Gazastreifen / Israel verschärft Angriff im Süden
Der Beschuss im Gazastreifen geht trotz internationaler Aufrufe zu mehr Rücksichtnahme auf Zivilisten voran. Die Streitkräfte seien in die schwersten Kämpfe seit Beginn ihrer Invasion im Gazastreifen verwickelt, sagte der Kommandeur des Südkommandos der israelischen Streitkräfte, General Jaron Finkelman, am Dienstag. „Es ist der intensivste Tag seit Beginn der Bodenoffensive.“
Generalstabschef Hersi Halewi betonte: „Sechzig Tage nach Kriegsbeginn umzingeln unsere Streitkräfte nun das Gebiet Chan Junis im südlichen Gazastreifen.“ Nachdem Israel gegen viele Hochburgen der radikalislamischen Hamas im nördlichen Gazastreifen vorgegangen sei, mache man dies nun auch im Süden des Küstenstreifens.
„Wir sind im Zentrum von Dschabalja, im Zentrum von Schudschaija und jetzt auch im Zentrum von Chan Junis“, sagte Finkelman. Das Militär hatte zuvor Flugblätter über Chan Junis abgeworfen, um Bewohner vor einem Angriff zu warnen. „Zu Ihrer Sicherheit bleiben Sie in den Notunterkünften und Krankenhäusern, in denen Sie sich befinden. Gehen Sie nicht raus. Rauszugehen ist gefährlich. Sie wurden gewarnt.“
„Wir machen jetzt mit der zweiten Phase weiter. Eine zweite Phase, die militärisch schwierig sein wird“, hatte ein israelischer Regierungssprecher zuvor angekündigt. Hinsichtlich der Minderung des Leids für die Zivilbevölkerung sei Israel offen für „konstruktives Feedback“. Dieses müsse aber im Einklang stehen mit dem Ziel, die radikalislamische Hamas zu zerstören.
Der Sprecher ging nicht genauer auf einen Medienbericht ein, wonach Israels Militär offenbar auch Vorkehrungen zur Flutung des weit verzweigten Tunnelsystems der Hamas in dem Küstengebiet getroffen hat. Das Wall Street Journal meldete unter Berufung auf US-Behördenvertreter, Israel habe ungefähr Mitte November ein System bestehend aus mindestens fünf Pumpen fertiggestellt, mit denen sich Tausende Kubikmeter Wasser pro Stunde bewegen ließen. Die Schächte könnten so binnen einiger Wochen geflutet werden. Es sei allerdings nicht klar, ob Israel die Pumpen nutzen werde, insbesondere bevor alle von der Hamas gehaltenen Geiseln frei seien. Die Palästinenser-Organisation hatte erklärt, ihre Gefangenen in „sicheren Orten und Tunneln“ versteckt zu haben.
Derweil wurden bei einem israelischen Luftangriff auf Häuser in Deir al-Bala im Zentrum des Gazastreifens nach Angaben von Gesundheitsbehörden mindestens 45 Menschen getötet.
Katar forderte den UN-Sicherheitsrat auf, Israel zurück an den Verhandlungstisch zu zwingen. „Es ist beschämend für die internationale Gemeinschaft, es zuzulassen, dass dieses abscheuliche Verbrechen fast zwei Monate lang andauert“, sagte Katars Emir, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, in Doha.
Nach Angaben zweier hochrangiger israelischer Offiziere sind beim Militäreinsatz gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen für jeden getöteten Hamas-Kämpfer zwei Zivilisten getötet worden. Dieses Verhältnis sei „nicht gut“, die Ausnutzung von Zivilisten als menschliche Schutzschilde sei aber Teil der „grundlegenden Strategie“ der Hamas, sagte einer der beiden Militärvertreter, die nicht namentlich genannt werden wollten, am Montag in einem Gespräch mit Journalisten.
Es sei zu hoffen, dass sich die Anzahl der getöteten Zivilisten im Verhältnis zu getöteten Kämpfern im weiteren Verlauf der Kämpfe im Gazastreifen „erheblich“ verbessere, sagte ein Offizier weiter. Auf Informationen angesprochen, denen zufolge 5.000 Hamas-Kämpfer getötet worden seien, erklärte einer der Offiziere, diese Zahl sei „mehr oder weniger exakt“.
Die israelische Armee sei indes bemüht, die Zahl der zivilen Opfer so gering wie möglich zu halten, sagten die Offiziere weiter. So verwende das Militär eine hoch entwickelte Kartensoftware, die auf Grundlage von Mobiltelefonsignalen, Luftüberwachung und mithilfe künstlicher Intelligenz erfasse, wie viele Menschen sich in unterschiedlichen Gebieten des Gazastreifens aufhielten.
„Kein Ort ist sicher in Gaza“
Die Lage für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen werde von Stunde zu Stunde schlimmer, sagte der Gesandte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Palästinensischen Gebiete, Richard Peeperkorn. Es gebe viel zu wenig Versorgungsgüter. Außerdem fehlten medizinische Notfall-Teams.
Nach Angaben von Bewohnern und Journalisten vor Ort wurden auch Gebiete getroffen, die das israelische Militär als sichere Bereiche ausgewiesen hatte. „Kein Ort ist sicher in Gaza, weder im Süden noch im Südwesten, weder in Rafah (an der ägyptischen Grenze) noch in irgendeiner anderen einseitig als solche bezeichneten ‚sicheren Zone’“, erklärte der Leiter des Palästinenser-Hilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA), Philippe Lazzarini. UN-Generalsekretär Antonio Guterres appellierte an Israel, der Zivilbevölkerung noch mehr Leid zu ersparen. Die USA hatten Israel als dessen engster Verbündeter bereits aufgefordert, mehr für den Schutz der Zivilbevölkerung im südlichen Teil des Gazastreifens zu tun als bei der Militäroffensive im Norden.
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