Standpunkt / Was die G20 für grünes Wachstum tun können
Wenn sich diese Woche Finanz- und Klimaminister zu den Jahrestagungen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbankgruppe in Washington einfinden, sollten sie sich auf die Notwendigkeit neuer wirtschaftlicher Entwicklungspfade konzentrieren, die mit dem Ziel des Pariser Klimaabkommens vereinbar sind, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Im Abschlussbericht der Expertengruppe der G20-Taskforce für eine globale Mobilisierung gegen den Klimawandel (deren Ko-Vorsitzende wir sind) werden die G20, auf deren Mitglieder etwa 85 Prozent des weltweiten BIP entfallen, aufgefordert, grüne Industriestrategien in Verbindung mit umfassenden Finanzreformen voranzutreiben. Die Entwicklung sollte sich an den national festgelegten Beiträgen (NDCs) orientieren – dem im Pariser Klimaabkommen verwendeten Begriff für die Pläne der Länder zur Emissionsreduzierung – und so geregelt sein, dass die Gerechtigkeit innerhalb und zwischen den Ländern hervorgehoben wird. Ohne einen Kurswechsel wird die globale Erwärmung voraussichtlich 3 Grad überschreiten, wodurch wir bis 2050 mindestens 18 Prozent des globalen BIP einbüßen werden. Die vorherrschenden Wachstumsmodelle steuern den Planeten in Richtung Kollaps, mit potenziell irreversiblen Folgen für Menschen und Volkswirtschaften. Da die G20-Mitgliedstaaten für 80 Prozent der aktuellen und vergangenen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, sollten sie auch 80 Prozent der Emissionsreduktion übernehmen, die zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels erforderlich ist.
Die Klimakrise ist eine direkte Folge wirtschaftlicher Entscheidungen. Um die Richtung des Wirtschaftswachstums so zu ändern, dass die Grenzen des Planeten respektiert werden, müssen grüne Industriestrategien über die bloße Auswahl bevorzugter Sektoren oder Technologien hinausgehen. Orientieren sich diese Strategien an der Erfüllung von „Missionen“ wie den NDCs, können sie Innovationen und Investitionen in vielen verschiedenen Sektoren beschleunigen und so einen Wandel in der gesamten Wirtschaft vorantreiben.
Unternehmen zu hohen Standards verpflichten
Anstatt bestimmte Sektoren mit wenigen Auflagen zu subventionieren, sollten Regierungen versuchen, aufgeschlossenen Unternehmen aller Größen und Sektoren neue Marktchancen zu eröffnen. Dabei gilt es, diese Unternehmen zu hohen Standards im Hinblick auf Treibhausgasemissionen, Löhne, Unterstützung der Arbeitnehmer im Zuge struktureller wirtschaftlicher Veränderungen sowie Reinvestition von Gewinnen in produktive Tätigkeiten wie Forschung und Entwicklung zu verpflichten. Um den notwendigen Wandel zu beschleunigen, müssen Regierungen unbedingt die (nach wie vor weiter steigenden) Subventionen für fossile Brennstoffe für andere Zwecke verwenden und die öffentliche Unterstützung für fossilintensive Branchen von der Dekarbonisierung abhängig machen.
Die Umsetzung grüner Industriestrategien sollte nicht allein Aufgabe der Industrie- oder Klimaministerien sein. Um die NDC-Ziele zu erreichen, ist das Engagement aller Regierungsstellen und eine Neugestaltung der wichtigsten Institutionen und Instrumente – nicht zuletzt des öffentlichen Beschaffungswesens und der öffentlichen Finanzen – notwendig.
Eine grüne Industriestrategie erfordert auch eine globale Perspektive. Wir brauchen neue globale Governance-Strukturen, die ihren Fokus auf Gerechtigkeit legen und sicherstellen, dass alle Länder von grünem Wachstum profitieren. Da die Klimakrise eine globale Herausforderung darstellt, erfordert ihre Bewältigung globale Zusammenarbeit – unter anderem durch Abkommen zum Technologie- und Wissenstransfer und durch Unterstützung beim Aufbau grüner Produktionskapazitäten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.
Alle Länder – auch die weniger wohlhabenden
Zu diesem Zweck muss der Zugang zu grünen Finanzierungen weltweit verbessert werden. Wohlhabendere Länder – insbesondere diejenigen, die mehr zu den historischen Treibhausgasemissionen beigetragen haben – sollten ihre größere Finanzkraft nutzen, um die Ausweitung grüner Finanzierungen zu unterstützen und zu gewährleisten, dass diese erschwinglich, geduldig (langfristig) und risikotolerant gestaltet werden.
Ohne derartige Unterstützung werden Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen weiterhin fiskalisch eingeschränkt bleiben, sodass sie kaum in grüne Industriestrategien oder Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen investieren können. Diese Länder werden in einen Teufelskreis aus zunehmender Anfälligkeit gegenüber Klimaveränderungen und sich verschlechternden öffentlichen Finanzen geraten.
Die aktuelle Ungleichheit bei der globalen Zuteilung grüner Finanzierung ist eklatant. Seit 2021 haben Länder mit hohem Einkommen und China über 90 Prozent der neuen Investitionen in saubere Energie angezogen, während die Kreditkosten für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen weiter gestiegen sind. Obwohl diese Länder am wenigsten für Treibhausgasemissionen können, werden sie mit einer „Klimarisikoprämie“ belastet, die die Finanzierungskosten in die Höhe treibt.
Grünes Wachstum ist ein Gebot der Stunde
Daher sollten sich die G20 für eine Ausweitung langfristiger konzessionärer Kredite, Zuschüsse sowie Schulden- und Liquiditätserleichterungen einsetzen, damit alle Länder grünes Wachstum ohne Erhöhung ihrer Schuldenlast erzielen können. Darüber hinaus gilt es, bestehende Anstrengungen – wie die Bridgetown-Initiative – zu unterstützen, um eine gerechtere globale Finanzarchitektur zu erreichen. Aufbauend auf der Arbeit von Finance in Common sollten nationale Entwicklungsbanken in die Lage versetzt werden, geduldiges, NDC-konformes Kapital in größerem Umfang bereitzustellen, unter anderem durch verstärkte Zusammenarbeit mit multilateralen Entwicklungsbanken. Diese Institutionen sind gut positioniert, um grüne Finanzierungen zu steuern, und können dabei auf ihr Wissen um lokale Gegebenheiten, ihre öffentlichen Mandate und ihr Potenzial zur Mobilisierung von privatem Kapital zurückgreifen, das andernfalls vor risikoreicheren Projekten zurückschrecken würde.
Schließlich ist ein stabiler Finanzsektor, der systemische Klimarisiken berücksichtigt, für die Beschleunigung und Aufrechterhaltung des grünen Übergangs von entscheidender Bedeutung. Die G20 können die Bedeutung aufsichtsrechtlicher Regulierungsbehörden stärken, damit diese robustere interoperable Taxonomien einführen, um die Offenlegung zu verbessern, die Datenerhebung zu optimieren und die Vorhersagemodelle für das Klima zu verbessern.
Ebenso kommt den Zentralbanken eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, klimabezogene Finanzrisiken zu berücksichtigen und Bedingungen zu schaffen, die mehr private Finanzmittel in grüne Investitionen fließen lassen und Finanzströme in CO2-intensive Projekte verhindern. Dies wäre keine Abkehr von den bestehenden Mandaten der Zentralbanken. Tatsächlich kann „Marktneutralität“ den widersinnigen Effekt haben, günstige Finanzierungsbedingungen für CO2-intensive Aktivitäten zu schaffen, die letztlich die makroökonomische und finanzielle Stabilität bedrohen.
Wir fordern die G20 unter der Präsidentschaft Brasiliens auf, den Weg für neue wirtschaftliche Entwicklungen zu ebnen, und appellieren an die kommende südafrikanische G20-Präsidentschaft, diese Agenda voranzutreiben. Grünes Wachstum ist nicht nur möglich, sondern ein Gebot der Stunde.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.
Mariana Mazzucato ist Gründungsdirektorin des UCL Institute for Innovation and Public Purpose. Vera Songwe ist leitende Beraterin am Institut für Finanzstabilität der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Die beiden sind Ko-Vorsitzende der Expertengruppe der G20-Taskforce für eine globale Mobilisierung gegen den Klimawandel.
Copyright: Project Syndicate, 2024.
www.project-syndicate.org
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