Gemeindesyndikat / „De Réidener Kanton“, eine 30-jährige Erfolgsgeschichte
Zehn Gemeinden im Westen Luxemburgs arbeiten seit drei Jahrzehnten in vielen Bereichen eng zusammen. In diesem Jahr sollte diese Kooperation ausgiebig gefeiert werden. Die Feierlichkeiten fielen aber der Covid-19-Seuche zum Opfer. Aber was ist eigentlich das interkommunale Syndikat „De Réidener Kanton“?
Das interkommunale Syndikat „De Réidener Kanton“ besteht aus den zehn Gemeinden Beckerich, Ell, Grosbous, Préizerdaul, Rambrouch, Redingen, Saeul, Useldingen, Vichten und Wahl. Mit einer Fläche von 267,5 Quadratkilometern ist der Kanton Redingen hinter Clerf (322 Quadratkilometer) der zweitgrößte des Landes. Bei der Bevölkerungszahl liegt er aber nur auf dem 9. Rang, mit 18.664 Einwohnern. Redingen ist ein eher ruraler Kanton, wo die Forst- und Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielen. Der Kanton zählt aber auch zwei große Gewerbezonen: der „Riesenhaff“ in Rambrouch (4,5 Hektar) und „Solupla“ in Redingen (5 Hektar). In den etwa 50 dort ansässigen Unternehmen arbeiten mehr als 700 Personen. In den kommenden Jahren ist eine Erweiterung der Gewerbezone „Solupla“ um 5 Hektar vorgesehen. Schätzungen zufolge werden dann ungefähr rund 1.000 Arbeitnehmer in den beiden Aktivitätszonen des Kantons beschäftigt sein.
Um den „Wilden Westen“, wie die lokale Bevölkerung ihre Region liebevoll nennt, zu fördern und zu entwickeln, wurde am 6. März 1990 das interkommunale Syndikat „De Réidener Kanton“ ins Leben gerufen. Gründungsmitglieder waren damals die Gemeinden Bettborn (heute Préizerdaul), Ell, Rambrouch, Redingen und Saeul. Die anderen Gemeinden kamen später hinzu: Beckerich im Jahr 1991, Grosbous und Vichten 1995, Wahl 1998 und Useldingen 2000.
Gemeinsam entscheiden
Das Syndikat funktioniert nach dem Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, dass jede Mitgliedsgemeinde sämtliche Projekte, die sie nicht alleine verwirklichen kann, oder Probleme, die sie auf eigene Faust nicht lösen kann, an das Syndikat weiterleiten kann, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. „De Réidener Kanton“ wird durch die Beiträge seiner Mitgliedsgemeinden finanziert. Dabei werden die Beiträge nach der Einwohnerzahl der Gemeinden berechnet. Das Bündnis erhält aber auch staatliche Subventionen, zum Beispiel bei der Verwirklichung seiner Projekte.
Die Ziele des Syndikats sind klar definiert. Die Steigerung der Attraktivität der Region in vielen Bereichen steht dabei an erster Stelle. Der interkommunale Zweckverband setzt sich unter anderem für den Erhalt und die Entwicklung der wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Aktivitäten in den betroffenen Gemeinden ein. Daneben spielt der Tourismus eine wichtige Rolle, erklärt der Beckericher Bürgermeister und Syndikats-Präsident Thierry Lagoda. Der Kanton sei für seine vielfältigen Wander- und Fahrradwege bekannt. Mehrere Übernachtungseinrichtungen seien dabei, geschaffen zu werden. In Schweich, Niederpallen, Reichlingen, Useldingen, Hüttingen, Oberpallen und Wahl sollen für Wander- und Fahrradtouristen demnächst Unterkunftsmöglichkeiten entstehen. Die Region sei das ideale Urlaubsziel für Anhänger des sogenannten „Slow-Tourism“, der als Ziel hat, Stress-mindernd zu wirken, sagt Lagoda.
Der Tourismus stellt aber nicht die einzige Priorität dar. Im Bereich der Kinderbetreuung unterhält der „Réidener Kanton“ zum Beispiel die Kindertagesstätte „A Butzen“ in Reichlingen und in mehreren Ortschaften bieten die Jugendtreffs Teenagern eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung an. Das Programm „Youth and Work“ indes hilft jungen Menschen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. In Zusammenarbeit mit dem „Atert-Lycée Redange“ werden außerdem Jugendkonferenzen organisiert, um auf die Belange der Region zu sensibilisieren. Um die Gleichbehandlung zu fördern, wurde 2003 das „Genderhaus“ in Redingen geschaffen.
Senioren, Nachwuchs, Umwelt …
Bei den Senioren hat sich das Bündnis mit 20 Prozent an den 1998 bis 2002 verwirklichten Umbauarbeiten des Altenheims der Franziskanerschwestern in Redingen beteiligt. Die Mitgliedsgemeinden verfügen als Gegenleistung in der Einrichtung über eine gewisse Anzahl an Betten für ihre Einwohner. Das Syndikat beteiligt sich ebenfalls mit 2,4 Millionen Euro an der sich im Bau befindenden Erweiterung des „Home pour personnes âgées“ (HPPA). Im Gegenzug erhalten die Gemeinden dann 27 zusätzliche Betten.
