Nahost / Raketen, Drohnen, Kämpfer: Das Arsenal der libanesischen Hisbollah-Miliz
Angesichts gegenseitiger Drohungen von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und der israelischen Armee wächst die Gefahr einer weiteren Eskalation in der Region. Bereits seit Beginn des Gaza-Krieges vor mehr als acht Monaten kommt es im Grenzgebiet zwischen dem Libanon und dem Norden Israels fast täglich zu Gefechten zwischen israelischen Soldaten und Kämpfern der von Teheran bewaffneten und finanzierten Schiitenmiliz. Über welche Fähigkeiten verfügt die Hisbollah und welche Waffen könnte sie im Falle eines offenen Kriegs einsetzen?
Die Hisbollah-Miliz ist die einzige Gruppe im Libanon, die nach dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 ihre Waffen behalten hat. Seit dem Krieg mit Israel im Jahr 2006 hat die Miliz nach Angaben der Expertin Dina Arakji von der Beratungsfirma Control Risks die „Größe und Qualität ihres Arsenal“ stark erweitert. Die Zahl von damals 15.000 Raketen habe sich inoffiziellen Schätzungen zufolge in den vergangenen Jahren verzehnfacht, sagte Arakji der Nachrichtenagentur AFP. Die Hisbollah habe vor allem moderne Waffen, „insbesondere präzisionsgelenkte Raketen“ erworben.
Dem Militärexperten und pensionierten libanesischen Armeegeneral Chalil Helu zufolge verfügt die Miliz zudem über ballistische Raketen iranischer Produktion, die bislang noch nicht zum Einsatz kamen. Dazu gehöre die Fateh-110, eine präzisionsgelenkte Rakete mit einer Reichweite von rund 300 Kilometern. Helus Einschätzungen nach reicht diese aus, um vom Libanon aus Ziele in Tel Aviv oder Jerusalem zu treffen.
Bereits in den vergangenen Monaten hat die Hisbollah immer wieder Drohnen in Richtung Israel gestartet. Hisbollah-Chef Nasrallah zufolge trägt eine lokale Produktion zum großen Drohnenbestand der Miliz bei. Die Angriffe richteten sich größtenteils gegen Ziele im Grenzgebiet; im Mai wurde bei einem Drohnenangriff jedoch auch ein Militärstützpunkt nahe der nordisraelischen Stadt Tiberias rund 30 Kilometer von der Grenze entfernt getroffen.
Militärexperte Helu schätzt, dass die Hisbollah auch Angriffsdrohnen vom Typ Shahed 136 und weitere Drohnen iranischer Bauart besitzt. Einige davon verfügen demnach über eine doppelte Steuerung, „also elektrooptisch und mit GPS“, sagte er. Der Drohung von Hisbollah-Chef Nasrallah zufolge müsste sich Israel im Falle eines Krieges auf Angriffe vom Boden, aus der Luft und vom Wasser aus einstellen. Alle israelischen Küsten, „alle Häfen, Boote und Schiffe“, wären betroffen, betonte er.
Laut Militärexperte Helu verfügt die Hisbollah über Anti-Schiffs-Raketen sowohl vom russischen Typ Jachnot mit einer Reichweite von 300 Kilometern als auch aus chinesischer Produktion vom Typ Silkworm. Beide Waffen seien „sehr präzise und extrem schnell“. Seiner Einschätzung nach könnte die Hisbollah im Fall eines Kriegs strategische Ziele wie den israelische Hafen von Haifa und Offshore-Plattformen für Öl und Gas ins Visier nehmen.
100.000 Kämpfer
Eigenen Angaben zufolge schoss die Hisbollah bereits Hunderte israelische Drohnen mit eigenen Flugabwehrraketen ab und setzte diese auch gegen israelische Kampfflugzeuge ein. Die Flugabwehr-Systeme könnten Israels mehrstufiges Luftverteidigungssystem „unter Druck setzen“, schätzt Arakji von Control Risks. Auch wenn die Hisbollah damit die „israelische Lufthoheit nicht wesentlich infrage stellt“, müsste das israelische Militär dennoch seine Einsatzweise anpassen.
Nach eigenen Angaben kann die Hisbollah-Miliz auf „weit mehr“ als 100.000 Kämpfer zurückgreifen – eine Zahl, die Experte Helu für glaubhaft hält. Ihm zufolge könnte die Organisation „mehr als 100.000 Männer, Reservisten mitgerechnet“ mobilisieren. „Das heißt aber nicht, dass diese auch alle bereit und zum Kämpfen ausgebildet sind“, betonte er.
Neben Waffen und Kämpfern verfügt die Hisbollah Experten zufolge – ähnlich wie die radikalislamische Hamas im Gazastreifen – im Südlibanon über ein weitläufiges Netz von unterirdischen Tunneln, das sich bis in die Bekaa-Ebene nahe der Grenze zu Syrien erstreckt. Die Hisbollah sei „auf einen Zermürbungskrieg nach dem gleichen Modell wie die Hamas vorbereitet“, sagte Helu. „Ihre Anführer werden für israelische Flugzeuge unerreichbar sein, da sie sich im Untergrund befinden.“
- Nach Flugzeugunglück: Verkehrsministerium will Betonmauern an Flughäfen umbauen - 13. Januar 2025.
- Exporte legen 2024 auf Rekordwert von 3,4 Billionen Euro zu - 13. Januar 2025.
- Schweden entsendet Kriegsschiffe zur Überwachung von Infrastruktur - 13. Januar 2025.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos