EU-Kommission / Rechtsstaatsbericht vorgelegt: Ungarn ist „systemisches Problem“
Die EU-Kommission legte am Mittwoch ihren mittlerweile fünften Bericht zum Zustand der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten vor. EU-Justizkommissar Didier Reynders sagte, es gebe „positive Elemente“, aber auch Rückschritte. Insbesondere Ungarn fällt weiterhin negativ auf.
Der Rechtsstaatsbericht diene der „Früherkennung“ und soll „eine Kultur der Rechtsstaatlichkeit fördern“, meinte die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Kommission, Vera Jourova, bei der Vorstellung des rund 1.000 Seiten umfassenden Berichts. Neben den 27 EU-Staaten wurden dieses Mal auch die Beitrittskandidaten Albanien, Montengro, Nordmazedonien und Serbien unter die Lupe genommen. Zu ihren Feststellungen über Mängel bei der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien gibt die EU-Kommission jeweils auch Empfehlungen zu jenen Bereichen ab, in denen sie in den Mitgliedstaaten Verbesserungsbedarf erkennen. Diese würden „in ihrer Mehrheit von den Mitgliedstaaten berücksichtigt“, sagte Vera Jourova.
Analysiert wurden vier Bereiche: Justizreformen, die Korruptionsbekämpfung, die Freiheit und der Pluralismus der Medien sowie die institutionelle Gewaltenteilung. Die Unabhängigkeit der Justiz würde in einigen EU-Staaten Sorgen bereiten, meinte Didier Reynders. In Polen hingegen wurde ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags eingestellt, nachdem die neue polnische Regierung wesentliche Mängel der Justizreform der PiS-Regierung behoben hat. In Spanien sei im Dialog mit der Regierung eine Reform zum Justizrat vorangetrieben worden.
Der größte Problemfall dürfte nach wie vor Ungarn sein, das derzeit den EU-Ratsvorsitz innehat. Dem Land werden weiterhin Hilfen in Milliarden-Höhe vorenthalten, da es insbesondere bei der Bekämpfung der Korruption keine Fortschritte macht. Ungarn ist ebenfalls das einzige Land, gegen das weiterhin ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags läuft, was dazu führen kann, dass dem Staat die Stimmrechte im Ministerrat entzogen werden, da er anhaltend gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstößt. „Ungarn ist ein reelles systemisches Problem für die Kommission hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit“, sagte denn auch der EU-Justizkommissar.
In dem Bericht wird u.a. darauf hingewiesen, dass Ungarn keine Fortschritte „bei Ermittlungen, Strafverfolgungen und endgültigen Urteilen in Korruptionsfällen auf hoher Ebene“, gemacht habe. Daneben werden sechs weitere Bereiche aufgezählt, in denen die Regierung von Premierminister Viktor Orban noch keine Verbesserungen vorangebracht hat, etwa im Justizwesen oder beim Schutz zivilgesellschaftlicher Organisationen. Keinem Land werden demnach mehr Empfehlungen ausgesprochen als Ungarn. Didier Reynders verteidigt dennoch die im Dezember getroffene Entscheidung der EU-Kommission, zehn Milliarden Euro an eingefrorenen EU-Geldern für Budapest freizugeben. Die dafür vorgesehenen Bedingungen habe die Regierung erfüllt, so der Belgier, der gleichfalls darauf hinwies, dass weitere 20 Milliarden Euro für das Land, u.a. aus Strukturfonds, zurückgehalten werden.
Slowakei und Italien bereiten Sorgen
Doch mittlerweile bereiten noch andere EU-Staaten der Kommission Sorgen. Etwa die Slowakei, wo die linkspopulistische Regierung unter Premierminister Robert Fico eine Reform der öffentlichen Medien vorangetrieben hat. „Auf dem Papier gibt es Verbesserungen“, meinte Vera Jourova, nun wolle sie jedoch sehen, wie das Gesetz umgesetzt wird, ob der Verwaltungsrat und die Führungsstruktur des neuen öffentlichen Rundfunks auch wirklich unabhängig seien und ob die Finanzierung ausreiche. Zudem werde sie sich auch genau anschauen, wie es mit einem neuen Gesetz zu Nichtregierungsorganisationen in der Slowakei stehe. Dieses ähnele stark dem sogenannten „Souveränitätsgesetz“, das die Orban-Regierung in Ungarn erlassen habe. Orban will mit diesem Gesetz zivilgesellschaftliche Organisationen einschränken, was gegen EU-Recht verstößt.
Doch auch in Italien gerieten der öffentliche Rundfunk sowie die dort tätigen Journalisten vonseiten der Regierung von Giorgia Meloni zunehmend unter Druck. Die EU-Kommission empfiehlt Italien daher, sicherzustellen, dass sowohl die Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks als auch dessen Finanzierung gewährleistet wird. Zudem sei in Italien eine Zunahme sogenannter „Slapp“-Klagen gegen Journalisten festgestellt werden, die hauptsächlich von politischen Akteuren ausgingen. Mit solchen Klagen, die missbräuchlich gegen Journalisten, aber auch Menschenrechtsaktivisten geführt werden, sollen diese zumindest eingeschüchtert, wenn nicht gar mundtot gemacht werden, da sie oft genug etwa auf Missstände hinweisen, in die die Kläger verwickelt sind. Italien habe wohl eine Gesetzgebung gegen solche Klagen, so Didier Reynders. Doch würde sich die nur auf grenzüberschreitende, nicht aber auf inländische Fälle beziehen.
Empfehlungen für Luxemburg
In ihrer Analyse zu Luxemburg bescheinigte die Kommission dem Land, einige Fortschritte beim Zugang zu öffentlichen Dokumenten gemacht zu haben, wobei jedoch weitere Fortschritte angemahnt werden. Interessengruppen hätten auch bessere Möglichkeiten, sich bei öffentlichen Konsultationen im Rahmen der Gesetzgebung einzubringen. Die Regierung müsse aber mehr Anstrengungen bei der Digitalisierung der Verwaltung machen, empfiehlt die Kommission. Zudem sollen mehr Informationen im Transparenzregister des Parlaments offengelegt werden.
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