Die „Réidener Schwemm“, die 2003 ihre Tore öffnete, gehört neben dem „Sport-Krees Atert“ ebenfalls zu den Errungenschaften des Syndikats. Auch wurde ein kantonaler Bustransport ins Leben gerufen. Mit Erfolg, denn beim öffentlichen Verkehr zählt die Region zu den am besten vernetzten Landesteilen. „De Réidener Kanton“ ist inzwischen auch für seine innovativen Projekte bekannt, unter anderem im Umweltbereich und im Energiesparen. Das „Energie-Atelier“ bietet den Bürgern eine kostenlose Energieberatung an und gibt Auskunft über die mannigfaltigen Prämien, die im Rahmen des Klima- und Umweltschutzes beantragt werden können. Um den Klimaschutz zu fördern, ist außerdem der Bau von fünf Windkraftanlagen in den Gemeinden Rambrouch, Redingen und Ell geplant. Das Vorhaben wurde anfangs heftig kritisiert. Die Verantwortlichen des Syndikats schafften es aber, in mehreren Infoveranstaltungen die Zweifel zu beseitigen. „Jetzt warten viele Einwohner der Region sogar auf die Umsetzung des Projektes, weil sie Anteile des Windparks erwerben wollen“, so ein Mitarbeiter der Gesellschaft Solar, die ein Gemeinschaftsunternehmen der „Société électrique de l’Our“ (SEO) und des Stromlieferanten Enovos ist und die Mehrzahl der Windkraftanlagen hierzulande betreibt.
Auf kultureller Ebene wurde außerdem das 150-jährige Jubiläum des Kantons mit einer Buchpublikation gefeiert. Das Syndikat unterstützt ebenfalls die Redinger Musikschule, wo rund 800 Schüler eingeschrieben sind. Aktuell wird über die Schaffung einer regionalen Bibliothek und Medienbibliothek nachgedacht. Das Kulturministerium habe schon seine Unterstützung für das Projekt angekündigt, freut sich der Präsident.
Über die Grenzen hinweg
Aber auch auf internationaler Ebene ist das Syndikat aktiv. So wird eng mit den belgischen Partnern der Vereinigung „Vallée de l’Attert“ kooperiert. Am 9. Mai wurde trotz Pandemie der Europatag beim „Marais de Grendel“ in der luxemburgisch-belgischen Grenzregion begangen. Die Europa-Flagge wurde gehisst und ein Appell für offene Grenzen gemacht.
Im „Réidener Kanton“ werden des Weiteren viele Leader-Projekte (EU-Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums) verwirklicht. „Wir sind eine Art Test-Labor. Wenn die Idee hier funktioniert, wird sie auch woanders umgesetzt“, sagt Lagoda. Ein Beispiel ist das Projekt ARNU. Träger ist die Vereinigung „Autisme Luxembourg“. Dabei handelt es sich um die Schaffung einer Plattform, auf der Informationen über das historische und kulturelle Erbe der Region digital erfasst und gespeichert werden. Bei einem Erfolg könnte es eine nationale Anwendung finden, heißt es.
Keine Parteipolitik
Der Erfolg des „Réidener Kanton“ liege vor allem in der guten Zusammenarbeit quer durch alle politischen Parteien, betonte der erste Präsident des „Réidener Kanton“, Emile Calmes, vor einigen Jahren. Auf den Gründerpräsidenten folgten Camille Gira und Henri Mausen als Vorsitzende der Gruppierung. Der aktuelle Vorsitzende Thierry Lagoda bestätigte in unserem Gespräch die Aussage des ehemaligen DP-Abgeordneten und Bürgermeisters der Gemeinde Préizerdaul Emile Calmes. Die Kooperation gehe immer noch über die Grenzen der Gemeinden und politischen Gruppierungen hinaus. Die Beschlüsse des Bündnisses erfolgen einstimmig. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass alle Gemeinden die Entscheidungen mittragen.
Eine weitere Erfolgsgeschichte ist die regionale Währung „Beki“, die im Jahr 2013 eingeführt wurde. „2019 war das beste Jahr des Beki“, freut sich Lagoda. Demnächst wird es auch möglich sein, digital mit Bekis zu bezahlen. Auf diese Weise soll die Regionalwährung noch interessanter für Geschäfte und Kunden gemacht werden. 2019 waren im Durchschnitt 178.000 Bekis (Gegenwert 178.000 Euro) im Umlauf. Rund 100 Betriebe beteiligen sich laut einer rezenten Studie am System. Apropos Geschäfte: Während des Corona-Lockdowns wurde die Initiative „Shop Local“ ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine Liste mit Läden und Restaurants, die während der Krise geöffnet hatten. Solidarität wird eben großgeschrieben in der Region. „Gemeinsam sind wird stark“, betont Thierry Lagoda abschließend.
Feierlichkeiten: Stichdatum 2021
In diesem Jahr sollten Feierlichkeiten anlässlich des 30. Jubiläums des interkommunalen Syndikats stattfinden. So sollte am Vorabend des Nationalfeiertags zum Beispiel das großherzogliche Paar nach Redingen kommen. Dort war beim „Worré-Haus“ ein großes Volksfest geplant, mit einem Konzert der regionalen Musikschule, Informations- und Verkaufsstände usw. Die Feier fiel aber der Corona-Pandemie zum Opfer und soll nächstes Jahr aber nachgeholt werden. Auch die anderen Events, die im Rahmen des Geburtstags vorgesehen waren, wurden entweder abgesagt oder auf ein späteres Datum verschoben.
- Roland Breyer, ein Leben im Dienst der Gemeinde - 17. September 2020.
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- Klimafreundliche Mobilität - 13. September 2020.
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