/ Tattoos für Obdachlose: Warum die Tinte unter der Haut mehr ist als nur Körperschmuck
Am vergangenen Montag hatte das LX Tattoo-Studio zwei ganz besondere Kunden zu Gast. Christian und Alex sind beide obdachlos und leben im „Centre Ulysse“ in Bonneweg. Trotz ihrer prekären Lebenslage gab es für die jungen Männer einen Grund zur Freude, denn sie sind die Gewinner einer kostenlosen Tätowier-Session und durften sich ein Motiv ihrer Wahl stechen lassen. Eine ungewöhnliche Aktion, die am Ende viele zufriedene Gesichter hinterließ.
Von Laura Tomassini
Sträflinge, Mafia, Gang-Mitglieder: in etwa so sah die typische Klientel von Tattoos in den Köpfen der Massen im vergangenen Jahrhundert aus. Mittlerweile hat sich der Körperschmuck zu einem weltweiten Trend entwickelt, der nicht mehr nur die Unterschicht der Gesellschaft ziert. „Ein wahres Luxusprodukt“ nennt Tätowierer Pascal Pasek das, wofür heute Tausende Menschen weltweit schon mal gerne tief ins Portemonnaie greifen. Was dabei allerdings oftmals verloren geht, ist der eigentliche Zweck von Tattoos. Denn die Hautbilder deuten nicht nur auf den Status des Trägers innerhalb seiner Gemeinschaft hin, wie es etwa bei traditionellen Tribal-Tattoos der Fall ist, oder sollen die Mode der Zeit widerspiegeln, sondern dienen als persönliches Memoire. Das Geburtsdatum eines Geliebten, ein Symbol für einen bestimmten Lebensabschnitt, der Halt gebende Liedtext für schwere Zeiten – unter die Haut kommt, was einen wirklich geprägt hat.
Doch die gestochenen Motive sind kostspielig und für so manchen nicht zu bezahlen. Um genau diesen einen Wunsch zu erfüllen, hat das städtische Studio LX Tattoo diesen Sommer eine ganz besondere Aktion gestartet. „Die Initiative ist auf die Idee einer unserer Künstler hin entstanden. Wir wollten damit Menschen helfen, die sich zurzeit in einer finanziell benachteiligten Lage befinden und sich aus diesem Grund nichts stechen lassen können“, erklärte Pasek. Gemeinsam mit dem Obdachlosenheim „Centre Ulysse“ der Caritas wurden im Juli insgesamt vier Heimbewohner ausgelost, die sich umsonst ein Motiv ihrer Wahl tätowieren lassen dürfen. Die ersten zwei Glücklichen waren direkt am Montag dran, die anderen beiden werden im September auf der LX-Bank liegen.
Zurück zu den Wurzeln
„Der August ist für Tattoo-Studios ein relativ ruhiger Monat, sodass wir uns zeitlich erlauben können, jemandem eine Freude zu bereiten“, sagte der Tätowierer. Gemeinsam mit seinem Kollegen Vlad Valeanu ging es am 26. August also ran an die Nadeln. Gestochen wurde, was das Herz der Kunden begehrt – und zwar für lau. „Natürlich nur Motive, die zeitlich auch realisierbar sind. Wir fangen heute keine ganzen Sleeves oder Rücken an“, so Pasek. Beliebt waren bei der Aktion scheinbar Vögel: gegen 17 Uhr schmückte die Hand des ersten Kunden bereits ein Täubchen, direkt daneben ließ Klient Nummer zwei noch die letzten Stiche für seinen Raben über sich ergehen. „Das Tattoo hat mit dem Tod zu tun und steht für meine Mutter. Als sie gestorben ist, wollte ich mir etwas für sie stechen lassen, aber ich konnte es mir bisher nicht leisten“, meinte Christian.
Der 34-Jährige lebt seit etwa einem halben Jahr im „Centre“ in Bonneweg. Kein Schicksal, das er sich gewünscht hätte, so der ehemalige Techniker: „Ich habe meine Arbeit verloren, dann habe ich mein Zuhause verloren und schließlich blieb mir keine andere Möglichkeit mehr.“ Die Aktion des Studios hat Christian dankend angenommen. Nicht als essenziell wichtig empfindet er sie, aber dennoch als etwas, das wenigstens eine kleine Freude bereitet. „Ich will nicht sagen, dass Menschen wie er es mehr verdient haben als andere. Aber der Ursprung von Tattoos ist genau das; früher ließ sich die untere Mittelschicht tätowieren, durch den Boom sind die Preise allerdings so sehr gestiegen, dass viele es sich einfach nicht mehr erlauben können“, meinte Pasek.
