Grevenmacher / Mit einem „blauen Auge“ durch die Krise
Vielleicht ist es der „Miseler Way of Life“, der viele nach Grevenmacher zieht. Den erwähnt der Bürgermeister gerne als Erstes, wenn er über die Gemeinde spricht. Die Stadt wächst, ohne dabei den politischen Willen, Arbeitsplätze anzusiedeln, zu vernachlässigen. Für Visionen wie diese und deren Umsetzung ist normalerweise der Rathauschef zuständig. Dieses Jahr war alles anders.
Der Blick von Grevenmachers Bürgermeister Leon Gloden (CSV) auf dieses Jahr fällt zwiespältig aus. „Das Innenministerium war in der Krise nicht präsent“, sagt er. Also kümmert er sich. Und übernimmt Aufgaben, die sonst eher nicht zum politischen Tagesgeschäft gehören. „Wir haben während des Lockdowns alles in Eigenregie gestemmt, zusammen mit dem Syvicol“, sagt er.
Nach Hesperingen und Mamer ist Grevenmacher die dritte Gemeinde im Land, die Masken an die Einwohner verteilt, ehe die Regierung dies tut. Intern wird die Organisation im Rathaus umgestellt. „Wir haben sofort alle Abteilungen geteilt, damit wir im Falle eines Corona-Falles funktionsfähig bleiben“, sagt Gloden. Einkaufsdienste werden eingerichtet. Das Team aus dem Rathaus organisiert den Aufbau des „Centre de soins avancés“ für die Mosel im Grevenmacher Kulturzentrum.
Kein Geschäft musste schließen
Zusammen mit dem neu eingestellten Citymanager, dessen erster Arbeitstag der erste Tag des Lockdowns ist, erreicht er, dass trotz Corona kein Geschäft in Grevenmacher aufgeben muss. Im Gegenteil: Es siedeln sich neue an. Dennoch nimmt Krisenmodus und -management kein Ende. Nach einem einigermaßen entspannten Sommer sinkt im Oktober, kurz vor dem zweiten Lockdown, die Stimmung in der Gemeinde auf einen Tiefpunkt.
Im Altersheim der Gemeinde gibt es 14 Todesfälle. Die Einwohner sind betroffen und geschockt. Das Rathaus reagiert, versucht filmisch aufzuheitern. Es initiiert Videos über die Kultur der Gemeinde, die Musikschule nimmt Konzerte auf, die die Einwohner sich – wieder zu Hause und im „social distancing“ – anschauen können. Da die Weinfeste, fester Bestandteil des „Miseler Way of Life“, ersatzlos ausfallen, verteilt die Gemeinde zwei Flaschen Wein pro Haushalt gratis.
Bebauungsplan für das neue Viertel „Pietert“ verabschiedet
Vor diesem Hintergrund sagt Gloden, dass die Gemeinde bis jetzt mit einem „bauen Auge“ durch die Krise gekommen ist. Denn daneben hat er nie einen Zweifel daran gelassen, dass er keinen Investitionsstopp mitmacht und hat die großen Projekte weiter vorangetrieben. Gerade erst sind im Gemeinderat in ungewöhnlicher Einmütigkeit große Vorhaben wie der Teilbebauungsplan „Pietert“ und das Budget 2021 abgesegnet worden.
Wenn die neuen Wohneinheiten gegenüber der Schleuse, wo jetzt noch Schrebergärten das Bild bestimmen, fertig sind, wächst Grevenmacher kräftig in Richtung 5.500 Einwohner und könnte die Marke sogar überschreiten. Auf dem 3,7 Hektar großen Gelände ist Platz für 200 bis 250 neue Einwohner, wenn die Bebauung abgeschlossen ist. Ende 2021 sollen die Bagger anrollen, um die rund 100 Wohneinheiten mit Einfamilien- und Apartmenthäusern sowie Gewerbeflächen zu bauen.
Dafür mussten viele verschiedene Eigentümer an einem Tisch gebracht werden. Die Flurbereinigung ist seit Mitte November unter Dach und Fach. „Da entsteht ein neues Wohnviertel“, sagt Gloden. Daneben soll der „Potaschbierg“ weiter ausgebaut werden. Westlich der N1, an der rue de Flaxweiler, sind Gewerbeansiedlungen vorgesehen, denn es gibt laut Gloden eine hohe Nachfrage.
Budget 2021 mit großer Mehrheit angenommen
Die „Zone artisanale et commerciale“ (ZAEC) Potaschberg ist vornehmlich für Handwerksbetriebe gedacht, die sich vergrößern wollen, und für Bürohäuser am Rand des Gewerbegebiets. Sollten sich die Pläne realisieren, kann die „Zone“ mit einem architektonischen Hingucker aufwarten. Geplant ist ein turmförmiges Parkhaus in Kombination mit einer Kinderkrippe. „Die Idee ist, dass die Eltern, die dort arbeiten, ins Parkhaus fahren und ihre Kinder ohne Umwege unterbringen“, sagt der Bürgermeister.
Für das Budget 2021 hat sogar die DP, die sonst Oppositionspolitik macht, ihr Okay gegeben. „2020 schließen wir mit einem Bonus von rund drei Millionen im ordentlichen Haushalt ab“, sagt Gloden. „Damit liegen wir bei den Zahlen von 2014/2015.“ Wie alle anderen Gemeinden auch hat Grevenmacher ebenfalls weniger Geld vom Staat bekommen und damit weniger Einnahmen. Das macht in diesem Fall rund drei Millionen Euro aus.
Rebstöcke auf dem Dach
Deshalb wird sich die Renovierung des Marktplatzes genauso hinauszögern, genauso wie die neuen Ateliers für den „Service technique“. „Priorität hat der neue Busbahnhof und das Kulturzentrum“, sagt Gloden. Beides schlägt sich 2021 mit knapp sieben Millionen Euro Ausgaben im Budget nieder. Nächstes Jahr wird das alte Kulturzentrum abgerissen. Für das neue hat er gleich architektonisch im Sinne des „Miseler Way of Life“ eingewirkt. „Wir werden Rebstöcke auf dem Dach anpflanzen“, sagt er.
Der Bürgermeister hofft darauf, dass man das spezielle Lebensgefühl beim nächsten Weinmarkt 2021 wieder in Gesellschaft genießen kann. Der nächste Weinmarkt, Saisoneröffnung für die Erzeugnisse aus den Weinbergen, soll „open air“ in der Fußgängerzone stattfinden. Das Konzept dafür ist in Arbeit. Dann ist Corona vielleicht noch nicht ganz ausgestanden, aber der „Miseler Way of Life“ zeigt sich dann von seiner schönsten Seite.
- Näherinnen hauchen Werbeplanen von Amnesty International Luxembourg neues Leben ein - 10. November 2024.
- Verlust oder Chance? Wenn jeder Tag ein Sonntag ist, helfen Pensionscoaches - 2. November 2024.
- „Habe eine Welt kennengelernt, die ich so nicht kannte“ – Porträt einer Betroffenen - 29. Oktober 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos