Citymanagement / Grevenmacher: „Nationbranding“ im Städteformat
Es war ein längst notwendiger Schritt. Die Moselmetropole Grevenmacher ist in den letzten Jahren beständig gewachsen und will nun ihren urbanen Anspruch einlösen. Keine einfache Aufgabe für den „Neuen“ in der Gemeinde.
In sein Büro will Tom Schartz (38) nicht bitten. „Noch nicht richtig eingerichtet“, sagt er ein wenig verlegen und bittet an dem sonnigen Mittag auf eine Bank neben dem Rathaus. Der gelernte Kommunikationsdesigner ist ein visuell geschulter und orientierter Mensch. Da muss das Umfeld für ein Gespräch über seine Arbeit stimmen.
Dass sein Büro noch den Feinschliff braucht, bis er sich richtig heimisch fühlt, wundert nicht. Der Start in die neue Aufgabe bei der Gemeinde Grevenmacher hätte günstiger verlaufen können. Just an dem Tag, als der „Shut-down“ wegen Corona ausgerufen wird, am 16. März hat er seinen ersten Arbeitstag im Rathaus von Grevenmacher. Es gibt mehr als genug zu tun.
Alle wollen mitmachen
Schartz macht das Beste daraus. Neben den vielen Mitteilungen intern und extern an die Bürger hat er die Aufgabe, die verschiedenen Institute der Moselmetropole zusammenzuführen. Damit, dass die „Union commerciale“, das „Syndicat d’initiative“ samt „Entente touristique de la Moselle“, „Kulturhaff“ mit Kino und Museen sowie die Gemeinde beim Thema Marketing auf sich alleine gestellt sind, soll zukünftig Schluss sein.
Hiermit rennt er offensichtlich offene Türen ein. Alle Beteiligten haben bis jetzt Bereitschaft signalisiert, wie er sagt. Worte wie „Branding“ oder „Corporate Design“ gehören zum Sprachgebrauch eines Designers. Schartz hat in London an der Middlesex University studiert. „Eine große Stadt und die Sprache“, begründet er seine Wahl für den Studienort.
Zurück in Luxemburg und nach Stationen in Werbeagenturen und bei der Muselzeitung arbeitet Schartz jetzt daran, den Inhalt der Fachbegriffe für die Gemeinde umzusetzen. Übersetzt bedeutet das: alles aus einer Hand und unverwechselbar. Die Corona-Krise wird zu seiner ersten Bewährungsprobe.
Grevenmacher hat viel zu bieten
In der Hochzeit des „Etat de crise“ erreicht Schartz 15.000 Nutzer pro Monat auf der Facebookseite der knapp 5.000 Einwohner zählenden Gemeinde. Immer wieder meldet sich dort sein Chef, der „Député-maire“ Léon Gloden (CSV) zu Wort. Wie alle anderen Rathauschefs kann er nicht persönlich mit den Bürgern Kontakt aufnehmen.
Stattdessen richtet er sich per Video an die Einwohner. Unter dem Motto „Miseler Way of Life doheem“ produzieren Musikschule und Gemeinde Videos für die Bürger auf der Facebookseite, deren Leben sich in dieser Zeit zwischen ihren vier Wänden abspielt. Außerdem entsteht eine vom normalen Auftritt der Gemeinde unabhängige Corona-Seite mit allen relevanten Informationen. „Es gab sehr viel zu kommunizieren“, sagt Schartz rückblickend.
Wein, Kultur, Geschichte und familienfreundliche Angebote hat er als „unique selling points“, wie Werbeprofis die Alleinstellungsmerkmale nennen, für Grevenmacher identifiziert. Dazu gehört der „Päiperlecksgaart“, die geführten Rundgänge durch den historischen Kern Grevenmachers, die Weinfeste mit dem alljährlichen Weinmarkt oder die Ausflüge mit dem Schiff Marie-Astrid auf der Mosel. Die Liste ließe sich fortführen.
Das alles soll zukünftig unter einem Dach einheitlich und mit einer Sprache vermarktet werden. „Die Grevenmacher leben gerne“, sagt Schartz und spielt auf den vielfach von seinem Chef Léon Gloden kolportierten „Miseler Way of Life“ an. Dessen Krönung soll das neue 27 Millionen Euro teure „Centre culturel“ sein, das mit seinem Programm grenzüberschreitend Publikum anziehen soll. Bis es so weit ist, dauert es noch ein bisschen.
Von Beethoven bis Olli Banjo
Statt das in die Jahre gekommene „Centre culturel“ am 25. April mit einer großen Abschiedsparty zu beerdigen, zog in der Corona-Krise dort erst einmal ein „Centre de soins avancés“ (CSA) zur Versorgung der Infizierten ein. Normalerweise wäre der Abriss jetzt in vollem Gang oder beinahe abgeschlossen. Vielleicht hat das sogar sein Gutes. Schartz hat mehr Zeit, um sich ein Programm auszudenken.
Musikalisch ist der Wasserbilliger nicht unvorbelastet. In der „Harmonie municipale“ seiner Heimatgemeinde spielt er als Teenager jahrelang Klarinette. Zu seiner Generation gehört der damals aufkommende Trip-Hop mit Bands wie Massive Attack und Portishead. Auf einen Lieblingsmusiker will er sich nicht festlegen. „Von Beethoven bis Olli Banjo“, sagt er danach gefragt. Die Alliteration gefällt ihm gut. Berührungsängste mit den unterschiedlichen Stilen hat er nicht. Er kennt und hört vieles.
Konzeption und strategisches Marketing sind anstrengend. Erholung findet Schartz auf Barfuß-Wanderungen. Der Verein „Nupieda“, das Esperantowort für barfuß, geht auf ihn zurück. Regelmäßig geht er mit einer Gruppe von rund 30 Menschen barfuß durch den Wald. „Ich bin gerne in der Natur“, sagt er. Das erdet, ist meditativ und bringt Ausgleich. Genau das wird er brauchen bei dem, was noch vor ihm liegt.
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