, meist Autokraten und Diktatoren, nennt, lobt sich selbst und ihre Vorstellungen von einer „gerechteren Weltordnung“.
Eine Allianz, so sehr die Gruppe ein Gegengewicht zum Westen auch bilden will, sind die Brics nicht. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Länder, die alle ihre eigene Agenda verfolgen und auf die Balance bedacht sind. Die Abschlusserklärung bleibt kaum mehr als eine vage und wolkige Inszenierung von Werten. Putins herbeigesehnte Ent-Dollarisierung der Welt ist nicht vorangekommen. Das Brics-Zahlungssystem, das eine Alternative zu Swift sein sollte, ist bislang nur ein gemeinsamer Traum. Dass es an Konkretem zunächst fehlt, ist für Moskau ohnehin nicht von großer Relevanz. Moskau hat in Kasan das bekommen, was es lange gesucht hatte: Einige Mächtige der Welt stehen zusammen, mit Putin in der Mitte. Guterres trägt es mit. „Prachtkerle“, sagen da die Russen.
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