Ukraine-Krieg / Kiew befürchtet keine russische Offensive auf Großstadt Charkiw
Die Ukraine befürchtet nach Angaben des neuen Sekretärs des Nationalen Sicherheitsrates keine russische Bodenoffensive auf die Großstadt Charkiw im Nordosten des Landes.
„Im Moment dauern die russischen Aktionen im Grenzgebiet an“, sagte Oleksandr Lytwynenko am Montag der Nachrichtenagentur AFP in einem Interview. „Wir können sagen, dass wir keine Gefahr eines Angriffs auf die Stadt Charkiw sehen“, fügte er hinzu.
Die russische Armee hatte nach ukrainischen Angaben am Freitag von Russland aus eine Offensive in der Region Charkiw gestartet und versucht, in Richtung der Ortschaft Lypzi und der Stadt Wowtschansk vorzurücken. Lytwynenko sagte, an der Offensive seien „ziemlich viele“ russische Soldaten beteiligt. „Etwa 50.000 waren an der Grenze. Jetzt kommen weit über 30.000“, sagte er. Seiner Einschätzung nach zielt die Offensive vermutlich darauf ab, eine „Pufferzone“ zu schaffen, um ukrainische Angriffe auf russische Grenzregionen zu verhindern.
Kurz nach Beginn der Offensive in Charkiw hatte der russische Präsident Wladimir Putin am Sonntag seinen langjährigen Verteidigungsminister Sergej Schoigu entlassen und ihn durch den Wirtschaftsexperten Andrej Beloussow ersetzt. Lytwynenko sagte, Beloussow sei ein „erfahrener Manager“, der in der Lage sei, „einen langfristigen Zermürbungskrieg sicherzustellen“ und gute Verbindungen zum russischen Geheimdienst habe. „Dies deutet darauf hin, dass Putin einen langen Krieg plant“, sagte Lytwynenko. „Und zwar nicht nur einen Krieg mit der Ukraine, sondern mit dem Westen insgesamt. Einen Krieg mit der NATO“, fügte er hinzu.
Mehr als 5.700 Menschen aus Region evakuiert
Der ukrainische Generalstab hatte am Montag „taktische Erfolge“ der russischen Truppen in der Region Charkiw eingeräumt. Charkiws Gouverneur Oleh Synehubow erklärte, mehr als 30 Ortschaften in der Region seien am Montag von „feindlichem Artillerie- und Mörserfeuer getroffen“ worden. Heftige Kämpfe wurden insbesondere aus der an der russischen Grenze gelegenen Stadt Wowtschansk gemeldet. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von „erbitterten Kämpfen“ in der Region. Das Ziel hinter den russischen Angriffen sei es, „unsere Kräfte auseinander zu ziehen und die Moral zu untergraben“, sagte Selenskyj am Sonntag.
In den vergangenen Tagen seien mehr als 5.700 Menschen aus der Region evakuiert worden. Die russische Armee hatte am Freitag nach ukrainischen Angaben von Russland aus eine Bodenoffensive in der Region Charkiw gestartet und versucht, in Richtung der Ortschaft Lypzi und der Stadt Wowtschansk vorzurücken. Nach Angaben des Telegram-Kanals „Deepstate“, der der ukrainischen Armee nahesteht, nahm die russische Armee während ihrer Offensive bereits ein Gebiet von rund hundert Quadratkilometern ein. „Der Feind rückt weiter auf Wowtschansk vor, er fasst Fuß am Stadtrand, um weiter in die Stadt einzudringen“, hieß es weiter.
Moskau hat seit Beginn seiner Invasion im Februar 2022 versucht, die Grenzregion Charkiw zu erobern; im Herbst 2022 musste sich die russische Armee von dort aber wieder weitgehend zurückziehen.
Angriffe auf Tanklager und Umspannwerk
Doch wie überall an der Front sind es auch in dieser Region seit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive im Sommer 2023 die russischen Streitkräfte, die derzeit auf dem Vormarsch sind. Am Samstag hatte das russische Verteidigungsministerium die Einnahme von fünf Dörfern in der Region sowie einem in der Region Donezk gemeldet.
Die Ukraine griff derweil nach Angaben aus Verteidigungskreisen in Kiew ein Tanklager und ein elektrisches Umspannwerk im Westen Russlands mit Drohnen an. Demnach handelte es sich um eine Aktion des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU. Das Tanklager befindet sich den Angaben zufolge in der russischen Grenzregion Belgorod, das Umspannwerk in der weiter von der Grenze entfernt liegenden Nachbarregion Lipezk. Die Behörden in Belgorod bestätigten den Angriff zunächst nicht. Der Gouverneur von Lipezk, Igor Artamonow, erklärte, ein Umspannwerk sei in Flammen aufgegangen, ohne die Ukraine direkt dafür verantwortlich zu machen.
Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte zuvor den Abschuss von 31 ukrainischen Drohnen über russischem Gebiet und der annektierten Halbinsel Krim gemeldet. Am Sonntag waren in der Stadt Belgorod nach Behördenangaben bei einem ukrainischen Luftangriff 15 Menschen getötet worden. Russland und die Ukraine hatten in den vergangenen Wochen die Angriffe auf Energiestandorte der jeweils anderen Seite ausgeweitet.
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