Gastronomie / „Place to be“ im Sommer 2020: Die Panoramaterrasse des „Gudde Wëllen“ in Luxemburg-Stadt
„De Gudde Wëllen“ ist nicht gerade für Social Distancing bekannt. In gewöhnlichen Zeiten drängeln sich die Partygäste freitag- und samstagabends mit einem Bier in der Hand durch die schmale Gasse aneinander vorbei. Das macht eigentlich den Charme des Lokals in der rue du Saint-Esprit aus – und ist jetzt verboten. „De Gudde Wëllen“ ist immer noch geschlossen. Dafür gibt es jetzt 300 Meter weiter „De Gudde Weather“ – nur geöffnet, wenn das Wetter gut ist. Die Notlösung der Geschäftsinhaber Luka Heindrichs, Ben Thommes und Jaakes Hoffmann ist inzwischen „the place to be“ in der Hauptstadt.
Luka Heindrichs sitzt an einem weißen Holztisch im Schatten. Hinter ihm erstreckt sich einer der schönsten Ausblicke, die Luxemburg zu bieten hat. Kein Wunder, dass „De Gudde Weather“ vom Erfolg überrollt wird. „Die Terrasse auf der Corniche bietet Platz für etwa 120 Gäste und war seit der Eröffnung quasi dauerhaft zu 80 Prozent ausgelastet“, sagt Heindrichs. Ein notwendiger Erfolg, mit dessen Einnahmen die Geschäftspartner die finanziellen Löcher der Krise zum Großteil stopfen konnten. „Jetzt geht es darum, Reserven für den Winter anzulegen – und für wer weiß wie lange danach.“
Heindrichs war gerade im Spanienurlaub, als der Lockdown angekündigt wurde. „Meine erste Reaktion war Panik. Ich dachte, wir müssen schließen und das war’s dann“, sagt er. Das Team reißt sich zusammen und beginnt kurz darauf, nach ersten Lösungen zu suchen. Konzerte zu streamen kommt für sie dabei nicht infrage. „Wir mussten unsere acht Mitarbeiter in den ‚chômage partiel‘ schicken und wollten sie nicht mit zu viel Arbeit belasten. Außerdem gab es bereits einige Initiativen, bei denen Konzerte gestreamt wurden“, sagt Heindrichs.
Stattdessen startet „De Gudde Wëllen“ eine Spendenaktion auf „GoFundMe“. Trotz der eigenen prekären Situation denken sie dabei auch an andere. Denn die 25.000 Euro, die innerhalb von zwei Wochen zusammenkommen, behalten sie nur zur Hälfte. 12.500 Euro gehen an die luxemburgische Vereinigung „Catch a Smile“, die Flüchtlingen im Balkan hilft. Eine Thematik, die den Geschäftspartnern schon lange am Herzen liegt. „Natürlich haben wir zuerst an uns gedacht. Aber schnell kam der Gedanke auf, welche Folgen die Krise auf denjenigen haben wird, die Mitte März bei null Grad in einem Camp in Serbien oder Bosnien sitzen“, sagt Heindrichs.
Kunstauktion
Ein zweiter Versuch, Geld zu sammeln, entsteht im gleichen Solidaritätsgedanken. Als die luxemburgische Künstlerin Sarah Mandres „De Gudde Wëllen“ kontaktiert, weil sie eines ihrer Bilder versteigern und das Geld an das Lokal spenden will, spinnen die Geschäftspartner diese Idee weiter. „Viele Künstler gehen bei uns ein und aus oder haben sich in irgendeiner Form am ‚Gudde Wëllen‘ beteiligt. Die haben wir kontaktiert und gefragt, ob sie bei einer Auktion mitmachen würden“, sagt Heindrichs. Es kommen 58 Werke von 30 verschiedenen Künstlern zusammen. Die Hälfte davon wird versteigert – für Beträge zwischen 100 und 3.000 Euro. „De Gudde Wëllen“ behielt eine Art Galeriekommission, während die Künstler auch vom Verkauf ihrer Werke profitieren konnten. Mit den Einnahmen schafft das Lokal es, laufende Kosten wie Miete, Anleihe bei der Bank und Anmietung von technischem Material zu bezahlen.
Der dritte und letzte Streich von Heindrichs, Thommes und Hoffmann ist die Terrasse auf der Corniche. Sie ist auch die einzige Möglichkeit, überhaupt irgendwie weiterzumachen. Denn im kleinen Lokal in der rue du Saint-Esprit ist Social Distancing nicht wirklich machbar. Den versteckten Platz auf der Corniche mit der atemberaubenden Aussicht hatten die Geschäftspartner schon länger im Blick. „Wir haben bereits 2018 und 2019 einen Antrag bei der Stadt Luxemburg gestellt, um dort eine Terrasse aufbauen zu können“, sagt Heindrichs. Denn nach Nationalfeiertag verirren sich nur sehr wenige Kunden im „dunklen Loch“ des „Gudde Wëllen“, wie Heindrichs das Lokal dann nennt, in dem es keinen Außenbereich gibt. „Von der Stadt haben wir in den Jahren davor leider nie eine Antwort bekommen.“
Vergessene Ecke
In diesem Jahr ist das anders: Nachdem das Team einen Ordner mit technischen Daten und Konzept eingereicht hat, dauert es nur einen Monat, bis der Antrag vom Schöffen- und Gemeinderat abgesegnet wird. „Als die Stadt uns die Genehmigung mitgeteilt hat, meinten sie allerdings noch im gleichen Atemzug, dass das eine Ausnahme ist“, fügt Heindrichs hinzu. Die Genehmigung der Stadt gilt vorläufig bis Mitte November. Er gibt die Hoffnung auf eine weitere Saison „De Gudde Weather“ jedoch nicht auf: „Wer weiß, wie lange die Situation noch anhält. Außerdem ist das Feedback der Gäste einfach mega“, sagt er. Viele Stadtbewohner hätten sich gar bedankt, dass diese vergessene Ecke nun aufgewertet wird.
Damit der Erfolg ihnen nicht zum Verhängnis wird, hat sich das Team dazu entschieden, etwas mehr als die Hälfte der Tische per Online-Reservierung zu vergeben. „Dadurch laufen wir nicht Gefahr, eine Schlange von 50 Personen vor dem Empfang zu haben“, sagt er. Takeaway gibt es auch nicht. Wer etwas trinken will, muss an einem Tisch sitzen, nur so kann das Einhalten der Sicherheitsregeln gewährleistet werden. Einer der Mitarbeiter ist während der Öffnungszeiten ausschließlich für die Reservierungen und das Einhalten der Hygieneregeln zuständig. Die meisten würden sich an die Maskenpflicht halten, diejenigen, die es nicht tun, müssen die Terrasse nach der dritten Verwarnung verlassen.
Gutes Wetter ist relativ
Wie der Name es schon sagt, ist der „Gudde Weather“ nur geöffnet, wenn das Wetter auch gut ist. „Dabei ist gutes Wetter relativ“, sagt Heindrichs. Dennoch hatte das Team bisher enormes Glück – nur ein Mal musste wegen Regen geschlossen werden. An anderen Tagen war es eher die Sonne, die den Gästen zu schaffen machte. Während der Hitzewelle habe es fünf Tische gegeben, an denen niemand länger als ein paar Minuten sitzen konnte. Mit dem herannahenden Herbst wird das wohl weniger ein Problem bleiben. Auf der Einkaufsliste von Heindrichs und seinen Partnern stehen zunächst einmal Decken. Wenn das Wetter nicht komplett kippt, wollen sie die Terrasse noch bis Mitte November bewirten. Danach überlegen sie, auch im oberen Stockwerk des „Gudde Wëllen“, wo für gewöhnlich Konzerte stattfinden, Tische aufzustellen. „Dann sind wir auch nicht verschlossen, eventuell Lesungen oder intime Konzerte anzubieten“, sagt Heindrichs. „So oder so müssen wir kämpfen.“ Gut also, dass der Notfallplan aufgeht und das Wetter bisher mitspielt.
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