/ Separatistisch, fremdenfeindlich und modern: Wieso der Vlaams Belang Erfolg hat
Mit Stimmgewinnen für die flämischen Rechtsextremen war bei den Europa-, National- und Regionalwahlen an diesem Sonntag in Belgien gerechnet worden. Das Ausmaß des Erfolgs überraschte dennoch.
Von unserem Korrespondenten Peter Eßer, Brüssel
Der Vlaams Belang liegt im belgischen Parlament nun gleichauf mit der stärksten frankophonen Partei. Bei der EU-Wahl wurden die Rechtsextremen landesweit mit 11,5 Prozent zweitstärkste Kraft und schicken drei Abgeordnete ins Europaparlament.
Die rechtsextreme Partei wurde 1979 gegründet und trat in erster Linie für ein unabhängiges Flandern ein, das von Belgien abgespalten wird. Anfang der 1990er-Jahre feierte sie – damals noch unter dem Namen Vlaams Blok – mit einem dezidiert fremdenfeindlichen Programm erste politische Erfolge.
Der Wahltag 1991, an dem sechs Rechtsextreme in die Brüsseler Abgeordnetenkammer einzogen, wird in Belgien oft als erster „schwarzer Sonntag“ bezeichnet. Einen zweiten „schwarzen Sonntag“ gab es 2004, als die in der Zwischenzeit in Vlaams Belang umbenannte Partei mit 24 Mandaten im flämischen Parlament ihren bis dato größten Erfolg feierte.
Der dritte „schwarze Sonntag“
Mit dem steilen Aufstieg der Neu-Flämischen Allianz (N-VA), die ebenfalls separatistisch, aber ansonsten bürgerlich-konservativ auftritt, hatten die Rechtsextremen zuletzt jedoch wieder an Bedeutung verloren. Der diesjährige Wahltag wird nun bereits als dritter „schwarzer Sonntag“ Belgiens bezeichnet. Die N-VA ist weiterhin stärkste Kraft, hat aber deutlich Federn gelassen. Der Vlaams Belang konnte seine vorher drei Sitze im nationalen Parlament auf 18 aufstocken. In der flämischen Abgeordnetenkammer gewann er sogar 23 Mandate.
Die Gewinne der Rechtsextremen speisen sich dabei nicht nur aus Verlusten der N-VA. Auch die flämischen Liberalen und Christdemokraten haben spürbar Stimmen eingebüßt. Die Gründe für das Wiedererstarken des Vlaams Belang sind vielfältig. Analysten gehen davon aus, dass etwa die zunehmend migrationsfeindliche Rhetorik einiger N-VA-Politiker, vor allem des ehemaligen Asyl-Staatssekretärs Theo Francken, der offen fremdenfeindlichen Partei geholfen hat.
Auch wurde das Ausscheiden der N-VA aus der amtierenden Regierung von Ministerpräsident Charles Michel vor dem Hintergrund des Streits um den UN-Migrationspakt Ende vergangenen Jahres gemeinhin als Umwerben potenzieller Wähler des Vlaams Belang gewertet. Die Taktik ist anscheinend nicht aufgegangen. „Die Leute wählen lieber das Original als eine Kopie“, kommentierte die Chefin der Brüsseler Sozialisten, Laurette Onkelinx, am Wahlabend. Hinzu kommt, dass der Vlaams Belang in den vergangenen Jahren einen Imagewandel vollzogen hat, ohne inhaltlich von radikalen Positionen abzurücken.
Gute internationale Vernetzung
Die heutigen Anführer des Vlaams Belang sind jung, smart und internetaffin. Aushängeschilder sind etwa der 32-jährige Parteivorsitzende Tom Van Grieken und Spitzenkandidat Dries Van Langenhove, ein 26-jähriger Jura-Student.
Die Wahlkampagne fand vor allem in den sozialen Netzwerken statt. „Der Vlaams Belang ist die erste Partei in der Geschichte Belgiens, die eine Wahl über das Internet gewonnen hat“, analysierte die Tageszeitung De Morgen am Tag nach dem Urnengang.
Zum neuen Image gehört auch eine gute internationale Vernetzung. Der Vlaams Belang zelebriert seit einiger Zeit Einigkeit mit den französischen Rechtspopulisten von Marine Le Pen. In Wahlwerbespots der Partei auf Facebook trat neben Le Pen auch der italienische Innenminister und Chef der fremdenfeindlichen Lega-Partei, Matteo Salvini, auf.
Vergangenen Sommer drehte Spitzenkandidat Langenhove mit seiner rechtsextremen Jugendorganisation Schield en Vrienden öffentlichkeitswirksam ein Video mit dem ungarischen Regierungschef und erklärten Einwanderungsgegner Viktor Orban.
Auch die starke Fragmentierung der politischen Landschaft in Belgien hilft den Radikalen. So reichten am Sonntag lediglich 18 Prozent der Stimmen im flämischen Landesteil, um die drittgrößte Fraktion im nationalen Parlament zu bilden.
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