/ Wie weiter, Italien? Nach dem guten Abschneiden der Lega bei der EU-Wahl gerät M5S unter Druck
Die rechtsgerichtete Lega von Innenminister Matteo Salvini hat bei den Europawahlen den bislang größten Triumph ihrer Geschichte eingefahren.
Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner, Florenz
Der Koalitionspartner von der Fünf-Sterne-Bewegung stürzte regelrecht ab. Das Gleichgewicht in der römischen Regierung ist verloren, Premier Giuseppe Conte wird sich in den kommenden Wochen zunehmendem Druck der Lega ausgesetzt sehen. Eine stabile Politik könnte gefährdet sein.
Am Tag nach der Europawahl beeilte sich Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini, dem amtierenden Ministerpräsidenten Giuseppe Conte seine Loyalität zu versichern. Ungeachtet dieser Erklärung kostete der Lega-Chef seinen Triumph vollends aus: Seine auf ganz Italien ausgedehnte Partei erhob sich mit einem Stimmenanteil von 34,3 Prozent zur stärksten politischen Kraft des Landes. Koalitionspartner Movimento 5 Stelle rutschte dramatisch auf 17,1 Prozent ab und musste selbst die zuletzt schwer angeschlagene Demokratische Partei (PD) mit 22,7 Prozent Wählerstimmen an sich vorbeiziehen lassen.
Das Gleichgewicht in der römischen Regierung ist schwer gestört. Salvini kündigte nach seinem Sieg nicht nur an, die Geografie Europas neu schreiben zu wollen, sondern auch, die Lega-Interessen in Italien umsetzen zu wollen. Andernfalls werde man die Regierungsbeteiligung aufkündigen und zu Neuwahlen schreiten.
Regierungschef Conte in Warteposition
Auf seiner Pressekonferenz nach dem Wahlsonntag kündigte Salvini an, die Regierung werde nun zügig zum Ausbau der Hochgeschwindigkeitstrasse TAV zwischen Turin und Lyon schreiten. Zudem würden die Autonomiebestrebungen der nördlichen Regionen umgesetzt. Damit kommt der Parteichef den ursprünglichen Zielen der einst als Lega Nord gegründeten Vereinigung nahe. Salvini muss den Forderungen seiner Anhänger entsprechen, etliche Mitglieder aus der Lombardei und Venetien hatten bereits Kritik angemeldet, dass ihre Interessen in der erweiterten Partei nicht mehr berücksichtigt würden.
Vor allem aber kündigte der Innenminister an, die Maßnahmen gegen neue Flüchtlingsströme und -aufnahmen noch weiter zu verschärfen und das Land weiter abzuschotten. „In den linken Hochburgen, bei den Samaritern der Flüchtlinge, in Riace und Lampedusa, hat die Lega mit 30 Prozent abgeschlossen. Das ist die einzige Antwort auf die Frage, wie mit den Migranten zu verfahren ist“, erklärte Salvini überzeugt von der Richtigkeit seiner Ausgrenzungspolitik.
Eisernes Schweigen
Premier Giuseppe Conte gab bislang keine Erklärung zum Wahlausgang ab. Aus seiner Umgebung wurde immerhin kolportiert, der Regierungschef hoffe, dass die vom Wahlkampf beeinflussten Spannungen der letzten Wochen sich nun legen würden und man zur sachlichen Arbeit zurückkehren könne. Er sei nicht gewillt, länger den „Schiedsrichter in einer Streitpartie zwischen Lega und M5S“ zu geben.
Allerdings werden die Aufgaben des Regierungschefs nicht leichter zu lösen sein. Der Wahltriumph der Lega wird erheblichen Druck auf Conte ausüben, immer mit der Drohung im Hintergrund, die Lega könne die Koalition aufkündigen, falls ihre Interessen nicht durchgesetzt werden. Dies schafft für Conte eine unkomfortable Situation, zumal sich die Vertreter der Sternebewegung bedeckt halten.
Ungewöhnlich für die sonst medienagile Bewegung ist das anhaltende Schweigen. Nicht ein Vertreter von M5S trat vor die wartende Presse, um eine Stellungnahme zum Wahldebakel abzugeben. Die Bewegung befindet sich derzeit in einer merkwürdigen Pattsituation. Zwar stellt man im Parlament mit 32 Prozent nach wie vor die größte Fraktion. Doch ist bereits klar, dass sich dies mit nun anberaumten Neuwahlen dramatisch ändern würde und die „Grillini“ dann wohl eher die Oppositionsbänke drücken dürften. Parteigründer Beppe Grillo kommentierte den Wahlausgang entsprechend sarkastisch: „Ab heute nur noch Radio Maria und gregorianische Gesänge.“
PD-Chef Zingaretti hielt Schaden in Grenzen
Italien zeigt sich am Tag nach der Wahl zweigeteilt: Im Norden und in der Mitte dominiert die Lega, nur im Süden und auf Sizilien führt noch M5S. Mit 22,7 Prozent Stimmanteilen stellte sich die sozialdemokratische PD besser auf als erwartet. Zwar konnte die Partei nur in der Region Toscana dominieren, doch gingen auch die großen Städte Mailand, Rom, Genua, Florenz und Trento an PD. Und wenn Salvini auch euphorisch verkündete, die Lega habe auf Lampedusa 30 Prozent der Stimmen erzielt, triumphierte hier doch der PD-Kandidat und Arzt Pietro Bartolo.
Parteichef Nicola Zingaretti zeigte sich über das Abschneiden äußerst zufrieden. „Die Wähler haben verstanden, dass wir die echte Alternative zum Rechtspopulismus sind“, so Zingaretti. Allerdings muss beachtet werden, dass nach den vorliegenden Zahlen die rechten Kräfte auch einen Parlamentswahlsieg davontragen würden. Neben den 34,3 Prozent der Lega erntete Silvio Berlusconis Forza Italia immerhin zehn Prozent – der Ex-„Cavaliere“ wird EU-Abgeordneter – und die postfaschistischen Fratelli d’Italia kamen auf 6,28 Prozent. Eine derartige Drei-Parteien-Koalition könnte die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus stellen. Will Regierungschef Conte eine solche Entwicklung vermeiden, muss er wohl etliche Kompromisse mit seinem Vize Salvini eingehen.
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„der Ex-„Cavaliere“ wird EU-Abgeordneter “ Neue Botrox-Kur und weiter geht’s. Für jemanden den man einst um ein Haar im Kitchen gesehen hatte,eine glänzende Wendung.