Hip und bequem / Die „Mini-Entreprise“ Ekomfort produziert begehrte Sitzgelegenheiten
Philippe Mosar (18) sitzt gerne bequem. Daraus ist Ekomfort entstanden. Das Geschäft mit den Sitzsäcken aus recyceltem Material boomt. Es boomt so sehr, dass die „Mini-Entreprise“ der Schüler des „Lycée Aline Mayrisch“ zeitweise nicht mehr liefern konnte. Nach dem Hauptpreis beim Wettbewerb der „Jonk Entrepreneuren“ soll es als richtige Firma weitergehen.
Am Anfang der Geschichte steht ein Wunsch. Philippe Mosar (18), noch Schüler, will sein Zimmer umdekorieren. Im ersten Lockdown, ins Homeschooling verbannt, hat er viel Zeit, nachzudenken. Die Einrichtung passt nicht mehr und er findet, Sitzsäcke sind eine gute Idee. Sie sind bequem, chillig und „hip“. Die Idee scheitert am Geld. Alle handelsüblichen Produkte sind sehr teuer.
Das ergibt seine erste Recherche. Außerdem bietet der Markt nichts aus recyceltem Material. „Styropor landet in der Natur“, sagt der Schüler einer 2e-Klasse. „An eine Wiederverwendung denkt niemand.“ Der logische Schluss ist: Wenn es nichts gibt, dann muss er das selbst in die Hand nehmen. Er gründet Ekomfort und produziert die Sitzsäcke ökologisch.
Wie durchdacht die Geschäftsidee ist, hat die Jury des Wettbewerbs der „Jonk Entrepreneuren“ überzeugt. Ekomfort gewinnt in diesem Jahr den Hauptpreis. Das sagt Claudia da Silva (31), Koordinatorin „Evènements“ bei der Organisation für den unternehmerischen Nachwuchs.
Konsequent durchdachte Geschäftsidee
„Sie haben das von A bis Z durchgezogen“, sagt sie. „Vom Stoff bis zur Befüllung, selbst das rote Logo auf den Sitzkissen ist aus recyceltem Material.“ Außerdem entsteht die Idee in einem Wahlfach. Philippe hätte sich auch für Russisch, Informatik oder Theater entscheiden können. Kein Interesse.
Er meldet sich stattdessen für das Wahlfach „Mini-Entreprise“, lanciert die Idee, sucht nach Mitstreitern und findet sie. 13 weitere Schüler aus anderen Klassen sind bereit, mitzumachen. Sie lernen nähen, nach Lieferanten zu suchen und den Verkauf zu managen. „Wie sie das trotz erschwerter Corona-Bedingungen gemacht haben, war ein weiterer Pluspunkt“, sagt da Silva.
Das Hauptmaterial, den Stoff, liefert ein Hersteller von Sonnensegeln aus Luxemburg. Er nimmt ausrangierte Markisen zurück und ist für die Schüler genau der Richtige. Das Styropor liefert ein Sanitär- und Heizungsbauer aus Luxemburg und Recyclingcenter in Luxemburg und Hesperingen. Mit einer Mischung aus beidem befüllen die Schüler die Sitzkissen. Das Konzept schlägt ein.
Unerwarteter Erfolg
Die neun Sitzsäcke, die in einem Klassenzimmer des Lyzeums liegen, sind reserviert und vorbestellt. Die Lieferzeit hat sich auf einen guten Monat verlängert. „Wir haben anfangs mit einem Verkauf von 50 Stück gerechnet, wurden dann aber überrascht durch die hohe Nachfrage“, sagt Philippe. Dafür haben sich die bis dato im Business unerfahrenen Schüler organisieren müssen.
Mittlerweile gibt es fünf verschiedene Abteilungen. Marketing, Produktion, Verwaltung und Finanzen funktionieren wie in einem richtigen Unternehmen. Philippe Mosar teilt sich zusammen mit Mitschülerin Lara Silva den Posten als CEO. Was sagt er nach knapp einem Jahr als Gründer eines „Start-ups“ mit steiler Karriere?
„Das hätte ich mir nie vorgestellt“, gibt er unumwunden zu. „Wir haben so vieles an uns entdeckt, was wir nie vermutet hätten.“ Der permanente Lernprozess bringt bei allen brachliegende Leidenschaften hervor. Philippe selbst gewinnt an Selbstbewusstsein und entdeckt, dass er sehr wohl mit Kunden wie auch mit Lieferanten umgehen kann.
Ekomfort soll eine Zukunft haben
Aktuell arbeitet er mit den anderen an der Zukunft von Ekomfort. Schließlich gibt es ein überzeugendes Verkaufsargument. „Wir sind weitaus günstiger als andere“, sagt er. „Und es gibt in der nahen Umgebung keinen anderen Anbieter.“ Ganz frisch ist die Zusammenarbeit mit Behindertenwerkstätten, um die Produktion auszulagern.
Das Abitur steht bevor und da bleibt weniger Zeit für die Produktion. Den Weg anderer Unternehmen – gerade in der Textilbranche – ins ferne, billige Ausland auszulagern, gehen sie nicht. „Sozial“ ist eine der oft vernachlässigten Komponenten, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Die „Mini-Entreprise“ bleibt auf Linie.
Rund 30 Prozent des Verkaufspreises – mal mehr, mal weniger – bleiben bei der „Mini-Entreprise“ hängen. Derjenige, der darüber wacht, ist CFO Philippe Elvinger (17). Er hat das Interesse für Unternehmensfinanzen ein wenig in den Genen. Sein Vater arbeitet freiberuflich. Bei Ekomfort macht der Sohn die Buchführung und entscheidet beim Einkauf der Rohmaterialien mit.
Als die Anfrage des anderen Philippe kommt, reizt es ihn, das Dasein als Unternehmer auszuprobieren. Es gefällt. Das Gleiche sagt sein Chef. „Es fühlt sich für mich nicht nach Arbeit an, sondern eher nach etwas, das riesigen Spaß macht.“ Aussagen wie diese kratzen heftig an einem gängigen Klischee: Wer kann, will Staatsbeamter werden.
Ekomfort
Die Sitzsäcke sind aus 100 Prozent recyceltem Material. Der Stoff ist wasserabweisend, aber nicht wasserdicht. Obwohl sie outdoor-tauglich sind, müssen die Sitzkissen bei schlechtem Wetter ins Haus geholt werden. Momentan suchen die Schüler nach der richtigen Geschäftsform für ihr „Start-up“, um es legal auf juristische Beine zu stellen. Bislang ist es eine Kooperative, die mit rund 1.200 Euro Startkapital losgelegt hat. Beim Wettbewerb der „Jonk Entrepreneuren“ haben sie neben dem Hauptpreis noch drei weitere Preise gewonnen: den Leadership Award, den Preis für den besten Businessplan und den Preis für Innovation. Weitere Details gibt es auf www.ekomfort.lu.
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