Andere Menschen, andere Bedürfnisse
Auch Alex hätte nicht das nötige Geld für eine anständige Tätowierung aufbringen können. Mit knapp 21 Jahren lebt der junge Mann nunmehr seit über einem Jahr ohne eigenen Wohnsitz, davor war sein Leben geprägt vom ständigen Hin und Her: „Ich bin von zu Hause weg, dann wieder zurück und schließlich wieder auf die Straße.“ Die schwarz-weiße Taube auf seinem Handrücken hat direkt keine tiefgründige Bedeutung, auch wenn sie für Außenstehende wohl stark an ein Leben ohne festes Zuhause erinnert. „Was viele vergessen, ist die Tatsache, dass auch obdachlose Menschen Teil unserer Gesellschaft sind. Manche haben eine Familie und waren davor ganz normal arbeitstätig“, so Filipe Ribeiro, Verantwortlicher im „Centre Ulysse“.
Die Anfrage des Tattoo-Studios wurde erst mit Skepsis entgegengenommen – schließlich sind Tätowierungen nicht gerade das, was man generell als lebensnotwendig bezeichnen würde. Und dennoch war das Team aus Bonneweg offen für die etwas ungewöhnliche Aktion und die Direktion gab ihr OK. „Es ist untypisch, ja. Und es gab auch einen ziemlichen Shitstorm von Außenstehenden. Natürlich haben Menschen ohne Dach über dem Kopf andere Probleme als Körperschmuck. Aber das, was eine Person vielleicht in diesem Moment braucht, ist nicht unbedingt das, was die Gesellschaft als wichtig empfindet“, erklärte Ribeiro. Auch ein gewisses Selbstwertgefühl spiele hier eine Rolle, denn zwischen professionell gestochenen Tattoos und Eigenkreationen liegen meist Welten – ganz zu schweigen von der kleinen, nicht ganz unwichtigen Frage nach der (nicht vorhandenen) Hygiene, die Straßentätowierungen oftmals begleitet.
Etwas fürs Karma
Vor allem aber sei es der ungeahnt pädagogische Aspekt, der die Aktion im Nachhinein so positiv beleuchte: „Die Gewinner der Auslosung mussten sich wirklich mit dem Thema auseinandersetzen und nicht einfach mal ins Studio gehen und schauen, was es da so gibt. Ursprünglich gab es noch einen dritten Kandidaten für den ersten Termin, dieser meinte aber, er könne sich so schnell kein Motiv einfallen lassen. Das hat mich sehr erstaunt und ist etwas, das ich als sehr wertvoll und aufwertend für unsere Bewohner empfinde.“ Eine gewisse Autonomie und Eigenverantwortung also, die auch vom Studio gefördert wurde. Wer ein Tattoo haben wollte, der musste ganz genaue Anweisungen befolgen: kein Alkoholkonsum, pünktliches Erscheinen, eine konkrete Idee. Vor dem Termin war auch die Anmeldung im Büro des Zentrums Pflicht – einfach um sicherzugehen, dass die Aktion auch ernst genommen wird.
Das Ergebnis der etwas speziellen Tätowier-Session ist zufriedenstellend, alle Beteiligten haben etwas davon: ein Moment der Freude, der ewig hält seitens der Gewinner, „eine gute Tat für das eigene Seelenwohl und Karma“ für die Tätowierer und die Erkenntnis, dass manchmal auch eine ungewöhnliche Spende Gutes tun kann, wie das Caritas-Team feststellte. Auf die Frage, warum er persönlich die Aktion als sinnvoll empfindet, hatte Ribeiro abschließend auch eine klare Antwort: „Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse und auch wenn wir als Organisation keinen Gutschein dieser Art ausstellen – wenn jemand den Menschen bei uns etwas schenken möchte, warum sollten wir dann Nein sagen.“
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Tolle Aktion vom Studio und Daumen hoch! Wer sind die Außenstehenden, die den Shitstorm veranstaltet haben? Was geht es sie an und was haben sie sich einzumischen? Außer dem Friseurbesuch und drei – soviel ich weiß (Ausflug, Schobermesse und Weihnachtsfeier) – wird ihnen ohnehin nicht viel Luxus zuteil. Wer nur das Nötigste gönnt und seine (eventuellen) gute Taten an die große Glocke hängt, sollte besser ganz still sein, denn „die linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut“!
