Corona-Tagebuch (53) / Montag, 18. Mai: Was ich nicht verstehe
Das Coronavirus beherrscht das Leben in Luxemburg. Die Lage scheint jetzt etwas entspannter, ist aber immer noch weit entfernt von gewohnter Normalität. Eigentlich genau der richtige Zeitpunkt, um seine Gedanken mal wieder in einem Tagebuch niederzuschreiben. Was fällt uns auf, was empfinden wir und was erwarten wir? Das Corona-Tagebuch des Tageblatt gibt Einblick in diese Gedankenwelt.
Liebes Tagebuch, hätte uns jemand vor einem halben Jahr gesagt, dass wir bei Frühlingsbeginn gesetzlich dazu verdonnert werden, zwei Monate lang zu Hause zu bleiben, hätten wir denjenigen wahrscheinlich ausgelacht und für komplett verrückt erklärt. Das geht doch gar nicht. Unmöglich. Nicht machbar. Da wird sich ja niemand dran halten.
Und doch, liebes Tagebuch, kam es genau so. Es war möglich. Es wurde akzeptiert. Die Menschen haben sich (fast alle) dran gehalten. Wie Bildungsminister Claude Meisch in einem Tageblatt-Interview sagte: „Die Politik, die Medien und die Wissenschaftler haben den Menschen Angst gemacht.“ Angst vor dem Virus. Und jetzt laufen alle mit einer Atemschutzmaske herum. Ein seltsames Bild, an das man sich irgendwie gewöhnt.
Es war also die Einsicht, liebes Tagebuch, welche die Menschen dazu gebracht hat, brav zu Hause zu bleiben und nicht zu rebellieren. Nun, wo sich Luxemburg und andere Länder wieder öffnen, stelle ich mir allerdings viele Fragen über verbleibende absurde Regelungen. Nicht unbedingt in Luxemburg, aber im nahen Ausland.
Endlich hat Deutschland die unnützen Grenzbeamten vor unserer Tür abgezogen. Nach Frankreich dürfen wir nicht mehr als hundert Kilometer reinfahren und in Belgien dürfen wir nicht ans Meer, aber „höchstwahrscheinlich“, wie Außenminister Jean Asselborn vor einigen Tagen meinte, demnächst zum Shoppen fahren. Das muss man, glaube ich, nicht unbedingt verstehen. Holland würde uns hereinlassen, doch Belgien lässt uns nicht durch. Es lebe der Schengen-Vertrag, liebes Tagebuch. Und die Bilder, wie sich Heiko Maas an der Seite von Asselborn an der Grenze inszeniert, verursachen bei mir bestenfalls Kopfschütteln.
Und noch etwas verstehe ich nicht, liebes Tagebuch. Die Leute haben mangels Bewegung Pfunde zugelegt, so die Meldungen, nicht nur aus Luxemburg, die in den vergangenen Tagen kursierten. In Luxemburg hatten wir zumindest Ausgang, und Sport durfte man auch draußen treiben. Fitnessstudio? Fitness-Übungen kann man doch auch sehr gut zu Hause machen. Ohne Garten, ohne Fitnessraum. Man braucht lediglich einen Tisch, einen Stuhl, eine Treppe und einen Teppich. Das sollte eigentlich jeder zu Hause haben. Und Apps dazu gibt es wie Sand am Meer. Der Lockdown war zudem die Gelegenheit, selber zu kochen, mit frischen Zutaten, statt Fertiggerichte zu essen.
Rund zwei Monate lang waren die Friseursalons geschlossen. Meine Haare sind lang geworden und nicht mehr wirklich zu zähmen. Den Bart habe ich seit dem Lockdown ebenfalls nicht mehr gemacht. Vielleicht ist das meine Art zu rebellieren. Es hat etwas von Robinson Crusoe auf seiner verlassenen Insel. Irgendwie passt das doch.
Aber nun, und das ist meine ganz persönliche Exit-Strategie, liebes Tagebuch, werde ich mein Smartphone in die Hand nehmen und meinen Friseur anrufen. Ich werde meine Maske anziehen und die Insel verlassen.
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