Deutschland / Wie das Verfassungsgericht besser geschützt werden soll
Der deutsche Justizminister Buschmann und Vertreter von Parteien der Mitte wollen das Bundesverfassungsgericht besser schützen. Denn in anderen Ländern haben Verfassungsfeinde vorgemacht, wie schnell sich die Demokratie demontieren lässt.
Gerade erst hat die Bundesrepublik das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes gefeiert. Die Verfassung gilt als gut gewappnet gegen Angriffe von Antidemokraten. Doch demokratische Grundpfeiler wie das Bundesverfassungsgericht bedürfen nach Ansicht von Experten einer besseren rechtlichen Absicherung als bislang. Um das rasch auf den Weg zu bringen, haben Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Vertreter der Ampel-Fraktionen sowie der Union einen Reformvorschlag erarbeitet. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Plänen.
Was ist der Grund für die Reformpläne? Auslöser der Debatte um eine Stärkung des Bundesverfassungsgerichts waren Justizreformen der PiS-Regierung in Polen, die das dortige Verfassungsgericht schwächten, und in Ungarn. Es ist ein beliebtes Mittel von Feinden demokratischer Strukturen, Mechanismen zur Kontrolle von Macht außer Kraft zu setzen. Da das Bundesverfassungsgericht als wichtige Instanz für die Kontrolle und Korrektur des Regierungshandelns wirkt und es aus Expertensicht Defizite in dessen rechtlicher Absicherung gibt, entstanden die nun vorgestellten Reformpläne.
Was genau wird nun in den Blick genommen? Konkret geht es darum, wesentliche Merkmale des Gerichts wie seine Größe, Regeln zu den Richtern und deren Wahl und zur Geschäftsordnung besser vor einfachen Änderungen und damit vor politischem Missbrauch abzusichern. Die Hürden für Eingriffe sollen also angehoben werden.
Worin besteht das Problem bei der bisherigen Regelung aus Sicht der Experten? Bislang ist es so, dass das Grundgesetz, also die Verfassung, wenig Vorgaben zur Struktur des Bundesverfassungsgerichts macht. Wesentliche Grundlagen formuliert das Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Es ist ein sogenanntes einfaches Gesetz, das mit einfacher Mehrheit im Bundestag geändert werden könnte. Sollte es im Bundestag einmal eine Mehrheit von Verfassungsfeinden geben, hätte diese aus Sicht der Befürworter der Reform zu leichtes Spiel, die Axt am Verfassungsgericht anzulegen.
Wie wollen sie das Problem konkret beheben? Künftig sollen wesentliche Merkmale des Gerichts im Grundgesetz verankert werden. Denn für Grundgesetzänderungen ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und anschließend auch im Bundesrat notwendig. Verfassungsrang sollen nun insbesondere der Status des Gerichts, seine Geschäftsordnungsautonomie, die Aufteilung in zwei Senate und die Zahl von 16 Richterinnen und Richtern bekommen. Ebenfalls festgeschrieben werden soll, dass die Richter höchstens zwölf Jahre und bis zu einer Altersgrenze von 68 Jahren im Amt sein können. Bereits im Grundgesetz festgelegt ist, dass die Richterinnen und Richter je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt werden – und zwar jeweils mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Eine politische Kraft, die zum Beispiel im Bundestag mehr als ein Drittel der Sitze hätte, könnte jedoch die Wahl blockieren.
Immer handlungsfähig
Welchen Mechanismus haben sich Buschmann und die Fachpolitiker überlegt? In das Grundgesetz eingefügt werden soll eine sogenannte Öffnungsklausel: Wenn es eines der Parlamente nicht schafft, eine vakante Richterstelle rechtzeitig zu besetzen, könnte das jeweils andere das Wahlrecht ausüben. Das Gericht werde dadurch „immer entscheidungsfähig und handlungsfähig“ sein, betonte der SPD-Abgeordnete Johannes Fechner.
Wie schnell kann das gehen? Nach der Einigung der Fraktionen soll nun im Bundestag ein konkreter Gesetzentwurf zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts formuliert werden. Fechner zufolge wird eine Beratung und Verabschiedung noch bis Jahresende angestrebt.
Wie kommen die Pläne in Fachkreisen an? Juristenverbände begrüßten die Reformpläne von „Ampel“ und Union: Der Deutsche Anwaltverein (DAV) sprach von „wichtigen und klugen Vorschlägen“. Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds (DRB), Sven Rebehn, sagte, die angekündigte Absicherung könne „nur ein erster Schritt sein“. Auch in den Bundesländern seien Initiativen nötig, um die Justiz besser vor politischer Einflussnahme zu schützen. Vom Verfassungsgericht gab es am Dienstag zunächst keine Stellungnahme.
Wird bei den Plänen ein Bezug zur AfD hergestellt? Nein, allerdings war das Erstarken der AfD auch ein Grund für die Initiative der Ampel und der Union. Die Partei wird in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet. Die AfD kritisierte die Pläne. Ziel müsse die „Entpolitisierung der Justiz“ sein, etwa bei der Richterwahl, erklärte der stellvertretende AfD-Bundessprecher Stephan Brandner. „Dass seitens der ganz großen Einheitskoalition keine Schritte eingeleitet werden, die diese wichtige Thematik betreffen, ist beschämend.“ (mit dpa)
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