Op jiddwer Fall gitt der zu Tokyo net an d’Sauna.
Moien, mir verëffentlechen keng Beleidegungen an och keng Ënnerstellungen zu dem Thema. Op verschidden Leit sech wëllen tätowéieren loossen, oder och net, dat ass eleng hir Saach an et ass keen Grond fir d’Reegelen vun der allgemenger Héiflechkeet am Netz, genannt Netikett, ze vergiessen. Mat frëndlechen Gréiss
Karma? Selbstwertgefühl?
Wenn ich mein größtes Organ zermartern muss um mein Selbstwertgefühl zu bestätigen,dann stimmt was nicht.Ebenfalls weils jeder Affe tut und cool aussieht ist kein Grund. Die Haut hat mit der Umwelt (Sonne usw.) schon genug Probleme um uns vor dem sicheren Tod zu beschützen. Traditionen und Mode sind keine Ursache ein Organ dauerhaft zu schädigen.
In diesem Land stimmen sehr viele Dinge nicht, und ich habe den Verdacht dass es sehr viele Luxemburger betrifft, denn soviel wie in den Kommentaren, sei es hier, bei RTL, bei Essentiel usw, ueber alles und nichts gemeckert wird, ist mir unverstaendlich. Es gibt tatsaechlich Leute, die sich taetowieren lassen nicht weil jeder „Affe“ est tut (habe auch noch nie einen taetowierten Affen gesehen), sondern weil sie etwas ausdruecken wollen damit. Ja, und auch das Selbstwertgefuehl spielt bei manchen auch eine Rolle, es kann wie eine Therapie wirken um ueber Situationen in seinem Leben hinwegzukommen, oder sich damit auseinanderzusetzen, es gibt auch noch tausend andere Gruende sich taetowieren zu lassen. Sie muessen ueberhaupt nichts, und schon gar nicht ihre Haut „zermartern“ um ihr Selbstegfuehl zu bestaetigen, Sie haben es im Uebermass wie es mir scheint. Und sterben werden wir alle, ob mit oder ohne Sonne, ob mit oder ohne Tattoo. Also einfach nix sagen zu einem Thema wo man keine Ahnung hat. Ich wuensche Ihnen einen schoenen sonnigen Tag
„… es gibt auch noch tausend andere Gruende sich taetowieren zu lassen.“
Bitte klären Sie mich auf, meine Fantasie lässt mich momentan im Stich. Ich kriege etwa 4 zusammen:
– man/frau findet es schön
– man/ frau will nicht wie die Eltern sein
– man/ frau ist wahnsinnig verliebt (? xy forever!!)
– man/frau war betrunken (passiert gerne auch im Urlaub)
Sie haben nicht nur keine Fantasie, sondern auch bestimmt keine Tattoos. Also einfach nix schreiben wenn man keine Ahnung hat.
Christiophe scheint betroffen zu sein wenn jemand einen Kommentar gegen seine persönliche Meinung äussert.Nun,lieber Christophe,die Ahnung die ich habe wird teilweise von Hautärzten und „Ex-Tätowierten“ untermauert und scheint ja auch logisch zu sein.Ist die Haut nun einmal ein Organ welches man unterstützen sollte und eben nicht zermartern,weil es vor hunderten Jahren von Piraten oder Naturvölkern betrieben wurde und noch immer wird. Das macht es aber nicht besser.Es gibt auch Völker die piercen sich die Zunge und beide Wangen,legen ihren Frauen Ringe um den Hals bis das Genick sich nicht mehr selbst tragen kann usw. Aber sollte man das nachäffen nur um sein Selbstwertgefühl zu stärken. Sie haben aber Recht,es gibt keine tätowierten Affen.Ich denke die sind zu klug oder sie haben keine Ahnung
KLar bin ich betroffen, wenn man pauschalisiert. Aber besser ich gebe keine Antwort mehr ab gegen Intoleranz und Ahnungslosigkeit, das ist wie gegen Windmuehlen kaempfen. Ich wuensche Ihnen einen schoenen Tag.